Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_128.001 p3b_128.007 p3b_128.012 p3b_128.014 p3b_128.017 Segen der Schönheit. p3b_128.020 Lösung. Von Rob. Hamerling. p3b_128.029Wandl' ich sinnend über den lauten Marktplatz, p3b_128.030 p3b_128.033Wo des Volks sich drängender Schwarm die trüben p3b_128.031 Wellen wälzt, da fühl' ich mich einsam, seufze, Leer und schal. Doch taucht aus der Menge plötzlich, p3b_128.034 p3b_128.037Aus dem trüben Larvengewühl ein helles p3b_128.035 Frauenantlitz, das wie ein selig Wunder Und dem Blick dann ebenso rasch entschwebt ist: p3b_128.038
O wie rasch auch ist mir das Herz verwandelt! p3b_128.039 Nimmer säng' und sagt' ich, wie mir geschieht, es p3b_128.001 p3b_128.007 p3b_128.012 p3b_128.014 p3b_128.017 Segen der Schönheit. p3b_128.020 Lösung. Von Rob. Hamerling. p3b_128.029Wandl' ich sinnend über den lauten Marktplatz, p3b_128.030 p3b_128.033Wo des Volks sich drängender Schwarm die trüben p3b_128.031 Wellen wälzt, da fühl' ich mich einsam, seufze, Leer und schal. Doch taucht aus der Menge plötzlich, p3b_128.034 p3b_128.037Aus dem trüben Larvengewühl ein helles p3b_128.035 Frauenantlitz, das wie ein selig Wunder Und dem Blick dann ebenso rasch entschwebt ist: p3b_128.038
O wie rasch auch ist mir das Herz verwandelt! p3b_128.039 Nimmer säng' und sagt' ich, wie mir geschieht, es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0154" n="128"/><lb n="p3b_128.001"/> und letzten Takt eines jeden Verses einen Spondeus ein. Andere <lb n="p3b_128.002"/> (z. B. Matthisson und Hölty), denen der Spondeus nicht wesentlich <lb n="p3b_128.003"/> war, oder die ihn an die Spitze des Verses rückten, haben den Daktylus <lb n="p3b_128.004"/> schon als zweiten Takt eingefügt (z. B. Eīnsām wāndĕlt dĕin <lb n="p3b_128.005"/> Frēund ĭm Frǖhlĭngsgārtĕn). Ein kirchlicher Dichter verlegte den <lb n="p3b_128.006"/> Daktylus sogar an den Anfang der Verse.</p> <p><lb n="p3b_128.007"/> 4. Die größte Geschmeidigkeit verliehen der sapphischen Strophe <lb n="p3b_128.008"/> Dichter wie Klopstock, Stolberg, Matthisson &c. dadurch, daß sie den <lb n="p3b_128.009"/> Daktylus in jeder Verszeile um je einen Takt tiefer hinabrückten. Wir <lb n="p3b_128.010"/> empfehlen diese Form nicht, weil sie die Auffassung eines einheitlich <lb n="p3b_128.011"/> gebauten Verses mindestens sehr erschwert.</p> <p><lb n="p3b_128.012"/> 5. Vielmehr entscheiden wir uns bei unseren Übungen für jene Form, <lb n="p3b_128.013"/> welche nach dem Trochäus den Spondeus und sodann den Daktylus bringt.</p> <p><lb n="p3b_128.014"/> 6. Der Rhythmus der sapphischen Strophe verlangt mehrfach <lb n="p3b_128.015"/> Spondeen und weibliche Versschlüsse; auch fordert er die Vermeidung <lb n="p3b_128.016"/> des Zusammenfallens von Satz- und Verstakten.</p> <p> <lb n="p3b_128.017"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Nachstehender Stoff soll zu sapphischen Strophen <lb n="p3b_128.018"/> verarbeitet werden.</hi> </p> <lb n="p3b_128.019"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Segen der Schönheit.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_128.020"/><hi rendition="#g">Stoff.</hi> 1. Wenn ich sinnend über den Marktplatz gehe, fühle ich mich <lb n="p3b_128.021"/> inmitten der wogenden Menschenflut einsam, und ich seufze. ‖ 2. Doch wenn <lb n="p3b_128.022"/> plötzlich aus dem Menschengewühl ein freundliches Frauenantlitz auftaucht und <lb n="p3b_128.023"/> mich anblickt, ‖ 3. um meinem Blicke ebenso rasch wieder zu entschwinden, <lb n="p3b_128.024"/> dann ist mir das Herz wie umgewandelt. Nimmermehr sänge oder erzählte <lb n="p3b_128.025"/> ich, wie mir zu Mut ist, es glänzt mein Blick, ‖ 4. das Blut wallt freier, <lb n="p3b_128.026"/> im Vorwärtsschreiten tröste ich mich und bin erstaunt über den Segen der <lb n="p3b_128.027"/> Schönheit; mit einemmal erscheint mir die Welt freundlich.