Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_120.001 Ohne Zagen erklimmt er hohe Felsen, p3b_120.002 p3b_120.005Knickt mit zitternder Hand die rote Rose. p3b_120.003 Aber nimmer herniedersteigend stürzt er; p3b_120.004 Nur das Röschen verbleibt als Schmuck im Grab ihm. 11. Allitteration. p3b_120.006[Beginn Spaltensatz] Alpenröslein wunderrosig p3b_120.007 [Spaltenumbruch]
p3b_120.101Blühet hoch am Rand des Felsen; p3b_120.008 Doch es brechen zum Gebrauche, p3b_120.009 Würde sichern Tod mir bringen. p3b_120.010 Zartes Röslein, bist so zaubrisch, p3b_120.011 Daß mich Sehnsucht fast verzehret. p3b_120.012 Blüt' und Blatt muß mein noch p3b_120.013 werden, Sollte fließen drum mein Blut auch. p3b_120.102 [Ende Spaltensatz]
p3b_120.109Dich zur Lust der Liebsten hol' ich, p3b_120.103 Die dafür mir süßen Lohn beut. - p3b_120.104 Ohne Zagen klimmt ans Ziel er, p3b_120.105 Knickt die Rose, doch mit Zittern; p3b_120.106 Stieg herab nicht, weil er stürzte; p3b_120.107 Röslein sterbend schmückt das Grab p3b_120.108 ihm. 12. Assonanz. p3b_120.110[Beginn Spaltensatz] Hoch am Felsen blüht das Röslein, p3b_120.111 [Spaltenumbruch]
p3b_120.101Es zu holen ist gefahrvoll. p3b_120.112 O wie blühest du so zaubrisch! p3b_120.113 Schön'res sah ich niemals annoch. p3b_120.114 Dich begehr' ich, süßes Röslein, p3b_120.115 Breche dich von deinem Standort, Daß du werdest Schmuck der Liebsten, p3b_120.102 [Ende Spaltensatz]
p3b_120.107Die dafür mir bietet Danklohn. - p3b_120.103 Kühn erklimmt er steile Höhen, p3b_120.104 Knickt die Rose mit der Hand schon; p3b_120.105 Aber weh! er stürzt hinunter, p3b_120.106 Und das Röslein schmückt sein Grab noch. 13. Alte Nibelungenstrophe. p3b_120.108Jm fernen Gebirgsdorfe hört man die Sage noch: p3b_120.109 p3b_120.112Ein Alpenröslein blühend stand an dem Felsenjoch. p3b_120.110 Das sah ein junger Knabe, der sehnte sich sehr darnach, p3b_120.111 Wie es von ferne schimmerte, weshalb er bei sich selber sprach: Hoch an dem Felsenrande, du Alpenröslein rot, p3b_120.113 p3b_120.116Dich möcht' ich gern gewinnen, doch sicher mir wär's zum Tod. p3b_120.114 Wie blühst du gar so lieblich, wie zaubrisch bist du zu sehn; p3b_120.115 Jch fühl' ein brünstig Sehnen nach dir; das macht mich fast vergehn. Jch schaue nach dir nur immer, du bist mein süßestes Gut, p3b_120.117 p3b_120.120Und kühn muß ich dich brechen, ob's kostet auch mein Blut. p3b_120.118 Jch hefte dich dann ans Mieder der Liebsten und Holden mein; p3b_120.119 Sie wird sich deiner freuen, und das soll Lohn genug mir sein. - Mit kühnen, eiligen Schritten bestieg er die Felsenwand, p3b_120.121 p3b_120.124Und knickte schon die Rose mit bang begieriger Hand. p3b_120.122 Doch stieg er nicht mehr nieder; er stürzte jäh hinab, p3b_120.123 Und nur das Alpenröslein schmückte sterbend das einsame Grab. 14. Ghasel. p3b_120.125An Felsenhöhen seh' ich sprießen Röslein rot; p3b_120.126
Wie soll ich lebend dein genießen, Röslein rot? p3b_120.001 Ohne Zagen erklimmt er hohe Felsen, p3b_120.002 p3b_120.005Knickt mit zitternder Hand die rote Rose. p3b_120.003 Aber nimmer herniedersteigend stürzt er; p3b_120.004 Nur das Röschen verbleibt als Schmuck im Grab ihm. 11. Allitteration. p3b_120.006[Beginn Spaltensatz] Alpenröslein wunderrosig p3b_120.007 [Spaltenumbruch]
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p3b_120.109Dich zur Lust der Liebsten hol' ich, p3b_120.103 Die dafür mir süßen Lohn beut. ─ p3b_120.104 Ohne Zagen klimmt ans Ziel er, p3b_120.105 Knickt die Rose, doch mit Zittern; p3b_120.106 Stieg herab nicht, weil er stürzte; p3b_120.107 Röslein sterbend schmückt das Grab p3b_120.108 ihm. 12. Assonanz. p3b_120.110[Beginn Spaltensatz] Hoch am Felsen blüht das Röslein, p3b_120.111 [Spaltenumbruch]
p3b_120.101Es zu holen ist gefahrvoll. p3b_120.112 O wie blühest du so zaubrisch! p3b_120.113 Schön'res sah ich niemals annoch. p3b_120.114 Dich begehr' ich, süßes Röslein, p3b_120.115 Breche dich von deinem Standort, Daß du werdest Schmuck der Liebsten, p3b_120.102 [Ende Spaltensatz]
