Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_177.001 [Beginn Spaltensatz] Jm schönsten Garten wallten p3b_177.006 p3b_177.009Zwei Buhlen Hand in Hand, p3b_177.007 Zwo bleiche, kranke Gestalten, p3b_177.008 Sie saßen im Blumenland. (Uhland.) p3b_177.010Des Schäfers sein Haus und das p3b_177.011 p3b_177.014steht auf zwei Rad, p3b_177.012 Steht hoch auf der Heiden so frühe p3b_177.013 wie spat. (Mörike.) [Spaltenumbruch] p3b_177.101Es fliegt manch Vöglein in sein Nest p3b_177.102 p3b_177.105Und fliegt auch wied'r heraus, p3b_177.103 Und bist du mal mein Schatz gewest, p3b_177.104 So ist die Liebschaft aus. (Geibel.) p3b_177.106Und der Rock und die Hos p3b_177.107 p3b_177.110Sein mir beide zu schlecht, p3b_177.108 Und der Deutsch' und der Franzos p3b_177.109 Mir ist keiner nit recht. (Dingelstedt.) [Ende Spaltensatz]p3b_177.111 p3b_177.116 § 72. Stoffe der Dialektpoesie. p3b_177.117 p3b_177.130 p3b_177.001 [Beginn Spaltensatz] Jm schönsten Garten wallten p3b_177.006 p3b_177.009Zwei Buhlen Hand in Hand, p3b_177.007 Zwo bleiche, kranke Gestalten, p3b_177.008 Sie saßen im Blumenland. (Uhland.) p3b_177.010Des Schäfers sein Haus und das p3b_177.011 p3b_177.014steht auf zwei Rad, p3b_177.012 Steht hoch auf der Heiden so frühe p3b_177.013 wie spat. (Mörike.) [Spaltenumbruch] p3b_177.101Es fliegt manch Vöglein in sein Nest p3b_177.102 p3b_177.105Und fliegt auch wied'r heraus, p3b_177.103 Und bist du mal mein Schatz gewest, p3b_177.104 So ist die Liebschaft aus. (Geibel.) p3b_177.106Und der Rock und die Hos p3b_177.107 p3b_177.110Sein mir beide zu schlecht, p3b_177.108 Und der Deutsch' und der Franzos p3b_177.109 Mir ist keiner nit recht. (Dingelstedt.) [Ende Spaltensatz]p3b_177.111 p3b_177.116 § 72. 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Dieser Schritt ist da und dort auch <lb n="p3b_177.114"/> gethan worden. Wir brauchen nur Gedichte wie das Goethe'sche Schweizerlied <lb n="p3b_177.115"/> anzuführen u. s. w.</p> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_177.116"/> <head> <hi rendition="#c">§ 72. 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Subjektive Gefühls- und Gedankenlyrik <lb n="p3b_177.125"/> ist im Dialekt weniger am Platze, da die Dialektpoesie höchstens noch <lb n="p3b_177.126"/> Gefühle, nie aber spekulierende Reflexionen begünstigt. Aus diesem Grunde <lb n="p3b_177.127"/> verträgt die Dialektpoesie auch nur solche Stoffe, welche einer naiven, d. i. einer <lb n="p3b_177.128"/> ungesucht unbefangenen, treuherzigen Sprache fähig sind. J. P. Hebel und <lb n="p3b_177.129"/> nach ihm besonders Fr. Reuter haben solche Stoffe meisterhaft verwendet.</p> <p><lb n="p3b_177.130"/> Die Dialektpoesie fußt in ihren Stoffen auf einem emsig bewegten, arbeitsvollen <lb n="p3b_177.131"/> Leben und den darauf folgenden Feierstunden. Die letzteren sind <lb n="p3b_177.132"/> es, die den Gesang begünstigen. Das aus gethaner Arbeit entspringende Gefühl <lb n="p3b_177.133"/> der Pflichterfüllung läßt diese Stunden nicht verträumen, wohl aber mit <lb n="p3b_177.134"/> doppelter Lust genießen. Das genügsame Volk geht nicht über die Grenze <lb n="p3b_177.135"/> seiner Lebenslust hinüber. Hingabe an die Scholle, die den Bestand sichert, <lb n="p3b_177.136"/> Stolz auf die Heimat mit ihren Vorzügen und Erzeugnissen, Liebe zu der oft </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0203]
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Dialektliedern näherten und damit Provinzialismen, Archaismen und naive, p3b_177.002
dialektische Formen aufnahmen und die volksmäßige Ausdrucksweise auch in der p3b_177.003
Redeform nachzuahmen suchten. Wir geben zum Nachweis einige beliebige p3b_177.004
Proben:
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Jm schönsten Garten wallten p3b_177.006
Zwei Buhlen Hand in Hand, p3b_177.007
Zwo bleiche, kranke Gestalten, p3b_177.008
Sie saßen im Blumenland.
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(Uhland.)
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Des Schäfers sein Haus und das p3b_177.011
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Steht hoch auf der Heiden so frühe p3b_177.013
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(Geibel.)
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Mir ist keiner nit recht.
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(Dingelstedt.)
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Es erhellt, daß diese Dichter nur noch den kleinen Schritt von der volksmäßigen p3b_177.112
Ausdrucksweise zur volksmäßigen Aussprache zu thun brauchten, ─ p3b_177.113
um uns das Dialektgedicht zu geben. Dieser Schritt ist da und dort auch p3b_177.114
gethan worden. Wir brauchen nur Gedichte wie das Goethe'sche Schweizerlied p3b_177.115
anzuführen u. s. w.
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§ 72. Stoffe der Dialektpoesie. p3b_177.117
Selbstredend hat der Dialektdichter nur ein beschränktes Stoffgebiet, da p3b_177.118
mit dem Dialekt von selbst die spezifischen Eigentümlichkeiten einer kleinen Landschaft p3b_177.119
und eines von ihr bewohnten, mit ihr verwachsenen Volksteiles hervortreten. p3b_177.120
Seine Stoffe bewegen sich demgemäß meist in jenen Kreisen, in welchen p3b_177.121
sich der Dialekt seine Heimstätte gewahrt hat: also innerhalb einer, p3b_177.122
dem großen Weltverkehr entrückten, idyllischen, ursprünglichen, p3b_177.123
ländlichen Natur, weshalb auch die Stoffe vorzugsweise einer objektiven, p3b_177.124
plastischen Behandlungsweise fähig sind. Subjektive Gefühls- und Gedankenlyrik p3b_177.125
ist im Dialekt weniger am Platze, da die Dialektpoesie höchstens noch p3b_177.126
Gefühle, nie aber spekulierende Reflexionen begünstigt. Aus diesem Grunde p3b_177.127
verträgt die Dialektpoesie auch nur solche Stoffe, welche einer naiven, d. i. einer p3b_177.128
ungesucht unbefangenen, treuherzigen Sprache fähig sind. J. P. Hebel und p3b_177.129
nach ihm besonders Fr. Reuter haben solche Stoffe meisterhaft verwendet.
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Die Dialektpoesie fußt in ihren Stoffen auf einem emsig bewegten, arbeitsvollen p3b_177.131
Leben und den darauf folgenden Feierstunden. Die letzteren sind p3b_177.132
es, die den Gesang begünstigen. Das aus gethaner Arbeit entspringende Gefühl p3b_177.133
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seiner Lebenslust hinüber. Hingabe an die Scholle, die den Bestand sichert, p3b_177.136
Stolz auf die Heimat mit ihren Vorzügen und Erzeugnissen, Liebe zu der oft
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