p2b_028.001 Hagel auf die Markung und Koppelhut-Aue, daß vierzig teils Gänse teils p2b_028.002 Ganser erschlagen wurden, den Diebsfehraner Gänsehirten nicht einmal gerechnet, p2b_028.003 welchen der Blitz niederstreckte. Der Ziebingsche Gänsehirt ließ als Patriot p2b_028.004 alles Tote liegen und trieb so viel Lebendiges, wie sonst, nach der Festung. p2b_028.005 Diebsfehra, eine Stadt von mehr als anderthalb hundert Einwohnern, konnte p2b_028.006 eine solche Verletzung der Weideparität nicht schweigend erdulden, wenn sie p2b_028.007 bleiben wollte, was sie war. - Minister mit dem Portefeuille der auswärtigen p2b_028.008 Angelegenheiten wurden mit den stärksten Vollmachten und Ausdrücken in die p2b_028.009 Festung geschickt - auf Halbpart oder Parität der Gänse wurde bestanden - p2b_028.010 Schmerzensgelder wurden gefordert - Sturmläufer gedroht. - Aber die p2b_028.011 Ziebinger, schuß- und stichfest durch ihre Festung, schickten ihnen nichts als p2b_028.012 ein Protokoll der Aussage des Gemeindehirten, daß die Hagelwetter bloß über p2b_028.013 die Diebsfehraner Gänse gezogen; was, wie er beifügte, auch der erschlagene p2b_028.014 Gänsehirt beschwören würde, wenn er als Gespenst vor Gericht erschiene. Angebogen p2b_028.015 war noch ein physikalischer Beweis vom Stadt- und Landphysikus, p2b_028.016 daß nie eine Hagelwolke die ganze Erde treffe, sondern stets nur einen Streif, p2b_028.017 neben welchem folglich nicht einen Gänsefuß breit davon der ungetroffene liegen p2b_028.018 müsse, woraus erhelle, warum die in Frage gestellte Wolke sich bloß an den p2b_028.019 feindlichen Gänsen verschossen ... u. s. w.
p2b_028.020 Wir gingen da zu einem Töpfer, um ein Kabinetsgefäß zu kaufen, welches p2b_028.021 allerdings nur dann in eine Küche gehört, wenn ein Bett dazu dasteht, worunter p2b_028.022 man's stellt, sonst nie. "Welche reine Farbengebung und Zeichnung," sagt' p2b_028.023 ich, als ich in das Gefäß hineinschaute, und die Blumenstücke recht in's Auge p2b_028.024 faßte, "Meister! Führ' Er so fort, und lief' Er sich täglich so selber den Rang p2b_028.025 ab, Meister, ob Er dann zuletzt uns nicht mit einer Barbarini- oder Portlandvase p2b_028.026 überraschte? Da möchte ich den Mann sehen, der sich herstellte und p2b_028.027 schwüre, diese könn' Er so wenig machen, als ein egyptischer Zauberer eine p2b_028.028 Laus." - Nur sollte das Töpferhandwerk seine Kunstwerke nicht, wie Christen p2b_028.029 ihren Schmuck, bloß innen anbringen. Wie so mancher Kunstliebhaber muß p2b_028.030 jetzo seine Schüssel saurer Milch erst ausessen, bis er allmählich sich durch den p2b_028.031 Löffel ein gemaltes Blatt nach dem andern von dem Schüssel- oder Blumenstück p2b_028.032 aufdeckt, so daß er das Ganze nicht eher genießt, als bis er satt ist? p2b_028.033 Als ich mich aber nach einigen der neuesten Werke des Künstlers umsah: fand p2b_028.034 ich die Blumenstücke sämtlich wie von einem Höllenbreughel so verzerrt, und p2b_028.035 die Gefäße so verdreht, daß ich ihn darüber befragte. "Ach," sagte der Töpfer, p2b_028.036 "vor dem teuflischen Geschieße zittert dem Menschen Arm und Bein; und da p2b_028.037 verfumfeiet er freilich jeden Bettel." So ist also die Bemerkung nicht allgemein p2b_028.038 wahr, daß immer in Kriegsläufen, wie z. B. in Athen, die Künste p2b_028.039 besonders blühen u. s. w. - (Man vgl. hiezu Bd. I S. 199.)
p2b_028.040 c. Sentimentaler Stil. (Bruchstück aus Brachvogels Friedemann. p2b_028.041 Buch I S. 40 und 41.)
