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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Der Nachsatz in den Priameln, deren Verfasser häufig unbekannt blieben, p2b_208.002
enthielt meist eine aus den Vordersätzen abgeleitete Lehre oder ein Urteil über p2b_208.003
die in den Vordersätzen aufgestellten Behauptungen, weshalb die Priamel p2b_208.004
gewissermaßen den Übergang von der Gnome (Spruch) zum Epigramm bildete.

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Jn einer Gerichtsordnung aus dem Jahre 1482 heißt es: "Des ersten p2b_208.006
macht ein Harfner ein Priamel oder Vorlauf, daz er die luit (Leute) im uff p2b_208.007
zu merken bewog." Die Priamel war in der That sehr geeignet, zum Aufmerken p2b_208.008
anzuregen und zwar wegen des hinausgeschobenen, aufgesparten, auf die p2b_208.009
ganze Reihe von Vordersätzen passenden, oft überraschenden Schlußsatzes.

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Schnepper nannte man die Priameln insofern, als die Reihe der Vordersätze p2b_208.011
durch den präzisen Schlußsatz in ihrem Fluß gehemmt oder "abgeschneppt" p2b_208.012
wurde. Die häufig satirisch abschließende Priamel ist eine Art Epigramm oder p2b_208.013
Rätsel, bei welchem der Leser die Klausel nicht erst zu suchen braucht, da sie p2b_208.014
im Schlußsatz gegeben ist.

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Eine originelle Priamelform findet sich in der als Manuscript gedruckten p2b_208.016
Gedichtsammlung des Herzogs Ernst II. z. S., S. 53, bei welcher auf eine p2b_208.017
Reihe von Negationen eine die Rätsel lösende abschließende Doppelverszeile folgt. p2b_208.018
Als Wiederbelebung der bereits in Vergessenheit geratenen Priamel dürfte diese p2b_208.019
Form bedeutungsvoll genug erscheinen, um mitgeteilt zu werden.

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Beispiele der Priamel.

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a.

Wer einen Raben will baden weiß p2b_208.022
Und darauf legt seinen ganzen Fleiß, p2b_208.023
Und an der Sonne Schnee will dörren, p2b_208.024
Und allen Wind in einen Kasten sperren, p2b_208.025
Und Unglück will tragen feil, p2b_208.026
Und Narren binden an ein Seil, p2b_208.027
Und einen Kahlen will beschern, p2b_208.028
Der thut auch unnütz Arbeit gern.
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b.

Ain junge Maid ohn Lieb, p2b_208.030
und ain großer Jarmarkt ohn Dieb, p2b_208.031
und ain alter Jud' ohn gut, p2b_208.032
und ain junger Mann ohn mut, p2b_208.033
und ain alte Scheur ohn meuß, p2b_208.034
und ain alter Pelz ohn leuß, p2b_208.035
und ain alter Bock ohn bart: p2b_208.036
Das ist alles widernatürlich art.
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c.

Wer weiß, woraus das Brünnlein quillt, daraus wir trinken werden? p2b_208.038
Wer weiß, wo noch das Schäflein geht, das für uns Wolle träget? p2b_208.039
Wer weiß, woraus das Körnlein wächst, das uns zur Nahrung dienet? p2b_208.040
Wer weiß, wer uns den Tisch noch deckt, der uns den Körper weidet? p2b_208.041
Wer weiß, wer uns den Weg noch zeigt, darauf wir wandern müssen? p2b_208.042
Wer weiß, wo wohl das Bettlein steht, darein mich Gott einleget? p2b_208.043
Wer weiß, wannehr der Tod wohl kommt, der uns zum Richter führet? p2b_208.044
Ach treuer Vater, das weißt du, dir ist ja nichts verborgen.
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(Friedr. Spee.)

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Der Nachsatz in den Priameln, deren Verfasser häufig unbekannt blieben, p2b_208.002
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die in den Vordersätzen aufgestellten Behauptungen, weshalb die Priamel p2b_208.004
gewissermaßen den Übergang von der Gnome (Spruch) zum Epigramm bildete.

p2b_208.005
Jn einer Gerichtsordnung aus dem Jahre 1482 heißt es: „Des ersten p2b_208.006
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im Schlußsatz gegeben ist.

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Eine originelle Priamelform findet sich in der als Manuscript gedruckten p2b_208.016
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Beispiele der Priamel.

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Ain junge Maid ohn Lieb, p2b_208.030
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(Friedr. Spee.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/230>, abgerufen am 25.11.2024.