Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_211.001 Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks, p2b_211.002 (Goethe.)Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten. p2b_211.003 (Rückert.)Wo mehr Füchs' als Trauben sind, p2b_211.004 Ernte, was du kannst, geschwind. p2b_211.005 p2b_211.007Männer von Geist nur steigen mit Würd' auch Stufen herunter; p2b_211.006 Kleinliche Menschen der Welt kriechen verächtlich hinauf. (K. G. v. Brinckmann.) p2b_211.008 Die Jugend, wenn du alterst, zu beneiden, p2b_211.010 Verjüngt dich nicht und mehrt des Alters Leiden. p2b_211.011 Wer jung noch scheinen will in weißem Haare, p2b_211.012 Verdächtigt seine eignen Jugendjahre. p2b_211.013 Wer alt noch täuschen will durch Jugendweise, p2b_211.014 War niemals jung und ist nicht reif zum Greise. p2b_211.015 p2b_211.017Ehrwürdig ist der Greis, von dem man sagt: p2b_211.016 Er ist ein Mann, auch noch so hoch betagt. (Julius Hammer.) p2b_211.018 Litteratur der Gnome. p2b_211.019 p2b_211.027 p2b_211.037 p2b_211.039 p2b_211.001 Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks, p2b_211.002 (Goethe.)Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten. p2b_211.003 (Rückert.)Wo mehr Füchs' als Trauben sind, p2b_211.004 Ernte, was du kannst, geschwind. p2b_211.005 p2b_211.007Männer von Geist nur steigen mit Würd' auch Stufen herunter; p2b_211.006 Kleinliche Menschen der Welt kriechen verächtlich hinauf. (K. G. v. Brinckmann.) p2b_211.008 Die Jugend, wenn du alterst, zu beneiden, p2b_211.010 Verjüngt dich nicht und mehrt des Alters Leiden. p2b_211.011 Wer jung noch scheinen will in weißem Haare, p2b_211.012 Verdächtigt seine eignen Jugendjahre. p2b_211.013 Wer alt noch täuschen will durch Jugendweise, p2b_211.014 War niemals jung und ist nicht reif zum Greise. p2b_211.015 p2b_211.017Ehrwürdig ist der Greis, von dem man sagt: p2b_211.016 Er ist ein Mann, auch noch so hoch betagt. 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Gnomen finden wir auch <lb n="p2b_211.022"/> von Solon, von Theognis &c. (Die goldenen „Sprüche des Pythagoras“ sind <lb n="p2b_211.023"/> wahrscheinlich nicht von ihm.) Seit Hesiod blieb bei den Griechen der Hexameter <lb n="p2b_211.024"/> die metrische Form der Gnomen. Andere wählten die zweizeilige aus <lb n="p2b_211.025"/> Hexameter und Pentameter gebildete Strophe, wieder andere den Trimeter. <lb n="p2b_211.026"/> (Bd. <hi rendition="#aq">I</hi>. S. 321.)</p> <p><lb n="p2b_211.027"/> Die Gnomen Salomons und des Jesus Sirach bei den Hebräern beschränken <lb n="p2b_211.028"/> sich auf den einfachsten Parallelismus der Worte und Satzglieder. <lb n="p2b_211.029"/> <hi rendition="#g">Arabische</hi> Sprüche gab 1879 Socin (Tübingen) heraus, <hi rendition="#g">osmanische</hi> die <lb n="p2b_211.030"/> k. k. orientalische Akademie zu Wien (1877. Constantinopel). Die griechischen <lb n="p2b_211.031"/> gab Gaisford (Oxf. 1830) heraus. Lateinische sammelte Wüstemann (1864. <lb n="p2b_211.032"/> Nordhausen) u. a. Auch neuere Völker besitzen einen reichen Schatz von Sprüchen. <lb n="p2b_211.033"/> Ende des 14. Jahrhunderts war besonders die böhmische Litteratur an gnomischen <lb n="p2b_211.034"/> Dichtungen reich. Emil von Pardubitz († 1403) hat zur Zeit des <lb n="p2b_211.035"/> Königs Wenzel <hi rendition="#aq">I</hi>. eine Sammlung der ältesten böhmischen Sprüche und Epigramme <lb n="p2b_211.036"/> veranstaltet, die von Joh. Wenzig in's Deutsche übersetzt wurden.</p> <p><lb n="p2b_211.037"/> Von einem unserer Vorfahren hat die <hi rendition="#g">sämundische Edda</hi> treffliche <lb n="p2b_211.038"/> Gnomen aufbewahrt.</p> <p><lb n="p2b_211.039"/> Jn Deutschland gab es Spruchdichter schon im 12. Jahrhundert, z. B. <lb n="p2b_211.040"/> <hi rendition="#g">Spervogel.</hi> Manche Sprüche derselben leben heute noch als Sprichwörter <lb n="p2b_211.041"/> im Munde des Volkes fort.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0233]
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Nur halb ist der Verlust des schönsten Glücks, p2b_211.002
Wenn wir auf den Besitz nicht sicher zählten.
