Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_197.001 p3b_197.003 p3b_197.019 p3b_197.023 p3b_197.035 § 79. Anforderungen und Grundsätze. p3b_197.036 p3b_197.001 p3b_197.003 p3b_197.019 p3b_197.023 p3b_197.035 § 79. Anforderungen und Grundsätze. p3b_197.036 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0223" n="197"/><lb n="p3b_197.001"/> Prosodik in der Absicht darzulegen, eine Einheit in der Übersetzungskunst <lb n="p3b_197.002"/> anzubahnen.</p> <p><lb n="p3b_197.003"/> Moderne Sprachen und Litteraturen. Auf eine geschichtliche Entwickelung <lb n="p3b_197.004"/> und Darstellung der Übersetzungen aus den neueren Sprachen müssen <lb n="p3b_197.005"/> wir an dieser Stelle um so mehr verzichten, als wir es noch nicht an der Zeit <lb n="p3b_197.006"/> halten, eine erschöpfende Darstellung derselben zu liefern, andererseits aber die <lb n="p3b_197.007"/> bedeutendsten Vertreter (z. B. in Verdeutschung des Dante, Ariost, Tasso, <lb n="p3b_197.008"/> Calderon, Shakespeare, Byron &c. &c.) schon im 2. Bande dieser Poetik bei den <lb n="p3b_197.009"/> einzelnen Dichtungsgattungen erwähnt wurden. Selbstredend kann hier auch <lb n="p3b_197.010"/> nur beispielsweise einiges aus den modernen Sprachen gegeben werden, was <lb n="p3b_197.011"/> auch völlig genügen muß. Denn trotz der ethnologischen Verschiedenheit ist <lb n="p3b_197.012"/> doch der moderne Sprachgeist im ganzen genommen so einheitlich, die Nationen <lb n="p3b_197.013"/> einander so nahe gerückt, daß die allgemeinen Behandlungsregeln sich von der <lb n="p3b_197.014"/> einen auf die andere Sprache leicht übertragen lassen. Wo dies aber nicht <lb n="p3b_197.015"/> angeht, wie z. B. beim Magyarischen oder bei slavischen und orientalischen <lb n="p3b_197.016"/> Sprachen, da sind die besonderen Regeln eben nur durch das Studium dieser <lb n="p3b_197.017"/> Sprachen selbst zu gewinnen, und wir können natürlich nicht beabsichtigen, in <lb n="p3b_197.018"/> deren Feinheiten hier einzugehen.</p> <p><lb n="p3b_197.019"/> Ebenso zwecklos wäre es, für die Übersetzung der ältesten oder älteren <lb n="p3b_197.020"/> orientalischen Sprachen hier Regeln geben zu wollen, denn wer sich deren aufstellen <lb n="p3b_197.021"/> will, wird seine Vorgänger (Gebr. Schlegel, Hammer-Purgstall, Herder, <lb n="p3b_197.022"/> Bopp, Rückert &c.) zum vergleichenden Studium benützen müssen.</p> <p><lb n="p3b_197.023"/> Das Eine ist indes noch zu betonen, daß neben Goethe und Platen besonders <lb n="p3b_197.024"/> <hi rendition="#g">Freiligrath</hi> als Ausgangspunkt der heutigen Übersetzungskunst aus <lb n="p3b_197.025"/> modernen Sprachen insofern bezeichnet werden darf, als er durch unermüdliches <lb n="p3b_197.026"/> Feilen und Redigieren Treue mit Lesbarkeit zu <hi rendition="#g">verbinden</hi> und <hi rendition="#g">Übertragungen <lb n="p3b_197.027"/> herzustellen wußte, welche gleich den modernen Bearbeitungen <lb n="p3b_197.028"/> der griechischen Tragiker wie deutsche Originalgedichte sich <lb n="p3b_197.029"/> lesen.</hi> Mit großer Absichtlichkeit haben wir daher weiter unten einen Blick <lb n="p3b_197.030"/> <hi rendition="#g">lediglich</hi> in die Freiligrathsche Übersetzerstube eröffnet, um dem Anfänger zu <lb n="p3b_197.031"/> zeigen, wie selbst der Genius mühsam nach der Palme ringen muß, ferner <lb n="p3b_197.032"/> wie man es zu beginnen hat, um das Ziel der Übersetzungskunst zu erreichen: <lb n="p3b_197.033"/> <hi rendition="#g">Übersetzungen, welche bei aller Treue den Eindruck von Originalgedichten <lb n="p3b_197.034"/> hervorrufen.</hi></p> </div> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_197.035"/> <head> <hi rendition="#c">§ 79. Anforderungen und Grundsätze.</hi> </head> <p><lb n="p3b_197.036"/> Wo es sich nur um Jnhaltsangabe, um Kenntnis der Grundlagen des <lb n="p3b_197.037"/> Umrisses handelt, genügt die Prosa-Übersetzung des dichterischen Kunstwerks. <lb n="p3b_197.038"/> Jn allen andern Fällen ist dasselbe nach Stil und Ton, nach Anordnung <lb n="p3b_197.039"/> des Maßes &c. nicht von seiner Form zu trennen. Somit ist als oberster <lb n="p3b_197.040"/> Grundsatz aufzustellen: <hi rendition="#g">Ein dichterisches Kunstwerk darf nur künstlerisch <lb n="p3b_197.041"/> übertragen werden und zwar wo möglich in der Form des Originals <lb n="p3b_197.042"/> oder doch in einer solchen Form, welche vom Jnhalt nichts unter= </hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [197/0223]
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Prosodik in der Absicht darzulegen, eine Einheit in der Übersetzungskunst p3b_197.002
anzubahnen.
