Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_178.001 p3b_178.007 § 73. Grenze der Abscheidung zwischen Hochdeutsch und p3b_178.008 Dialekt, oder Behandlungsmöglichkeit eines Stoffs für p3b_178.009 dialektische Poesie. p3b_178.010 p3b_178.021 p3b_178.026 p3b_178.029 § 74. Behandlung der Stoffe. p3b_178.030 p3b_178.037 § 75. Ausdrucksweise und Sprache des Dialektgedichts. p3b_178.038 p3b_178.001 p3b_178.007 § 73. Grenze der Abscheidung zwischen Hochdeutsch und p3b_178.008 Dialekt, oder Behandlungsmöglichkeit eines Stoffs für p3b_178.009 dialektische Poesie. p3b_178.010 p3b_178.021 p3b_178.026 p3b_178.029 § 74. Behandlung der Stoffe. p3b_178.030 p3b_178.037 § 75. Ausdrucksweise und Sprache des Dialektgedichts. p3b_178.038 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0204" n="178"/><lb n="p3b_178.001"/> nicht einmal ganz empfundenen Schönheit der Natur, Lust und Leid, sowie der <lb n="p3b_178.002"/> bescheiden=vergnügliche Umgang mit seinesgleichen: das ist der goldene Feierabend, <lb n="p3b_178.003"/> der (dem Stoffe nach) in der Dialektdichtung seither erklang und der <lb n="p3b_178.004"/> auch in der Folge in ihr erklingen sollte oder wird. Auf Grund einer volksmäßigen <lb n="p3b_178.005"/> Anschauung bauen sich die seelischen Vorgänge, baut sich die Gefühls= <lb n="p3b_178.006"/> und Gedankenwelt auf, welcher der Dichter seine Stoffe zu entnehmen hat.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_178.007"/> <head> <hi rendition="#c">§ 73. Grenze der Abscheidung zwischen Hochdeutsch und <lb n="p3b_178.008"/> Dialekt, oder Behandlungsmöglichkeit eines Stoffs für <lb n="p3b_178.009"/> dialektische Poesie.</hi> </head> <p><lb n="p3b_178.010"/> Jn Beantwortung der berechtigten Frage, bis zu welchem Grade eine <lb n="p3b_178.011"/> dialektische Behandlung irgend eines Gegenstandes gerechtfertigt sei, läßt sich im <lb n="p3b_178.012"/> allgemeinen behaupten, daß alle Stoffe, wofür die Durchschnittsbildung eines <lb n="p3b_178.013"/> Volks Jnteresse zeigt, zur Dialektdichtung geeignet sind, sofern diese Stoffe eine <lb n="p3b_178.014"/> volksmäßige Sprache vertragen und in volksmäßige, dialektisch individuelle Bilder <lb n="p3b_178.015"/> und Wörter gefaßt werden können. Alles, was dialektisch behandelt werden <lb n="p3b_178.016"/> will, muß wie der Dialekt selbst jene Traulichkeit, Naivetät, Gewandtheit und <lb n="p3b_178.017"/> jugendliche Frische atmen, welche das Hochdeutsche längst eingebüßt hat. Es <lb n="p3b_178.018"/> eignet sich für den Dialekt wenig das Oratorische, Hochpathetische; um so mehr <lb n="p3b_178.019"/> aber das Kernige, Einfache, Schlichte, Klare in der Phrase und alles Volksmäßige, <lb n="p3b_178.020"/> was den Schwulst und den gezierten, geschraubten Ausdruck ausschließt.</p> <p><lb n="p3b_178.021"/> Besonders aber eignet sich für den Dialekt alles, was den treffenden Ausdruck <lb n="p3b_178.022"/> der auf gesundem Menschenverstand beruhenden, praktischen Moral verlangt: <lb n="p3b_178.023"/> <hi rendition="#g">die Spruchdichtung,</hi> ferner <hi rendition="#g">tiefe und innige, dabei aber ganz <lb n="p3b_178.024"/> natürliche Empfindungen,</hi> vorzüglich aber <hi rendition="#g">alle Arten der sowohl <lb n="p3b_178.025"/> derben, als schalkhaften Komik und Humoristik.</hi></p> <p><lb n="p3b_178.026"/> Wie es im Dialekt Eigenartiges giebt, so findet sich auch im Hochdeutschen <lb n="p3b_178.027"/> manches, was im Dialekt gar nicht, oder nur mit Umschreibung wiederzugeben <lb n="p3b_178.028"/> wäre, indem dabei Ton und Klangfarbe verwischt werden würden.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_178.029"/> <head> <hi rendition="#c">§ 74. Behandlung der Stoffe.</hi> </head> <p><lb n="p3b_178.030"/> Wie sich das Volk in seinen Dichtungen nur an das wirkliche Leben <lb n="p3b_178.031"/> hält und bei seiner rastlosen Arbeit keine Zeit zur Schwärmerei findet, so muß <lb n="p3b_178.032"/> auch die Behandlungsweise des Dialektdichters <hi rendition="#g">Bilder schaffen, die der <lb n="p3b_178.033"/> Wirklichkeit nachgezeichnet sind.