Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_087.001 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_087.004 Lösung. Von Moritz Graf Strachwitz. p3b_087.102p3b_087.103 Ein Spiegel von bösem Schimmer, p3b_087.104 p3b_087.107Das ist dein Auge blau, p3b_087.105 Darin ich nimmer und nimmer p3b_087.106 Und nimmer mich müde schau'. Doch ob ich schaue und schaue, p3b_087.108 p3b_087.111Viel Gutes erseh' ich mir nicht, p3b_087.109 Nie spiegelt sich unter der Braue p3b_087.110 Mein eigenes Angesicht. Zwei fremde Augen sind es, p3b_087.112 [Ende Spaltensatz]
Die sehen mich spottend an, p3b_087.113 Jm Auge des schönen Kindes, p3b_087.114 Da malt sich ein fremder Mann. p3b_087.115 § 30. Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenstrophen. p3b_087.116 p3b_087.119 p3b_087.121 p3b_087.123 p3b_087.126 A. Langzeilen. p3b_087.128 p3b_087.129 Lösung. Von Fr. Rückert. p3b_087.134Laßt Blondel, meinen Sänger, rief Richard Löwenherz, p3b_087.135
Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p3b_087.136 Jch war oft ärger am Herzen, als jetzt am Leibe wund, p3b_087.137 Da schuf von allen Schmerzen mich immer sein Gesang gesund. u. s. w. p3b_087.001 [Beginn Spaltensatz] Stoff. p3b_087.004 Lösung. Von Moritz Graf Strachwitz. p3b_087.102p3b_087.103 Ein Spiegel von bösem Schimmer, p3b_087.104 p3b_087.107Das ist dein Auge blau, p3b_087.105 Darin ich nimmer und nimmer p3b_087.106 Und nimmer mich müde schau'. Doch ob ich schaue und schaue, p3b_087.108 p3b_087.111Viel Gutes erseh' ich mir nicht, p3b_087.109 Nie spiegelt sich unter der Braue p3b_087.110 Mein eigenes Angesicht. Zwei fremde Augen sind es, p3b_087.112 [Ende Spaltensatz]
Die sehen mich spottend an, p3b_087.113 Jm Auge des schönen Kindes, p3b_087.114 Da malt sich ein fremder Mann. p3b_087.115 § 30. Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenstrophen. p3b_087.116 p3b_087.119 p3b_087.121 p3b_087.123 p3b_087.126 A. Langzeilen. p3b_087.128 p3b_087.129 Lösung. Von Fr. Rückert. p3b_087.134Laßt Blondel, meinen Sänger, rief Richard Löwenherz, p3b_087.135
Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p3b_087.136 Jch war oft ärger am Herzen, als jetzt am Leibe wund, p3b_087.137 Da schuf von allen Schmerzen mich immer sein Gesang gesund. u. s. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0113" n="87"/> <p><lb n="p3b_087.001"/><hi rendition="#g">Aufgabe</hi> 3. <hi rendition="#g">Ganz gereimte neue Nibelungenverse mit freier <lb n="p3b_087.002"/> Anwendung des Anapästs.</hi></p> <lb n="p3b_087.003"/> <cb type="start"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Stoff.</hi> </hi> </p> <p><lb n="p3b_087.004"/> 1. Dein blaues Auge ist ein Spiegel <lb n="p3b_087.005"/> von bösem Schimmer, │ in welchem ich <lb n="p3b_087.006"/> mich nimmer müde schaue. ‖ 2. Doch <lb n="p3b_087.007"/> bei allem Schauen ersehe ich wenig <lb n="p3b_087.008"/> Gutes, │ niemals spiegelt sich mein <lb n="p3b_087.009"/> eigenes Antlitz wieder. ‖ 3. Zwei fremde <lb n="p3b_087.010"/> Augen sind es, welche mich spottend anblicken; <lb n="p3b_087.011"/> │ es malt sich in deinem Auge, <lb n="p3b_087.012"/> du schönes Kind, ein fremder Mann. ‖</p> <cb/> <lb n="p3b_087.101"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Moritz Graf Strachwitz.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_087.102"/> <lb n="p3b_087.103"/> <lg> <l>Ein Spiegel von bösem Schimmer,</l> <lb n="p3b_087.104"/> <l>Das ist dein Auge blau,</l> <lb n="p3b_087.105"/> <l>Darin ich nimmer und nimmer</l> <lb n="p3b_087.106"/> <l>Und nimmer mich müde schau'. </l> </lg> <lb n="p3b_087.107"/> <lg> <l>Doch ob ich schaue und schaue,</l> <lb n="p3b_087.108"/> <l>Viel Gutes erseh' ich mir nicht,</l> <lb n="p3b_087.109"/> <l>Nie spiegelt sich unter der Braue</l> <lb n="p3b_087.110"/> <l>Mein eigenes Angesicht. </l> </lg> <lb n="p3b_087.111"/> <lg> <l>Zwei fremde Augen sind es,</l> <lb n="p3b_087.112"/> <l>Die sehen mich spottend an,</l> <lb n="p3b_087.113"/> <l>Jm Auge des schönen Kindes,</l> <lb n="p3b_087.114"/> <l>Da malt sich ein fremder Mann.</l> </lg> <cb type="end"/> </div> <div n="2"> <lb n="p3b_087.115"/> <head> <hi rendition="#c">§ 30. Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenstrophen.</hi> </head> <p><lb n="p3b_087.116"/> 1. Bei Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenverse sind vor allem <lb n="p3b_087.117"/> die sechs Hebungen jeder Verszeile zu beachten, die Senkungen sind <lb n="p3b_087.118"/> willkürlich.</p> <p><lb n="p3b_087.119"/> 2. Wesentlich ist das Vorhandensein der weiblichen Cäsur nach dem <lb n="p3b_087.120"/> 3. Takte. Selbstredend ist auch die gleitende Cäsur gestattet.</p> <p><lb n="p3b_087.121"/> 3. Bedeutungsvoll bleibt das strophische Charakteristikum in der <lb n="p3b_087.122"/> mittelhochdeutschen Nibelungenstrophe.