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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Auch andere (z. B. Francke, Förtsch, Kusser &c.) schufen nunmehr Opern. p2b_519.002
Aber erst Reinh. Keiser (1673-1739), der nicht weniger als 120 Opern p2b_519.003
schrieb, war es, welcher der deutschen Oper zur Anerkennung und zum Sieg p2b_519.004
verhalf. Doch machte sich nebenbei der Einfluß der italienischen Oper bis zur p2b_519.005
Mitte des 18. Jahrh. bemerklich.

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4. Weiterentwickelung der Oper. Wie ein Phänomen trat Gluck, p2b_519.007
der Schöpfer des von Rich. Wagner genial ausgebauten, tempierten Recitativs p2b_519.008
hervor und schuf eine originelle, dramatische Oper in seinen Werken Alceste, Jphigenia, p2b_519.009
Armida, Orpheus und Euridice, indem er die zum Sinnenreiz ausgeartete p2b_519.010
Opernmusik von den italienischen Schnörkeln zur deutschen Einfachheit zurückführte p2b_519.011
und die Musik planvoll zur Hebung des Gedankens und der Handlung verwandte p2b_519.012
&c. Man könnte wohl nachweisen, daß schon dieser epochebildende p2b_519.013
Genius dieselben Ziele verfolgte und denselben Ansichten huldigte, welche in der p2b_519.014
Neuzeit Wagner mit seinem entwickelten Orchester und mit seiner glänzenden p2b_519.015
Scenerie und Malerei &c. zur Ausführung zu bringen berufen war. Gluck, p2b_519.016
der als deutscher Meister gegen den italienischen Virtuosenstil wirkte, stellte mit p2b_519.017
großer Absichtlichkeit und noch größerem Verständnis die dramatische Jdee in p2b_519.018
den Vordergrund; er erkannte den Schwerpunkt der Oper in der Dichtkunst, p2b_519.019
wobei er leider nur mythologische Stoffe zu verwerten wußte. Als p2b_519.020
Ästhetiker und Theoretiker war Gluck noch weit bedeutender, als in der praktischen p2b_519.021
Ausführung; der Musiker ließ den Reformator und Ästhetiker zuweilen p2b_519.022
im Stich.

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Nun erschien als Konsequenz Glucks das hellleuchtende Gestirn Mozart, p2b_519.024
den der Musiker nicht im Stich ließ, und der ein weit größeres musikalisches p2b_519.025
Genie war als Gluck. Seinem hochgebildeten Genius und seinem künstlerischen p2b_519.026
Jnstinkt folgend, hat er zuerst italienischen Wohlklang mit deutscher Charakteristik p2b_519.027
zu vereinen gewußt, indem er der Gluckschen Jdee, Wahrheit, Einfachheit, Erhabenheit, p2b_519.028
Gediegenheit noch die Anmut und Lieblichkeit der Melodie und den p2b_519.029
vollen Jnhalt des deutschen Gefühls vermählte. Die Abhängigkeit Mozarts p2b_519.030
von Gluck läßt sich an mancher Stelle nachweisen (vgl. z. B. die Friedhofsscene p2b_519.031
im Don Juan mit dem Orakel in der Oper Alceste).

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Geringeren Einfluß auf die Oper übte der gewaltige Beethoven; nachdem p2b_519.033
er seinen unsterblichen Fidelio geschrieben, zog er sich von der damaligen p2b_519.034
Oper, für welche er wenig Sympathie hatte, gänzlich zurück.

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Nach Mozart machte sich mehr oder weniger wieder der italienische Einfluß p2b_519.036
geltend. Mozarts Nachfolger legten immer mehr den Schwerpunkt in die Musik p2b_519.037
und vernachlässigten den Text auf unerhörte Weise; die Worte bildeten häufig p2b_519.038
nur die unverstandene notdürftige Unterlage für die Schönheit und Künstlichkeit p2b_519.039
der Opern, die in der Regel aus einer Reihe in Kostüm gesungener, locker verbundener p2b_519.040
Arien bestanden. Die Operntexte wurden immer kunstloser und unpoetischer, p2b_519.041
der Komponist übte immer größere Oberherrschaft über den Dichter aus, p2b_519.042
ja, die einzelnen Opernkomponisten suchten sich in Melodien, Tänzen und Dekorationen p2b_519.043
zu überbieten; und so war die Oper nahe daran, die Anarchie der p2b_519.044
Künste zu werden.

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Geringeren Einfluß auf die Oper übte der gewaltige Beethoven; nachdem p2b_519.033
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/541>, abgerufen am 22.11.2024.