Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_094.001 Endlich winkte das ersehnte Land, p3b_094.102 p3b_094.105Jubelnd sprang ich an den teuern Strand, p3b_094.103 Und als wiedergrüne Jugendträume p3b_094.104 Grüßten mich die heimatlichen Bäume. Hold und süßverwandt, wie nie zuvor, p3b_094.106 p3b_094.109Klang das Lied der Vögel an mein Ohr; p3b_094.107 Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen, p3b_094.108 Hätt' ich jeden Stein ans Herz gerissen. Doch, da fand ich dich und - todesschwank p3b_094.110 p3b_094.113Jede Freude dir zu Füßen sank, p3b_094.111 Und mir ist im Herzen nur geblieben p3b_094.112 Grenzenloses, hoffnungsloses Lieben. O wie sehn' ich mich so bang hinaus p3b_094.114 [Ende Spaltensatz]
Wieder in das dumpfe Flutgebraus! p3b_094.115 Möchte immer auf den wilden Meeren p3b_094.116 Einsam nur mit deinem Bild verkehren. p3b_094.117 Jm Walde. p3b_094.120 Lösung. Von Gottfr. Keller. p3b_094.137Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen, p3b_094.138 p3b_094.139Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen. Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen, p3b_094.140
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen; p3b_094.001 Endlich winkte das ersehnte Land, p3b_094.102 p3b_094.105Jubelnd sprang ich an den teuern Strand, p3b_094.103 Und als wiedergrüne Jugendträume p3b_094.104 Grüßten mich die heimatlichen Bäume. Hold und süßverwandt, wie nie zuvor, p3b_094.106 p3b_094.109Klang das Lied der Vögel an mein Ohr; p3b_094.107 Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen, p3b_094.108 Hätt' ich jeden Stein ans Herz gerissen. Doch, da fand ich dich und ─ todesschwank p3b_094.110 p3b_094.113Jede Freude dir zu Füßen sank, p3b_094.111 Und mir ist im Herzen nur geblieben p3b_094.112 Grenzenloses, hoffnungsloses Lieben. O wie sehn' ich mich so bang hinaus p3b_094.114 [Ende Spaltensatz]
Wieder in das dumpfe Flutgebraus! p3b_094.115 Möchte immer auf den wilden Meeren p3b_094.116 Einsam nur mit deinem Bild verkehren. p3b_094.117 Jm Walde. p3b_094.120 Lösung. Von Gottfr. Keller. p3b_094.137Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen, p3b_094.138 p3b_094.139Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen. Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen, p3b_094.140
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0120" n="94"/><lb n="p3b_094.001"/><cb type="start"/> das lang ersehnte Land. │ Voll Jubel <lb n="p3b_094.002"/> eilte ich an den Strand, │ wo mich <lb n="p3b_094.003"/> die Vertrauten meiner Jugend grüßten: <lb n="p3b_094.004"/> │ die heimatlichen Bäume. ‖ <lb n="p3b_094.005"/> 3. Heimatlich verwandt │ erschien mir <lb n="p3b_094.006"/> der Vögel Gesang; │ o ich hätte vor <lb n="p3b_094.007"/> Freuden │ jeden Stein umarmen mögen. <lb n="p3b_094.008"/> ‖ 4. Da fand ich dich, │ und <lb n="p3b_094.009"/> alle meine Freuden sanken dir zu <lb n="p3b_094.010"/> Füßen; │ in meinem Herzen │ blieb <lb n="p3b_094.011"/> nur hoffnungslose Liebe. ‖ 5. Nun <lb n="p3b_094.012"/> sehne ich mich wieder hinaus │ in das <lb n="p3b_094.013"/> dumpfe Getöse der Fluten. │ Auf den <lb n="p3b_094.014"/> wilden Meeren möchte ich │ nur mit <lb n="p3b_094.015"/> deinem Bilde mich unterhalten. ‖</p> <cb/> <lb n="p3b_094.101"/> <lg> <l>Endlich winkte das ersehnte Land,</l> <lb n="p3b_094.102"/> <l>Jubelnd sprang ich an den teuern Strand,</l> <lb n="p3b_094.103"/> <l>Und als wiedergrüne Jugendträume</l> <lb n="p3b_094.104"/> <l>Grüßten mich die heimatlichen Bäume. </l> </lg> <lb n="p3b_094.105"/> <lg> <l>Hold und süßverwandt, wie nie zuvor,</l> <lb n="p3b_094.106"/> <l>Klang das Lied der Vögel an mein Ohr;</l> <lb n="p3b_094.107"/> <l>Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen,</l> <lb n="p3b_094.108"/> <l>Hätt' ich jeden Stein ans Herz gerissen. </l> </lg> <lb n="p3b_094.109"/> <lg> <l>Doch, da fand ich dich und ─ todesschwank</l> <lb n="p3b_094.110"/> <l>Jede Freude dir zu Füßen sank,</l> <lb n="p3b_094.111"/> <l>Und mir ist im Herzen nur geblieben</l> <lb n="p3b_094.112"/> <l>Grenzenloses, hoffnungsloses Lieben. </l> </lg> <lb n="p3b_094.113"/> <lg> <l>O wie sehn' ich mich so bang hinaus</l> <lb n="p3b_094.114"/> <l>Wieder in das dumpfe Flutgebraus!