</p> <p><lb n="p3b_087.123"/> 4. Man erhält es durch Verlängerung einer Verszeile (in der <lb n="p3b_087.124"/> Regel der vierten) um eine Hebung, oder auch durch Einfügung von <lb n="p3b_087.125"/> Anapästen oder Spondeen ins Strophenende.</p> <p><lb n="p3b_087.126"/> 5. Zur Verschönerung trägt die Anwendung des Cäsurreimes bei.</p> <lb n="p3b_087.127"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">A</hi>. <hi rendition="#g">Langzeilen</hi>.</hi> </p> <p> <lb n="p3b_087.128"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Ohne Cäsurreim.</hi> </p> <p><lb n="p3b_087.129"/><hi rendition="#g">Stoff.</hi> König Richard Löwenherz rief: Laßt meinen Sänger Blondel │ <lb n="p3b_087.130"/> herzukommen, damit er meinen Schmerz mit Tönen stille. │ Jch war oft wunder <lb n="p3b_087.131"/> am Herzen, als jetzt am Leibe; │ aber immer heilte sein Gesang alle meine <lb n="p3b_087.132"/> Schmerzen. ‖ u. s. w.</p> <lb n="p3b_087.133"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Fr. Rückert.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_087.134"/> <lg> <l>Laßt Blondel, meinen Sänger, rief Richard Löwenherz,</l> <lb n="p3b_087.135"/> <l>Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz.</l> <lb n="p3b_087.136"/> <l>Jch war oft ärger am Herzen, als jetzt am Leibe wund,</l> <lb n="p3b_087.137"/> <l>Da schuf von allen Schmerzen mich immer sein Gesang gesund. u. s. w.</l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [87/0113]
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Aufgabe 3. Ganz gereimte neue Nibelungenverse mit freier p3b_087.002
Anwendung des Anapästs.
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Stoff.
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1. Dein blaues Auge ist ein Spiegel p3b_087.005
von bösem Schimmer, │ in welchem ich p3b_087.006
mich nimmer müde schaue. ‖ 2. Doch p3b_087.007
bei allem Schauen ersehe ich wenig p3b_087.008
Gutes, │ niemals spiegelt sich mein p3b_087.009
eigenes Antlitz wieder. ‖ 3. Zwei fremde p3b_087.010
Augen sind es, welche mich spottend anblicken; p3b_087.011
│ es malt sich in deinem Auge, p3b_087.012
du schönes Kind, ein fremder Mann. ‖
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Lösung. Von Moritz Graf Strachwitz.
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Ein Spiegel von bösem Schimmer, p3b_087.104
Das ist dein Auge blau, p3b_087.105
Darin ich nimmer und nimmer p3b_087.106
Und nimmer mich müde schau'.
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Doch ob ich schaue und schaue, p3b_087.108
Viel Gutes erseh' ich mir nicht, p3b_087.109
Nie spiegelt sich unter der Braue p3b_087.110
Mein eigenes Angesicht.
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Zwei fremde Augen sind es, p3b_087.112
Die sehen mich spottend an, p3b_087.113
Jm Auge des schönen Kindes, p3b_087.114
Da malt sich ein fremder Mann.
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§ 30. Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenstrophen. p3b_087.116
1. Bei Bildung mittelhochdeutscher Nibelungenverse sind vor allem p3b_087.117
die sechs Hebungen jeder Verszeile zu beachten, die Senkungen sind p3b_087.118
willkürlich.
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2. Wesentlich ist das Vorhandensein der weiblichen Cäsur nach dem p3b_087.120
3. Takte. Selbstredend ist auch die gleitende Cäsur gestattet.
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3. Bedeutungsvoll bleibt das strophische Charakteristikum in der p3b_087.122
mittelhochdeutschen Nibelungenstrophe.
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4. Man erhält es durch Verlängerung einer Verszeile (in der p3b_087.124
Regel der vierten) um eine Hebung, oder auch durch Einfügung von p3b_087.125
Anapästen oder Spondeen ins Strophenende.
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5. Zur Verschönerung trägt die Anwendung des Cäsurreimes bei.
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A. Langzeilen.
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Aufgabe. Ohne Cäsurreim.
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Stoff. König Richard Löwenherz rief: Laßt meinen Sänger Blondel │ p3b_087.130
herzukommen, damit er meinen Schmerz mit Tönen stille. │ Jch war oft wunder p3b_087.131
am Herzen, als jetzt am Leibe; │ aber immer heilte sein Gesang alle meine p3b_087.132
Schmerzen. ‖ u. s. w.
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Lösung. Von Fr. Rückert.
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Laßt Blondel, meinen Sänger, rief Richard Löwenherz, p3b_087.135
Herzu, daß er mit Tönen mir nehme meinen Schmerz. p3b_087.136
Jch war oft ärger am Herzen, als jetzt am Leibe wund, p3b_087.137
Da schuf von allen Schmerzen mich immer sein Gesang gesund. u. s. w.
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/113>, abgerufen am 16.02.2025. |