(Goethe.)
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Wo mehr Füchs' als Trauben sind, p2b_211.004
Ernte, was du kannst, geschwind.
(Rückert.)
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Männer von Geist nur steigen mit Würd' auch Stufen herunter; p2b_211.006
Kleinliche Menschen der Welt kriechen verächtlich hinauf.
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(K. G. v. Brinckmann.)
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c. Beispiel eines Spruchgedichts (Gnomologie).
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Die Jugend, wenn du alterst, zu beneiden, p2b_211.010
Verjüngt dich nicht und mehrt des Alters Leiden.
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Wer jung noch scheinen will in weißem Haare, p2b_211.012
Verdächtigt seine eignen Jugendjahre.
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Wer alt noch täuschen will durch Jugendweise, p2b_211.014
War niemals jung und ist nicht reif zum Greise.
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Ehrwürdig ist der Greis, von dem man sagt: p2b_211.016
Er ist ein Mann, auch noch so hoch betagt.
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(Julius Hammer.)
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Litteratur der Gnome.
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Die ersten griechischen Gnomen ─ wie überhaupt die erste didaktische p2b_211.020
Poesie ─ findet man in Hesiods „Tage und Werke“; die gnomische Dichtung beginnt p2b_211.021
mit der Zeit der sieben Weisen Griechenlands. Gnomen finden wir auch p2b_211.022
von Solon, von Theognis &c. (Die goldenen „Sprüche des Pythagoras“ sind p2b_211.023
wahrscheinlich nicht von ihm.) Seit Hesiod blieb bei den Griechen der Hexameter p2b_211.024
die metrische Form der Gnomen. Andere wählten die zweizeilige aus p2b_211.025
Hexameter und Pentameter gebildete Strophe, wieder andere den Trimeter. p2b_211.026
(Bd. I. S. 321.)
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Die Gnomen Salomons und des Jesus Sirach bei den Hebräern beschränken p2b_211.028
sich auf den einfachsten Parallelismus der Worte und Satzglieder. p2b_211.029
Arabische Sprüche gab 1879 Socin (Tübingen) heraus, osmanische die p2b_211.030
k. k. orientalische Akademie zu Wien (1877. Constantinopel). Die griechischen p2b_211.031
gab Gaisford (Oxf. 1830) heraus. Lateinische sammelte Wüstemann (1864. p2b_211.032
Nordhausen) u. a. Auch neuere Völker besitzen einen reichen Schatz von Sprüchen. p2b_211.033
Ende des 14. Jahrhunderts war besonders die böhmische Litteratur an gnomischen p2b_211.034
Dichtungen reich. Emil von Pardubitz († 1403) hat zur Zeit des p2b_211.035
Königs Wenzel I. eine Sammlung der ältesten böhmischen Sprüche und Epigramme p2b_211.036
veranstaltet, die von Joh. Wenzig in's Deutsche übersetzt wurden.
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Von einem unserer Vorfahren hat die sämundische Edda treffliche p2b_211.038
Gnomen aufbewahrt.
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Jn Deutschland gab es Spruchdichter schon im 12. Jahrhundert, z. B. p2b_211.040
Spervogel. Manche Sprüche derselben leben heute noch als Sprichwörter p2b_211.041
im Munde des Volkes fort.
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