</p> <lb n="p3b_128.028"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Rob. Hamerling.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_128.029"/> <lg> <l>Wandl' ich sinnend über den lauten Marktplatz,</l> <lb n="p3b_128.030"/> <l>Wo des Volks sich drängender Schwarm die trüben</l> <lb n="p3b_128.031"/> <l>Wellen wälzt, da fühl' ich mich einsam, seufze,</l> </lg> <lb n="p3b_128.033"/> <lg> <l>Leer und schal. Doch taucht aus der Menge plötzlich,</l> <lb n="p3b_128.034"/> <l>Aus dem trüben Larvengewühl ein helles</l> <lb n="p3b_128.035"/> <l>Frauenantlitz, das wie ein selig Wunder</l> </lg> <lb n="p3b_128.037"/> <lg> <l>Und dem Blick dann ebenso rasch entschwebt ist:</l> <lb n="p3b_128.038"/> <l>O wie rasch auch ist mir das Herz verwandelt!</l> <lb n="p3b_128.039"/> <l>Nimmer säng' und sagt' ich, wie mir geschieht, es</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0154]
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und letzten Takt eines jeden Verses einen Spondeus ein. Andere p3b_128.002
(z. B. Matthisson und Hölty), denen der Spondeus nicht wesentlich p3b_128.003
war, oder die ihn an die Spitze des Verses rückten, haben den Daktylus p3b_128.004
schon als zweiten Takt eingefügt (z. B. Eīnsām wāndĕlt dĕin p3b_128.005
Frēund ĭm Frǖhlĭngsgārtĕn). Ein kirchlicher Dichter verlegte den p3b_128.006
Daktylus sogar an den Anfang der Verse.
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4. Die größte Geschmeidigkeit verliehen der sapphischen Strophe p3b_128.008
Dichter wie Klopstock, Stolberg, Matthisson &c. dadurch, daß sie den p3b_128.009
Daktylus in jeder Verszeile um je einen Takt tiefer hinabrückten. Wir p3b_128.010
empfehlen diese Form nicht, weil sie die Auffassung eines einheitlich p3b_128.011
gebauten Verses mindestens sehr erschwert.
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5. Vielmehr entscheiden wir uns bei unseren Übungen für jene Form, p3b_128.013
welche nach dem Trochäus den Spondeus und sodann den Daktylus bringt.
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6. Der Rhythmus der sapphischen Strophe verlangt mehrfach p3b_128.015
Spondeen und weibliche Versschlüsse; auch fordert er die Vermeidung p3b_128.016
des Zusammenfallens von Satz- und Verstakten.
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Aufgabe. Nachstehender Stoff soll zu sapphischen Strophen p3b_128.018
verarbeitet werden.
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Segen der Schönheit.
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Stoff. 1. Wenn ich sinnend über den Marktplatz gehe, fühle ich mich p3b_128.021
inmitten der wogenden Menschenflut einsam, und ich seufze. ‖ 2. Doch wenn p3b_128.022
plötzlich aus dem Menschengewühl ein freundliches Frauenantlitz auftaucht und p3b_128.023
mich anblickt, ‖ 3. um meinem Blicke ebenso rasch wieder zu entschwinden, p3b_128.024
dann ist mir das Herz wie umgewandelt. Nimmermehr sänge oder erzählte p3b_128.025
ich, wie mir zu Mut ist, es glänzt mein Blick, ‖ 4. das Blut wallt freier, p3b_128.026
im Vorwärtsschreiten tröste ich mich und bin erstaunt über den Segen der p3b_128.027
Schönheit; mit einemmal erscheint mir die Welt freundlich.
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Lösung. Von Rob. Hamerling.
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Wandl' ich sinnend über den lauten Marktplatz, p3b_128.030
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Wellen wälzt, da fühl' ich mich einsam, seufze,
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