Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.
p2b_419.001 p2b_419.008Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, p2b_419.002 Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd p2b_419.003 Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach. p2b_419.004 O laß mich einen Vorhang vor das ganze, p2b_419.005 Mir allzuhelle Schauspiel ziehen, daß p2b_419.006 Jn diesem schönen Augenblicke mir p2b_419.007 Mein Unwert nicht zu heftig fühlbar werde. Prinzessin. p2b_419.009 p2b_419.035Wenn jener edle Kreis, wenn jene Thaten p2b_419.010 Zu Müh' und Streben damals dich entflammten, p2b_419.011 So konnt' ich, junger Freund, zu gleicher Zeit p2b_419.012 Der Duldung stille Lehre dir bewähren. p2b_419.013 Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen p2b_419.014 Mir damals priesen und mir manches Jahr p2b_419.015 Nachher gepriesen haben, sah ich nicht. p2b_419.016 Am stillen Ort, wohin kaum unterbrochen p2b_419.017 Der letzte Wiederhall der Freude sich p2b_419.018 Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen p2b_419.019 Und manchen traurigen Gedanken leiden. p2b_419.020 Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild p2b_419.021 Des Todes vor den Augen, deckte mir p2b_419.022 Die Aussicht in die immer neue Welt. p2b_419.023 Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ p2b_419.024 Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben p2b_419.025 Des Lebens blaß, doch angenehm erblicken, p2b_419.026 Jch sah lebend'ge Formen wieder sanft sich regen. p2b_419.027 Zum erstenmal trat ich; noch unterstützt p2b_419.028 Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer, p2b_419.029 Da kam Lucretia voll frohen Lebens p2b_419.030 Herbei und führte dich an ihrer Hand. p2b_419.031 Du warst der erste, der im neuen Leben p2b_419.032 Mir neu und unbekannt entgegen trat p2b_419.033 Da hofft' ich viel für dich und mich; auch hat p2b_419.034 Uns bis hieher die Hoffnung nicht betrogen. Tasso. p2b_419.036 Und ich, der ich betäubt von dem Gewimmel p2b_419.037 Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz p2b_419.038 Geblendet, und von mancher Leidenschaft p2b_419.039 Bewegt, durch stille Gänge des Palasts, p2b_419.040 An deiner Schwester Seite schweigend ging, p2b_419.041 Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald p2b_419.042 Auf deine Frau'n gelehnt erschienest - mir p2b_419.043 Welch ein Moment war dieser! O vergieb! p2b_419.044 Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn p2b_419.045 Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; p2b_419.046 So war auch ich von aller Phantasie, p2b_419.047 Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe p2b_419.048 Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt. p2b_419.049 Wenn unerfahren die Begierde sich p2b_419.050 Nach tausend Gegenständen sonst verlor, p2b_419.051 Trat ich beschämt zuerst in mich zurück,
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O vergieb! p2b_419.044 Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn p2b_419.045 Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt; p2b_419.046 So war auch ich von aller Phantasie, p2b_419.047 Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe p2b_419.048 Mit Einem Blick in deinen Blick geheilt. p2b_419.049 Wenn unerfahren die Begierde sich p2b_419.050 Nach tausend Gegenständen sonst verlor, p2b_419.051 Trat ich beschämt zuerst in mich zurück, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#TAS"> <p><pb facs="#f0441" n="419"/><lb n="p2b_419.001"/> Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub, <lb n="p2b_419.002"/> Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd <lb n="p2b_419.003"/> Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach. <lb n="p2b_419.004"/> O laß mich einen Vorhang vor das ganze, <lb n="p2b_419.005"/> Mir allzuhelle Schauspiel ziehen, daß <lb n="p2b_419.006"/> Jn diesem schönen Augenblicke mir <lb n="p2b_419.007"/> Mein Unwert nicht zu heftig fühlbar werde.</p> </sp> <lb n="p2b_419.008"/> <sp who="#PRI"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Prinzessin.</hi> </hi> </speaker> <lb n="p2b_419.009"/> <p>Wenn jener edle Kreis, wenn jene Thaten <lb n="p2b_419.010"/> Zu Müh' und Streben damals dich entflammten, <lb n="p2b_419.011"/> So konnt' ich, junger Freund, zu gleicher Zeit <lb n="p2b_419.012"/> Der Duldung stille Lehre dir bewähren. <lb n="p2b_419.013"/> Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen <lb n="p2b_419.014"/> Mir damals priesen und mir manches Jahr <lb n="p2b_419.015"/> Nachher gepriesen haben, sah ich nicht. <lb n="p2b_419.016"/> Am stillen Ort, wohin kaum unterbrochen <lb n="p2b_419.017"/> Der letzte Wiederhall der Freude sich <lb n="p2b_419.018"/> Verlieren konnte, mußt' ich manche Schmerzen <lb n="p2b_419.019"/> Und manchen traurigen Gedanken leiden. <lb n="p2b_419.020"/> Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild <lb n="p2b_419.021"/> Des Todes vor den Augen, deckte mir <lb n="p2b_419.022"/> Die Aussicht in die immer neue Welt. <lb n="p2b_419.023"/> Nur nach und nach entfernt' es sich, und ließ <lb n="p2b_419.024"/> Mich, wie durch einen Flor, die bunten Farben <lb n="p2b_419.025"/> Des Lebens blaß, doch angenehm erblicken, <lb n="p2b_419.026"/> Jch sah lebend'ge Formen wieder sanft sich regen. <lb n="p2b_419.027"/> Zum erstenmal trat ich; noch unterstützt <lb n="p2b_419.028"/> Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer, <lb n="p2b_419.029"/> Da kam Lucretia voll frohen Lebens <lb n="p2b_419.030"/> Herbei und führte dich an ihrer Hand. <lb n="p2b_419.031"/> Du warst der erste, der im neuen Leben <lb n="p2b_419.032"/> Mir neu und unbekannt entgegen trat <lb n="p2b_419.033"/> Da hofft' ich viel für dich und mich; auch hat <lb n="p2b_419.034"/> Uns bis hieher die Hoffnung nicht betrogen.</p> </sp> <lb n="p2b_419.035"/> <sp who="#TAS"> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Tasso.</hi> </hi> </speaker> <lb n="p2b_419.036"/> <p>Und <hi rendition="#g">ich,</hi> der ich betäubt von dem Gewimmel <lb n="p2b_419.037"/> Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz <lb n="p2b_419.038"/> Geblendet, und von mancher Leidenschaft <lb n="p2b_419.039"/> Bewegt, durch stille Gänge des Palasts, <lb n="p2b_419.040"/> An deiner Schwester Seite schweigend ging, <lb n="p2b_419.041"/> Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald <lb n="p2b_419.042"/> Auf deine Frau'n gelehnt erschienest ─ mir <lb n="p2b_419.043"/> Welch ein Moment war dieser! 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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/441>, abgerufen am 23.07.2024. |