</l> <lb n="p3b_094.115"/> <l>Möchte immer auf den wilden Meeren</l> <lb n="p3b_094.116"/> <l>Einsam nur mit deinem Bild verkehren.</l> </lg> <cb type="end"/> <p><lb n="p3b_094.117"/><hi rendition="#g">Aufgabe</hi> 4. <hi rendition="#g">Zweizeilige Strophen. Trochäische Achttakter. <lb n="p3b_094.118"/> Weibliche Reimpaare.</hi></p> <lb n="p3b_094.119"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Jm Walde.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_094.120"/><hi rendition="#g">Stoff.</hi> 1. Ast in Ast verschlungen und Krone an Krone steht der Eichwald; <lb n="p3b_094.121"/> │ in guter Laune sang er mir heute sein altes Lied vor. ‖ 2. Eine junge <lb n="p3b_094.122"/> Eiche am fernen Waldesrande begann sich zu regen; │ dann ging es an ein <lb n="p3b_094.123"/> Sausen und Biegen; ‖ 3. in mächtigem Zuge nahte es, zu breiten Wogen schwoll <lb n="p3b_094.124"/> es an, │ und hoch, durch die Wipfel sich wälzend, kam es wie eine Sturmflut <lb n="p3b_094.125"/> herangebraust. ‖ 4. Und nun sang und pfiff es schauerlich oben in den Wipfeln; │ <lb n="p3b_094.126"/> dazwischen erdröhnte von unten das Knarren der Wurzeln. ‖ 5. Zuweilen <lb n="p3b_094.127"/> schwang gellend die höchste Eiche ihren Schaft allein. │ Dann aber fiel der <lb n="p3b_094.128"/> Bäume Chor um so donnernder ein. ‖ 6. Einer wilden Meeresbrandung war <lb n="p3b_094.129"/> das schöne Spiel zu vergleichen; │ weißlich schimmernd war das Laub südwärts <lb n="p3b_094.130"/> starr hingestrichen ‖ 7. So streicht ─ bald laut bald leise ─ der alte Hirtengott <lb n="p3b_094.131"/> seine alte Geige, │ indem er seine Wälder in der uralten Weltenmelodie <lb n="p3b_094.132"/> unterweist. ‖ 8. Unaufhörlich schweift er auf und nieder │ in den alle Lieder <lb n="p3b_094.133"/> umfassenden sieben Tönen der alten Tonleiter. ‖ 9. Und die jungen Dichter <lb n="p3b_094.134"/> wie die jungen Finken lauschen in dunkeln Büschen │ und nehmen die Melodien <lb n="p3b_094.135"/> in sich auf. ‖</p> <lb n="p3b_094.136"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Gottfr. Keller.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_094.137"/> <lg> <l>Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen,</l> <lb n="p3b_094.138"/> <l>Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen. </l> </lg> <lb n="p3b_094.139"/> <lg> <l>Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen,</l> <lb n="p3b_094.140"/> <l>Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen;</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [94/0120]
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das lang ersehnte Land. │ Voll Jubel p3b_094.002
eilte ich an den Strand, │ wo mich p3b_094.003
die Vertrauten meiner Jugend grüßten: p3b_094.004
│ die heimatlichen Bäume. ‖ p3b_094.005
3. Heimatlich verwandt │ erschien mir p3b_094.006
der Vögel Gesang; │ o ich hätte vor p3b_094.007
Freuden │ jeden Stein umarmen mögen. p3b_094.008
‖ 4. Da fand ich dich, │ und p3b_094.009
alle meine Freuden sanken dir zu p3b_094.010
Füßen; │ in meinem Herzen │ blieb p3b_094.011
nur hoffnungslose Liebe. ‖ 5. Nun p3b_094.012
sehne ich mich wieder hinaus │ in das p3b_094.013
dumpfe Getöse der Fluten. │ Auf den p3b_094.014
wilden Meeren möchte ich │ nur mit p3b_094.015
deinem Bilde mich unterhalten. ‖
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Endlich winkte das ersehnte Land, p3b_094.102
Jubelnd sprang ich an den teuern Strand, p3b_094.103
Und als wiedergrüne Jugendträume p3b_094.104
Grüßten mich die heimatlichen Bäume.
