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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Sie gingen hinaus mit Hochzeitschar, p2b_272.002
Sie tanzten freudig und ohn' Gefahr,
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Sie tanzten nieder bis an den Strand, p2b_272.004
Sie waren allein jetzt Hand in Hand.
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"Halt', schönes Mädchen, das Roß mir hier! p2b_272.006
Das niedlichste Schiffchen bring' ich dir."
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Und als sie kamen auf'n weißen Sand, p2b_272.008
Da kehrten sich alle Schiffe zu Land!
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Und als sie kamen auf den Sund, p2b_272.010
Das schöne Mädchen sank zu Grund.
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Noch lange hörten am Lande sie, p2b_272.012
Wie das schöne Mädchen im Wasser schrie.
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Jch rat' euch, Jungfern, was ich kann: p2b_272.014
Geht nicht in Tanz mit dem Wassermann.

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Weitere bekannte Beispiele der Ballade sind: p2b_272.016
Goethes Erlkönig, p2b_272.017
Bürgers Lenore &c.

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Litteratur der Ballade.

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Volkstümlich war die Ballade schon im 11ten und 12ten Jahrhundert p2b_272.020
in Nord-England, wo sie der Erzählung ritterlicher Abenteuer in einfacher p2b_272.021
Sprache diente, welche von den sogenannten Minstrels mit Harfenbegleitung p2b_272.022
vorgetragen wurden. Den Namen Ballade erhielt sie in Vorder-England und p2b_272.023
Schottland im 14. Jahrhundert. Auf deutschen Boden wurde sie durch Herder p2b_272.024
mit glänzendem Erfolg verpflanzt, so daß sie eine Zierde unserer Litteratur p2b_272.025
bildete. Er übersetzte teilweise die durch Percy gesammelten schottischen Volkslieder: p2b_272.026
Reliques of ancient english poetry 1765, in welcher Form sie p2b_272.027
dem ersten Balladendichter Deutschlands, Bürger, vorlagen, dem auch das p2b_272.028
Volkstümliche und eigenartig Geheimnisvolle, oft Schauerhafte jener Natur= p2b_272.029
Poesien durch Übersetzung oder freie Nachbildung wiederzugeben gelungen ist. p2b_272.030
Derselbe und die folgenden Kunstdichter haben häufig geeignete Stoffe in der p2b_272.031
beschriebenen volkstümlichen Art behandelt. Sie haben aber auch oft in ihre p2b_272.032
Darstellung eine tiefere Jdee gebracht. Dadurch ist die Ballade von ihnen zur p2b_272.033
Kunstpoesie erhoben worden, den Gebildeten verständlich in ihrer Tiefe und in p2b_272.034
ihrer andeutenden Sprache, den Ungebildeten wenigstens ahnen lassend, was p2b_272.035
darin liegt, ohne ausgesprochen zu sein.

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Weiße, Löwen (+ 1773), Gleim, Schiebeler haben schon vor Herder und p2b_272.037
Bürger einzelne Nachahmungen fremder Balladen geliefert. Goethe drückte auch p2b_272.038
einigen parabelartig gebildeten Balladen den Stempel des Echtdeutschen auf. p2b_272.039
Jm Erlkönig hat er die deutsche Normal-Ballade geschaffen. Er zeigt weniger, p2b_272.040
wie die deutsche Ballade ist, als wohin sie streben soll, indem sein Erlkönig p2b_272.041
alle germanischen Elemente in der höchsten Kunst-Vollendung dieser p2b_272.042
Volksdichtung umfaßt. Trefflich sind auch seine Balladen: Der untreue Knabe, p2b_272.043
Der Totentanz, Die wandelnde Glocke, Der Fischer, Der Schatzgräber &c.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/294>, abgerufen am 22.11.2024.