</hi> Um nur eines zu erwähnen, so kann <lb n="p3b_178.034"/> ein Kind aus dem Volke nicht „schlafen und träumen, bis Liebe es heißt auferstehn“; <lb n="p3b_178.035"/> aber dieses Kind kann sich doch auch seinen Betrachtungen hingeben <lb n="p3b_178.036"/> und in seiner eigenartigen Weise Ersehnen und Erfüllen zusammenhalten u. s. w.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_178.037"/> <head> <hi rendition="#c">§ 75. Ausdrucksweise und Sprache des Dialektgedichts.</hi> </head> <p><lb n="p3b_178.038"/> Wenn die Ausdrucksform im Dialektgedicht der Volksanschauung und dem <lb n="p3b_178.039"/> Volksgefühl anzupassen ist, so muß auch die Sprache dem Volksmund entsprechen. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [178/0204]
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nicht einmal ganz empfundenen Schönheit der Natur, Lust und Leid, sowie der p3b_178.002
bescheiden=vergnügliche Umgang mit seinesgleichen: das ist der goldene Feierabend, p3b_178.003
der (dem Stoffe nach) in der Dialektdichtung seither erklang und der p3b_178.004
auch in der Folge in ihr erklingen sollte oder wird. Auf Grund einer volksmäßigen p3b_178.005
Anschauung bauen sich die seelischen Vorgänge, baut sich die Gefühls= p3b_178.006
und Gedankenwelt auf, welcher der Dichter seine Stoffe zu entnehmen hat.
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§ 73. Grenze der Abscheidung zwischen Hochdeutsch und p3b_178.008
Dialekt, oder Behandlungsmöglichkeit eines Stoffs für p3b_178.009
dialektische Poesie. p3b_178.010
Jn Beantwortung der berechtigten Frage, bis zu welchem Grade eine p3b_178.011
dialektische Behandlung irgend eines Gegenstandes gerechtfertigt sei, läßt sich im p3b_178.012
allgemeinen behaupten, daß alle Stoffe, wofür die Durchschnittsbildung eines p3b_178.013
Volks Jnteresse zeigt, zur Dialektdichtung geeignet sind, sofern diese Stoffe eine p3b_178.014
volksmäßige Sprache vertragen und in volksmäßige, dialektisch individuelle Bilder p3b_178.015
und Wörter gefaßt werden können. Alles, was dialektisch behandelt werden p3b_178.016
will, muß wie der Dialekt selbst jene Traulichkeit, Naivetät, Gewandtheit und p3b_178.017
jugendliche Frische atmen, welche das Hochdeutsche längst eingebüßt hat. Es p3b_178.018
eignet sich für den Dialekt wenig das Oratorische, Hochpathetische; um so mehr p3b_178.019
aber das Kernige, Einfache, Schlichte, Klare in der Phrase und alles Volksmäßige, p3b_178.020
was den Schwulst und den gezierten, geschraubten Ausdruck ausschließt.
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Besonders aber eignet sich für den Dialekt alles, was den treffenden Ausdruck p3b_178.022
der auf gesundem Menschenverstand beruhenden, praktischen Moral verlangt: p3b_178.023
die Spruchdichtung, ferner tiefe und innige, dabei aber ganz p3b_178.024
natürliche Empfindungen, vorzüglich aber alle Arten der sowohl p3b_178.025
derben, als schalkhaften Komik und Humoristik.
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Wie es im Dialekt Eigenartiges giebt, so findet sich auch im Hochdeutschen p3b_178.027
manches, was im Dialekt gar nicht, oder nur mit Umschreibung wiederzugeben p3b_178.028
wäre, indem dabei Ton und Klangfarbe verwischt werden würden.
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§ 74. Behandlung der Stoffe. p3b_178.030
Wie sich das Volk in seinen Dichtungen nur an das wirkliche Leben p3b_178.031
hält und bei seiner rastlosen Arbeit keine Zeit zur Schwärmerei findet, so muß p3b_178.032
auch die Behandlungsweise des Dialektdichters Bilder schaffen, die der p3b_178.033
Wirklichkeit nachgezeichnet sind. Um nur eines zu erwähnen, so kann p3b_178.034
ein Kind aus dem Volke nicht „schlafen und träumen, bis Liebe es heißt auferstehn“; p3b_178.035
aber dieses Kind kann sich doch auch seinen Betrachtungen hingeben p3b_178.036
und in seiner eigenartigen Weise Ersehnen und Erfüllen zusammenhalten u. s. w.
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§ 75. Ausdrucksweise und Sprache des Dialektgedichts. p3b_178.038
Wenn die Ausdrucksform im Dialektgedicht der Volksanschauung und dem p3b_178.039
Volksgefühl anzupassen ist, so muß auch die Sprache dem Volksmund entsprechen.
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