Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_210.001 p2b_210.012Was den Türken zu raten? von K. J. Schröer. p2b_210.002Türken, die als wilde Horden eingebrochen in Byzanz, p2b_210.003 Unter Greuel, unter Morden ihm geraubt den letzten Glanz; p2b_210.004 Euch hat rechtlos überfallen and'rer Horden wilde Schar, p2b_210.005 Und ihr fragt: was wollt ihr Völker, fragt: was will der Russen Zar? p2b_210.006 Hört, was von euch die Geschichte sagt, die Menschheit klagt, das hört: p2b_210.007 Anders lachten Stambuls Fluren einst, bevor ihr sie zerstört: p2b_210.008 Laßt sie wieder neu erblühen, reicht wie Brüdern uns die Hand, p2b_210.009 Reicht den Franken sie, den Deutschen, laßt gedeihen Volk und Land! p2b_210.010 Könnt ihr das nicht, legt die Herrschaft dann getrost in bess're Hand, p2b_210.011 Was nicht leben kann, muß sterben; leben kann noch Griechenland! § 94. Gnome. p2b_210.013 p2b_210.017 p2b_210.019 p2b_210.032 p2b_210.036 p2b_210.037 Der Mensch ist eine Frucht aus seiner eignen Saat. p2b_210.039(Tiedge.) p2b_210.040 Willst du dich selber erkennen, so sieh', wie die andern es treiben; p2b_210.042 p2b_210.043Willst du die andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz! (Schiller.) p2b_210.001 p2b_210.012Was den Türken zu raten? von K. J. Schröer. p2b_210.002Türken, die als wilde Horden eingebrochen in Byzanz, p2b_210.003 Unter Greuel, unter Morden ihm geraubt den letzten Glanz; p2b_210.004 Euch hat rechtlos überfallen and'rer Horden wilde Schar, p2b_210.005 Und ihr fragt: was wollt ihr Völker, fragt: was will der Russen Zar? p2b_210.006 Hört, was von euch die Geschichte sagt, die Menschheit klagt, das hört: p2b_210.007 Anders lachten Stambuls Fluren einst, bevor ihr sie zerstört: p2b_210.008 Laßt sie wieder neu erblühen, reicht wie Brüdern uns die Hand, p2b_210.009 Reicht den Franken sie, den Deutschen, laßt gedeihen Volk und Land! p2b_210.010 Könnt ihr das nicht, legt die Herrschaft dann getrost in bess're Hand, p2b_210.011 Was nicht leben kann, muß sterben; leben kann noch Griechenland! § 94. Gnome. p2b_210.013 p2b_210.017 p2b_210.019 p2b_210.032 p2b_210.036 p2b_210.037 Der Mensch ist eine Frucht aus seiner eignen Saat. p2b_210.039(Tiedge.) p2b_210.040 Willst du dich selber erkennen, so sieh', wie die andern es treiben; p2b_210.042 p2b_210.043Willst du die andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz! (Schiller.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0232" n="210"/> <lb n="p2b_210.001"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Was den Türken zu raten? von</hi> K. 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Die poetischen Sprichwörter mit Reim (oder auch mit <lb n="p2b_210.030"/> Allitteration) gehören zur Gnome, wenn sie sich auch zur eigentlichen poetischen <lb n="p2b_210.031"/> Gnome wie Naturpoesie zur Kunstpoesie verhalten.</p> <p><lb n="p2b_210.032"/> Die Vereinigung mehrerer demselben Anschauungskreise zugehöriger Sinnsprüche <lb n="p2b_210.033"/> zu einem Ganzen nach Art des Freidank oder der Rückertschen Gnomen <lb n="p2b_210.034"/> in Angereihte Perlen oder vieler Gedichte in der Weisheit des Brahmanen <lb n="p2b_210.035"/> bildet das Spruchgedicht (Gnomologie).</p> <p> <lb n="p2b_210.036"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Gnome.</hi> </p> <p><lb n="p2b_210.037"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Spruch.</hi></p> <lb n="p2b_210.038"/> <p> <lg> <l>Der Mensch ist eine Frucht aus seiner eignen Saat.</l> </lg> <lb n="p2b_210.039"/> <hi rendition="#right">(Tiedge.)</hi> </p> <p><lb n="p2b_210.040"/><hi rendition="#aq">b</hi>. <hi rendition="#g">Poetische Gnomen.</hi></p> <lb n="p2b_210.041"/> <p> <lg> <l>Willst du dich selber erkennen, so sieh', wie die andern es treiben;</l> <lb n="p2b_210.042"/> <l>Willst du die andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz!</l> </lg> <lb n="p2b_210.043"/> <hi rendition="#right">(Schiller.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [210/0232]
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Was den Türken zu raten? von K. J. Schröer.