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Moderne Sprachen und Litteraturen. Auf eine geschichtliche Entwickelung p3b_197.004
und Darstellung der Übersetzungen aus den neueren Sprachen müssen p3b_197.005
wir an dieser Stelle um so mehr verzichten, als wir es noch nicht an der Zeit p3b_197.006
halten, eine erschöpfende Darstellung derselben zu liefern, andererseits aber die p3b_197.007
bedeutendsten Vertreter (z. B. in Verdeutschung des Dante, Ariost, Tasso, p3b_197.008
Calderon, Shakespeare, Byron &c. &c.) schon im 2. Bande dieser Poetik bei den p3b_197.009
einzelnen Dichtungsgattungen erwähnt wurden. Selbstredend kann hier auch p3b_197.010
nur beispielsweise einiges aus den modernen Sprachen gegeben werden, was p3b_197.011
auch völlig genügen muß. Denn trotz der ethnologischen Verschiedenheit ist p3b_197.012
doch der moderne Sprachgeist im ganzen genommen so einheitlich, die Nationen p3b_197.013
einander so nahe gerückt, daß die allgemeinen Behandlungsregeln sich von der p3b_197.014
einen auf die andere Sprache leicht übertragen lassen. Wo dies aber nicht p3b_197.015
angeht, wie z. B. beim Magyarischen oder bei slavischen und orientalischen p3b_197.016
Sprachen, da sind die besonderen Regeln eben nur durch das Studium dieser p3b_197.017
Sprachen selbst zu gewinnen, und wir können natürlich nicht beabsichtigen, in p3b_197.018
deren Feinheiten hier einzugehen.
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Ebenso zwecklos wäre es, für die Übersetzung der ältesten oder älteren p3b_197.020
orientalischen Sprachen hier Regeln geben zu wollen, denn wer sich deren aufstellen p3b_197.021
will, wird seine Vorgänger (Gebr. Schlegel, Hammer-Purgstall, Herder, p3b_197.022
Bopp, Rückert &c.) zum vergleichenden Studium benützen müssen.
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Das Eine ist indes noch zu betonen, daß neben Goethe und Platen besonders p3b_197.024
Freiligrath als Ausgangspunkt der heutigen Übersetzungskunst aus p3b_197.025
modernen Sprachen insofern bezeichnet werden darf, als er durch unermüdliches p3b_197.026
Feilen und Redigieren Treue mit Lesbarkeit zu verbinden und Übertragungen p3b_197.027
herzustellen wußte, welche gleich den modernen Bearbeitungen p3b_197.028
der griechischen Tragiker wie deutsche Originalgedichte sich p3b_197.029
lesen. Mit großer Absichtlichkeit haben wir daher weiter unten einen Blick p3b_197.030
lediglich in die Freiligrathsche Übersetzerstube eröffnet, um dem Anfänger zu p3b_197.031
zeigen, wie selbst der Genius mühsam nach der Palme ringen muß, ferner p3b_197.032
wie man es zu beginnen hat, um das Ziel der Übersetzungskunst zu erreichen: p3b_197.033
Übersetzungen, welche bei aller Treue den Eindruck von Originalgedichten p3b_197.034
hervorrufen.
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§ 79. Anforderungen und Grundsätze. p3b_197.036
Wo es sich nur um Jnhaltsangabe, um Kenntnis der Grundlagen des p3b_197.037
Umrisses handelt, genügt die Prosa-Übersetzung des dichterischen Kunstwerks. p3b_197.038
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des Maßes &c. nicht von seiner Form zu trennen. Somit ist als oberster p3b_197.040
Grundsatz aufzustellen: Ein dichterisches Kunstwerk darf nur künstlerisch p3b_197.041
übertragen werden und zwar wo möglich in der Form des Originals p3b_197.042
oder doch in einer solchen Form, welche vom Jnhalt nichts unter=
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