p3b_120.107Die dafür mir bietet Danklohn. ─ p3b_120.103 Kühn erklimmt er steile Höhen, p3b_120.104 Knickt die Rose mit der Hand schon; p3b_120.105 Aber weh! er stürzt hinunter, p3b_120.106 Und das Röslein schmückt sein Grab noch. 13. Alte Nibelungenstrophe. p3b_120.108Jm fernen Gebirgsdorfe hört man die Sage noch: p3b_120.109 p3b_120.112Ein Alpenröslein blühend stand an dem Felsenjoch. p3b_120.110 Das sah ein junger Knabe, der sehnte sich sehr darnach, p3b_120.111 Wie es von ferne schimmerte, weshalb er bei sich selber sprach: Hoch an dem Felsenrande, du Alpenröslein rot, p3b_120.113 p3b_120.116Dich möcht' ich gern gewinnen, doch sicher mir wär's zum Tod. p3b_120.114 Wie blühst du gar so lieblich, wie zaubrisch bist du zu sehn; p3b_120.115 Jch fühl' ein brünstig Sehnen nach dir; das macht mich fast vergehn. Jch schaue nach dir nur immer, du bist mein süßestes Gut, p3b_120.117 p3b_120.120Und kühn muß ich dich brechen, ob's kostet auch mein Blut. p3b_120.118 Jch hefte dich dann ans Mieder der Liebsten und Holden mein; p3b_120.119 Sie wird sich deiner freuen, und das soll Lohn genug mir sein. ─ Mit kühnen, eiligen Schritten bestieg er die Felsenwand, p3b_120.121 p3b_120.124Und knickte schon die Rose mit bang begieriger Hand. p3b_120.122 Doch stieg er nicht mehr nieder; er stürzte jäh hinab, p3b_120.123 Und nur das Alpenröslein schmückte sterbend das einsame Grab. 14. Ghasel. p3b_120.125An Felsenhöhen seh' ich sprießen Röslein rot; p3b_120.126
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Ohne Zagen erklimmt er hohe Felsen, p3b_120.002
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Aber nimmer herniedersteigend stürzt er; p3b_120.004
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11. Allitteration.
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Alpenröslein wunderrosig p3b_120.007
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Knickt die Rose, doch mit Zittern; p3b_120.106
Stieg herab nicht, weil er stürzte; p3b_120.107
Röslein sterbend schmückt das Grab p3b_120.108
ihm.
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Hoch am Felsen blüht das Röslein, p3b_120.111
Es zu holen ist gefahrvoll. p3b_120.112
O wie blühest du so zaubrisch! p3b_120.113
Schön'res sah ich niemals annoch. p3b_120.114
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Breche dich von deinem Standort,
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Daß du werdest Schmuck der Liebsten, p3b_120.102
Die dafür mir bietet Danklohn. ─ p3b_120.103
Kühn erklimmt er steile Höhen, p3b_120.104
Knickt die Rose mit der Hand schon; p3b_120.105
Aber weh! er stürzt hinunter, p3b_120.106
Und das Röslein schmückt sein Grab noch.
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13. Alte Nibelungenstrophe.
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Jm fernen Gebirgsdorfe hört man die Sage noch: p3b_120.109
Ein Alpenröslein blühend stand an dem Felsenjoch. p3b_120.110
Das sah ein junger Knabe, der sehnte sich sehr darnach, p3b_120.111
Wie es von ferne schimmerte, weshalb er bei sich selber sprach:
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Hoch an dem Felsenrande, du Alpenröslein rot, p3b_120.113
Dich möcht' ich gern gewinnen, doch sicher mir wär's zum Tod. p3b_120.114
Wie blühst du gar so lieblich, wie zaubrisch bist du zu sehn; p3b_120.115
Jch fühl' ein brünstig Sehnen nach dir; das macht mich fast vergehn.
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Jch schaue nach dir nur immer, du bist mein süßestes Gut, p3b_120.117
Und kühn muß ich dich brechen, ob's kostet auch mein Blut. p3b_120.118
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Sie wird sich deiner freuen, und das soll Lohn genug mir sein. ─
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Mit kühnen, eiligen Schritten bestieg er die Felsenwand, p3b_120.121
Und knickte schon die Rose mit bang begieriger Hand. p3b_120.122
Doch stieg er nicht mehr nieder; er stürzte jäh hinab, p3b_120.123
Und nur das Alpenröslein schmückte sterbend das einsame Grab.
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14. Ghasel.
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An Felsenhöhen seh' ich sprießen Röslein rot; p3b_120.126
Wie soll ich lebend dein genießen, Röslein rot?
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/146>, abgerufen am 16.02.2025. |