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Hold und süßverwandt, wie nie zuvor, p3b_094.106
Klang das Lied der Vögel an mein Ohr; p3b_094.107
Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen, p3b_094.108
Hätt' ich jeden Stein ans Herz gerissen.
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Doch, da fand ich dich und ─ todesschwank p3b_094.110
Jede Freude dir zu Füßen sank, p3b_094.111
Und mir ist im Herzen nur geblieben p3b_094.112
Grenzenloses, hoffnungsloses Lieben.
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O wie sehn' ich mich so bang hinaus p3b_094.114
Wieder in das dumpfe Flutgebraus! p3b_094.115
Möchte immer auf den wilden Meeren p3b_094.116
Einsam nur mit deinem Bild verkehren.
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Aufgabe 4. Zweizeilige Strophen. Trochäische Achttakter. p3b_094.118
Weibliche Reimpaare.
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Jm Walde.
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Stoff. 1. Ast in Ast verschlungen und Krone an Krone steht der Eichwald; p3b_094.121
│ in guter Laune sang er mir heute sein altes Lied vor. ‖ 2. Eine junge p3b_094.122
Eiche am fernen Waldesrande begann sich zu regen; │ dann ging es an ein p3b_094.123
Sausen und Biegen; ‖ 3. in mächtigem Zuge nahte es, zu breiten Wogen schwoll p3b_094.124
es an, │ und hoch, durch die Wipfel sich wälzend, kam es wie eine Sturmflut p3b_094.125
herangebraust. ‖ 4. Und nun sang und pfiff es schauerlich oben in den Wipfeln; │ p3b_094.126
dazwischen erdröhnte von unten das Knarren der Wurzeln. ‖ 5. Zuweilen p3b_094.127
schwang gellend die höchste Eiche ihren Schaft allein. │ Dann aber fiel der p3b_094.128
Bäume Chor um so donnernder ein. ‖ 6. Einer wilden Meeresbrandung war p3b_094.129
das schöne Spiel zu vergleichen; │ weißlich schimmernd war das Laub südwärts p3b_094.130
starr hingestrichen ‖ 7. So streicht ─ bald laut bald leise ─ der alte Hirtengott p3b_094.131
seine alte Geige, │ indem er seine Wälder in der uralten Weltenmelodie p3b_094.132
unterweist. ‖ 8. Unaufhörlich schweift er auf und nieder │ in den alle Lieder p3b_094.133
umfassenden sieben Tönen der alten Tonleiter. ‖ 9. Und die jungen Dichter p3b_094.134
wie die jungen Finken lauschen in dunkeln Büschen │ und nehmen die Melodien p3b_094.135
in sich auf. ‖
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Arm in Arm und Kron' an Krone steht der Eichenwald verschlungen, p3b_094.138
Heut hat er bei guter Laune mir sein altes Lied gesungen.
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Fern am Rand fing eine junge Eiche an sich sacht zu wiegen, p3b_094.140
Und dann ging es immer weiter an ein Sausen, an ein Biegen;
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/120>, abgerufen am 16.02.2025. |