p2b_028.042 "Welch' eine stolze Versammlung Alles dessen, was Sachsen Reiches, p2b_028.043 Schönes, Vornehmes und Berühmtes bot! Welche Fülle strahlender, froher p2b_028.044 Gesichter! - War es nicht gerade, als wüßten diese Leute nicht, was eine
p2b_028.001 Hagel auf die Markung und Koppelhut-Aue, daß vierzig teils Gänse teils p2b_028.002 Ganser erschlagen wurden, den Diebsfehraner Gänsehirten nicht einmal gerechnet, p2b_028.003 welchen der Blitz niederstreckte. Der Ziebingsche Gänsehirt ließ als Patriot p2b_028.004 alles Tote liegen und trieb so viel Lebendiges, wie sonst, nach der Festung. p2b_028.005 Diebsfehra, eine Stadt von mehr als anderthalb hundert Einwohnern, konnte p2b_028.006 eine solche Verletzung der Weideparität nicht schweigend erdulden, wenn sie p2b_028.007 bleiben wollte, was sie war. ─ Minister mit dem Portefeuille der auswärtigen p2b_028.008 Angelegenheiten wurden mit den stärksten Vollmachten und Ausdrücken in die p2b_028.009 Festung geschickt ─ auf Halbpart oder Parität der Gänse wurde bestanden ─ p2b_028.010 Schmerzensgelder wurden gefordert ─ Sturmläufer gedroht. ─ Aber die p2b_028.011 Ziebinger, schuß- und stichfest durch ihre Festung, schickten ihnen nichts als p2b_028.012 ein Protokoll der Aussage des Gemeindehirten, daß die Hagelwetter bloß über p2b_028.013 die Diebsfehraner Gänse gezogen; was, wie er beifügte, auch der erschlagene p2b_028.014 Gänsehirt beschwören würde, wenn er als Gespenst vor Gericht erschiene. Angebogen p2b_028.015 war noch ein physikalischer Beweis vom Stadt- und Landphysikus, p2b_028.016 daß nie eine Hagelwolke die ganze Erde treffe, sondern stets nur einen Streif, p2b_028.017 neben welchem folglich nicht einen Gänsefuß breit davon der ungetroffene liegen p2b_028.018 müsse, woraus erhelle, warum die in Frage gestellte Wolke sich bloß an den p2b_028.019 feindlichen Gänsen verschossen ... u. s. w.
p2b_028.020 Wir gingen da zu einem Töpfer, um ein Kabinetsgefäß zu kaufen, welches p2b_028.021 allerdings nur dann in eine Küche gehört, wenn ein Bett dazu dasteht, worunter p2b_028.022 man's stellt, sonst nie. „Welche reine Farbengebung und Zeichnung,“ sagt' p2b_028.023 ich, als ich in das Gefäß hineinschaute, und die Blumenstücke recht in's Auge p2b_028.024 faßte, „Meister! Führ' Er so fort, und lief' Er sich täglich so selber den Rang p2b_028.025 ab, Meister, ob Er dann zuletzt uns nicht mit einer Barbarini- oder Portlandvase p2b_028.026 überraschte? Da möchte ich den Mann sehen, der sich herstellte und p2b_028.027 schwüre, diese könn' Er so wenig machen, als ein egyptischer Zauberer eine p2b_028.028 Laus.“ ─ Nur sollte das Töpferhandwerk seine Kunstwerke nicht, wie Christen p2b_028.029 ihren Schmuck, bloß innen anbringen. Wie so mancher Kunstliebhaber muß p2b_028.030 jetzo seine Schüssel saurer Milch erst ausessen, bis er allmählich sich durch den p2b_028.031 Löffel ein gemaltes Blatt nach dem andern von dem Schüssel- oder Blumenstück p2b_028.032 aufdeckt, so daß er das Ganze nicht eher genießt, als bis er satt ist? p2b_028.033 Als ich mich aber nach einigen der neuesten Werke des Künstlers umsah: fand p2b_028.034 ich die Blumenstücke sämtlich wie von einem Höllenbreughel so verzerrt, und p2b_028.035 die Gefäße so verdreht, daß ich ihn darüber befragte. „Ach,“ sagte der Töpfer, p2b_028.036 „vor dem teuflischen Geschieße zittert dem Menschen Arm und Bein; und da p2b_028.037 verfumfeiet er freilich jeden Bettel.“ So ist also die Bemerkung nicht allgemein p2b_028.038 wahr, daß immer in Kriegsläufen, wie z. B. in Athen, die Künste p2b_028.039 besonders blühen u. s. w. ─ (Man vgl. hiezu Bd. I S. 199.)
p2b_028.040 c. Sentimentaler Stil. (Bruchstück aus Brachvogels Friedemann. p2b_028.041 Buch I S. 40 und 41.)
p2b_028.042 „Welch' eine stolze Versammlung Alles dessen, was Sachsen Reiches, p2b_028.043 Schönes, Vornehmes und Berühmtes bot! Welche Fülle strahlender, froher p2b_028.044 Gesichter! ─ War es nicht gerade, als wüßten diese Leute nicht, was eine
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Diebsfehra, eine Stadt von mehr als anderthalb hundert Einwohnern, konnte p2b_028.006
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Laus.“ ─ Nur sollte das Töpferhandwerk seine Kunstwerke nicht, wie Christen p2b_028.029
ihren Schmuck, bloß innen anbringen. Wie so mancher Kunstliebhaber muß p2b_028.030
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Löffel ein gemaltes Blatt nach dem andern von dem Schüssel- oder Blumenstück p2b_028.032
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Als ich mich aber nach einigen der neuesten Werke des Künstlers umsah: fand p2b_028.034
ich die Blumenstücke sämtlich wie von einem Höllenbreughel so verzerrt, und p2b_028.035
die Gefäße so verdreht, daß ich ihn darüber befragte. „Ach,“ sagte der Töpfer, p2b_028.036
„vor dem teuflischen Geschieße zittert dem Menschen Arm und Bein; und da p2b_028.037
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wahr, daß immer in Kriegsläufen, wie z. B. in Athen, die Künste p2b_028.039
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c. Sentimentaler Stil. (Bruchstück aus Brachvogels Friedemann. p2b_028.041
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„Welch' eine stolze Versammlung Alles dessen, was Sachsen Reiches, p2b_028.043
Schönes, Vornehmes und Berühmtes bot! Welche Fülle strahlender, froher p2b_028.044
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/50>, abgerufen am 25.11.2024.
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