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Türken, die als wilde Horden eingebrochen in Byzanz, p2b_210.003
Unter Greuel, unter Morden ihm geraubt den letzten Glanz; p2b_210.004
Euch hat rechtlos überfallen and'rer Horden wilde Schar, p2b_210.005
Und ihr fragt: was wollt ihr Völker, fragt: was will der Russen Zar? p2b_210.006
Hört, was von euch die Geschichte sagt, die Menschheit klagt, das hört: p2b_210.007
Anders lachten Stambuls Fluren einst, bevor ihr sie zerstört: p2b_210.008
Laßt sie wieder neu erblühen, reicht wie Brüdern uns die Hand, p2b_210.009
Reicht den Franken sie, den Deutschen, laßt gedeihen Volk und Land! p2b_210.010
Könnt ihr das nicht, legt die Herrschaft dann getrost in bess're Hand, p2b_210.011
Was nicht leben kann, muß sterben; leben kann noch Griechenland!
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§ 94. Gnome. p2b_210.013
Gnome (Denkspruch, von γνώμη, sententia, Urteil, Spruch), das p2b_210.014
kürzeste didaktische Gedicht, ist ein kurz ausgesprochener Gedanke, ein p2b_210.015
Weisheitsspruch, ein Sinnspruch, eine Klugheitsregel, ein Stammbuchvers, p2b_210.016
eine nichts satirisches enthaltende Sentenz.
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Ein einfacher Denkspruch ist ebenso wenig ein Epigramm, als eine Anekdote p2b_210.018
eine Novelle ist.
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Während sich das Epigramm wie eine Aufschrift zu einem Gegenstand p2b_210.020
ausnimmt und nicht direkt zu belehren braucht, will die Gnome, die des p2b_210.021
epischen Vordersatzes des Epigramms entbehrt, direkt belehren. Das Epigramm p2b_210.022
drückt Jdeen aus, die Gnome Wahrheiten. Das Epigramm ist immer in p2b_210.023
streng poetischer Form, der Spruch häufig im Volkston. Gnomen, welche in p2b_210.024
kalter Abstraktion abgefaßt sind, an deren Entstehen die produzierende Einbildungskraft p2b_210.025
keinen Teil hat, fallen aus dem Bereich der Poesie heraus. Die p2b_210.026
metrische Form, die nur das Einprägen in's Gedächtnis erleichtert, erhebt sie p2b_210.027
nicht in's Bereich der Poesie. Rückert hat sich zu seinen Gnomen häufig der p2b_210.028
Vierzeile bedient. Bei solch zwanglosen Reimversen kann die Gnome auch Reimspruch p2b_210.029
genannt werden. Die poetischen Sprichwörter mit Reim (oder auch mit p2b_210.030
Allitteration) gehören zur Gnome, wenn sie sich auch zur eigentlichen poetischen p2b_210.031
Gnome wie Naturpoesie zur Kunstpoesie verhalten.
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Die Vereinigung mehrerer demselben Anschauungskreise zugehöriger Sinnsprüche p2b_210.033
zu einem Ganzen nach Art des Freidank oder der Rückertschen Gnomen p2b_210.034
in Angereihte Perlen oder vieler Gedichte in der Weisheit des Brahmanen p2b_210.035
bildet das Spruchgedicht (Gnomologie).
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Beispiele der Gnome.
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a. Spruch.
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Der Mensch ist eine Frucht aus seiner eignen Saat.
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(Tiedge.)
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b. Poetische Gnomen.
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Willst du dich selber erkennen, so sieh', wie die andern es treiben; p2b_210.042
Willst du die andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz!
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