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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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den Charakter, Zeit, Sitten und Gebräuche des Volks, Einrichtungen p2b_276.002
des Staats, Familienbeziehungen, religiöse und sociale Anschauungen, Bekleidung, p2b_276.003
Wohnung, Lebensweise &c. möglichst anschaulich und bis in's Detail zu malen p2b_276.004
und einem Grundzug des Epos: der Breite der Anlage - gerecht zu p2b_276.005
werden. Alles hat für die ruhige Schilderung des Gesamtbildes poetisches p2b_276.006
Jnteresse.

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Gruber hat richtig bemerkt, daß die Gangart des Epos keine Reise sei, p2b_276.008
wo man ein vorgesetztes Ziel mit unruhiger Ungeduld zu erreichen bemüht ist, p2b_276.009
sondern daß das Epos mehr einer zur Lust am schönen Tage auf dem ruhigen p2b_276.010
See unternommenen Fahrt gleiche, wo man sich in behaglicher Gemütlichkeit den p2b_276.011
Gegenständen hingiebt, und gern bei jedem verweilt, ohne ungeduldiges Weiterstreben, p2b_276.012
wofern nur die Gegenstände nicht an sich unangenehmer Natur sind, p2b_276.013
oder des Jnteresses ermangeln.

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Mit Vorliebe verweilt der Epiker bei jedem Schritte seiner Bahn; er befleißigt p2b_276.015
sich einer gewissen Umständlichkeit durch Einflechtung vieler retartierender p2b_276.016
Motive, welche seinen Gang aufhalten, seinen Weg verlängern. Eile verträgt p2b_276.017
das Epos nicht, sie widerstrebt seinem Wesen.

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Der sogenannte rasche Gang gebührt dem Drama mit seiner werdenden, p2b_276.019
allezeit gegenwärtigen Handlung, nicht aber dem Epos mit seiner vergangenen. p2b_276.020
Nur dann schleicht die Handlung (nach Jean Paul), wenn sie sich wiederholt, p2b_276.021
und sie stockt nur dann, wenn eine fremde statt ihrer geht; aber nicht dann, wenn p2b_276.022
die in der Ferne große in immer kleinere in der Nähe, gleichsam der Tag in p2b_276.023
Stunden auseinander rückt.

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Die Umständlichkeit darf keine tote und keine pittoreske sein, sondern alles p2b_276.025
muß entspringend und fortschreitend vorgestellt werden, wie es uns z. B. Homer p2b_276.026
zeigt. Die ausführliche Schilderung, wie sie dieser Dichter bei der Bekanntgabe p2b_276.027
einer Lanze, eines Schildes &c. giebt, ist jedoch wenigstens im modernen p2b_276.028
Epos nicht nötig, ja, sie würde hier ermüden. Der moderne Dichter hat ein p2b_276.029
verständigeres Publikum als Homer, der im Zeitalter der beginnenden Kultur p2b_276.030
nur wenig voraussetzen durfte. Jmmerhin ist auch für uns die bereits Bd. I p2b_276.031
S. 14 skizzirte malende Methode bei Homer beachtenswert, besonders für die p2b_276.032
Veranschaulichung weniger nahe liegender Gegenstände. Hier darf auch das p2b_276.033
moderne Epos im Homerischen Stil ausgeführte Schilderungen, eine gewisse Behaglichkeit p2b_276.034
im Ausmalen &c., d. h. die sogenannte epische Breite in der Darstellung p2b_276.035
anwenden und außerdem noch etwa durch die Einfachheit und Natürlichkeit p2b_276.036
der im Epos vertretenen Personen motivieren. (S. 41 d. Bds.)

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Hindernisse in der Laufbahn des Helden herbeischaffen, heißt (sinnbildlich) p2b_276.038
den Knoten schürzen, sie beseitigen heißt ihn lösen. Der Ausgang der p2b_276.039
Haupthandlung des Epos ist wie im Drama die Katastrophe. Diese muß p2b_276.040
unsere sittliche Anschauung befriedigen. Wenn auch der Tugendhafte unterliegt, p2b_276.041
so muß unser Gefühl und unsere Vernunft ihm doch einen gewissen Triumph p2b_276.042
nicht versagen dürfen. Auch in seinem Untergang muß er größer erscheinen, p2b_276.043
als der äußerlich siegende Bösewicht &c.

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4. Die von dem Dichter zur Beförderung des Jnteresses und zur nähern

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Gruber hat richtig bemerkt, daß die Gangart des Epos keine Reise sei, p2b_276.008
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Mit Vorliebe verweilt der Epiker bei jedem Schritte seiner Bahn; er befleißigt p2b_276.015
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das Epos nicht, sie widerstrebt seinem Wesen.

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Der sogenannte rasche Gang gebührt dem Drama mit seiner werdenden, p2b_276.019
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moderne Epos im Homerischen Stil ausgeführte Schilderungen, eine gewisse Behaglichkeit p2b_276.034
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Hindernisse in der Laufbahn des Helden herbeischaffen, heißt (sinnbildlich) p2b_276.038
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/298>, abgerufen am 25.11.2024.