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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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2. Der Held kämpft gegen das feindliche Schicksal an, wobei er sich p2b_275.002
selbstverständlich durch äußere Würde und Stärke des Charakters auszeichnen p2b_275.003
muß, um eben als Hauptperson zu erscheinen. Andere ihm untergeordnete, ihn p2b_275.004
unterstützende oder bekämpfende Personen (Nebenhelden) heißen auch die epischen p2b_275.005
Charaktere. Es ist zulässig, daß zwei oder mehrere Hauptpersonen in demselben p2b_275.006
Epos auftreten; aber dann müssen sie in enger Beziehung zur Schlußhandlung p2b_275.007
(Katastrophe) stehen, diese hindernd oder fördernd. Auch darf durch sie nie die p2b_275.008
Einheit (d. i. die Beziehung der Einzelbegebenheiten, Einzelhandlungen zur p2b_275.009
Hauptperson) verletzt werden. Das Kunstepos hat meist nur eine Hauptperson, p2b_275.010
das Volksepos mehrere. Schon in Homers Jlias finden wir neben Achill p2b_275.011
mehrere Helden. Und in der Nibelungen Not fällt zwar die größte Bedeutung p2b_275.012
auf Siegfried und Kriemhilde; aber auch die übrigen Personen (Dietrich, Hagen, p2b_275.013
Rüdiger) sind nicht bloße, unwesentliche Nebenfiguren. Haupthelden kann man p2b_275.014
hier eigentlich keine Charaktere nennen. Siegfried fällt, bevor das Epos zur p2b_275.015
Hälfte vollendet ist. Dietrich tritt erst nach der Mitte desselben auf, seine volle p2b_275.016
Bedeutung erst am Schluß erreichend; von den übrigen imponierenden Heldengestalten p2b_275.017
(Kriemhilde, Hagen, Rüdiger) weiß keine einzige unsere Teilnahme p2b_275.018
ausschließlich in Anspruch zu nehmen, keine vermag die übrigen Personen zu p2b_275.019
bloßen Nebenfiguren herabzudrücken, oder sie in den Hintergrund zu p2b_275.020
schieben. Vielmehr hat jede Figur ihren eigenartigen, berechtigten Platz, das p2b_275.021
Jnteresse erstreckt sich auf alle gleichmäßig.

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Jn den Charakteren des epischen Dichters muß sich der Charakter ganzer p2b_275.023
Menschenklassen abspiegeln. Die Charaktere können daher nicht immer sittliche p2b_275.024
Jdeale sein.

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Da von dem Charakter des Helden (oder der Helden) die Begebenheit in p2b_275.026
ihrem Ursprung und in ihren Folgen abhängt, so muß dieser Charakter wahr p2b_275.027
sein und in seiner Wahrscheinlichkeit durchgeführt werden, womit allerdings nicht p2b_275.028
gesagt sein soll, daß sich der Dichter nicht direkter und indirekter Jdealisierung p2b_275.029
bedienen könnte, um den Total-Eindruck zu mehren, das Jnteresse zu heben, p2b_275.030
die Anschaulichkeit zu beleben, und die Wirkung zu steigern. (§ 27 d. Bds.)

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Nicht eine Charakteristik darf der Epiker liefern, aber fertige Charaktere muß p2b_275.032
er bieten, darstellen. Die alten Epiker haben zur Erreichung dieser Forderung p2b_275.033
die fortschreitenden Ereignisse mit fortschreitender Rede ihrer Personen begleitet p2b_275.034
und neben den Thatsachen den mit diesen verwobenen Dialog einhergehen p2b_275.035
lassen, also eine Art dramatisches Element mit ihrem epischen Stoff zu vereinen p2b_275.036
gewußt, wodurch sie (z. B. in den Schlachtenschilderungen der Jlias, oder in p2b_275.037
der Nibelungen Not, in Hildebrand und Hadubrand &c.) den Charakter außerordentlich p2b_275.038
plastisch wirksam erscheinen ließen.

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3. Den leitenden Faden bildet im Epos ein Hauptmoment aus der p2b_275.040
Lebensgeschichte des Helden: die Haupthandlung. Die Wichtigkeit dieser p2b_275.041
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kann (z. B. in Stoffen wie Sündenfall, Sindflut, Kreuzzüge &c.), berechtigt p2b_275.043
den Dichter bei allem mit ihr in Beziehung Stehenden zu verweilen, um die p2b_275.044
einzelnen Ereignisse, Situationen und lokalen Verhältnisse, den Ort der Handlung,

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unterstützende oder bekämpfende Personen (Nebenhelden) heißen auch die epischen p2b_275.005
Charaktere. Es ist zulässig, daß zwei oder mehrere Hauptpersonen in demselben p2b_275.006
Epos auftreten; aber dann müssen sie in enger Beziehung zur Schlußhandlung p2b_275.007
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Hauptperson) verletzt werden. Das Kunstepos hat meist nur eine Hauptperson, p2b_275.010
das Volksepos mehrere. Schon in Homers Jlias finden wir neben Achill p2b_275.011
mehrere Helden. Und in der Nibelungen Not fällt zwar die größte Bedeutung p2b_275.012
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Jnteresse erstreckt sich auf alle gleichmäßig.

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Jn den Charakteren des epischen Dichters muß sich der Charakter ganzer p2b_275.023
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Jdeale sein.

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Da von dem Charakter des Helden (oder der Helden) die Begebenheit in p2b_275.026
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bedienen könnte, um den Total-Eindruck zu mehren, das Jnteresse zu heben, p2b_275.030
die Anschaulichkeit zu beleben, und die Wirkung zu steigern. (§ 27 d. Bds.)

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Nicht eine Charakteristik darf der Epiker liefern, aber fertige Charaktere muß p2b_275.032
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plastisch wirksam erscheinen ließen.

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Lebensgeschichte des Helden: die Haupthandlung. Die Wichtigkeit dieser p2b_275.041
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/297>, abgerufen am 22.11.2024.