Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_183.001 Und schöne Mädchen winden mich zu Kränzen, p2b_183.002 (Rose.) Als Schmuck auf ihrer Locken Gold zu glänzen. p2b_183.003 p2b_183.009Wird vorgesetzt das letzte Zeichen, p2b_183.004 Als Götterknaben schaust du mich; p2b_183.005 Zeus muß sich meinem Willen beugen, p2b_183.006 Jch quäle, ich beglücke dich; p2b_183.007 Aus meinen Händen fallen dir die Lose, p2b_183.008 Doch ohne Dornen reich' ich keine Rose. (Eros.) (Th. Körner.) b. Nehmt immer mir den Kopf, und setzt ihn an den Schwanz, p2b_183.011 Jch bleib' wie der Polyp, dasselbe Ding, und ganz. p2b_183.012 p2b_183.015Jhr kennt mich wohl; in stiller Nacht, p2b_183.013 Wenn nur der treue Wächter wacht, p2b_183.014 Umstrahlt mich milder Glanz. (Lösung: Ampel == Lampe.) (Hebel.) e. Palindrom (Doppelrätsel). p2b_183.017 p2b_183.023 a. Still empfangen im zarten Keime p2b_183.025 Tritt es hervor in des Himmels Räume, p2b_183.026 Und es formt sich zur blühenden schönen Gestalt, p2b_183.027 Und die Gottheit segnet's mit heiliger Weihe, p2b_183.028 Daß es im Drange der Zeiten gedeihe, p2b_183.029 Und es reift mit des Wesens dunkler Gewalt. p2b_183.030 Zwar muß es endlich vergeh'n und erkalten, p2b_183.031 Und sinken muß es zur gräulichen Nacht; p2b_183.032 Doch strahlt es verjüngt durch des Grabes Spalten p2b_183.033 Jm neuen Frühling mit seliger Pracht. p2b_183.034 Liest du es rückwärts, ein Kind der Erde p2b_183.035 Umarmt es die Mutter mit trüber Geberde, p2b_183.036 Still widerstrebend dem frühen Strahl; p2b_183.037 Und wie des Mädchens rosige Wangen p2b_183.038 Ein Schleier umflattert mit zartem Verlangen, p2b_183.039 So webt es sich innig um Berg und Thal. p2b_183.040 p2b_183.044Doch glühender wächst die Flamme der Sonnen, p2b_183.041 Und es fliegt zerstreut durch das bläuliche Haus; p2b_183.042 So ist das Rätsel zur Klarheit zerronnen, p2b_183.043 Sprichst du der Deutung Zauberwort aus. (Lösung: Leben, Nebel.) (Körner.) p2b_183.045b. Noch sitzt auf halb verfallnem Throne, p2b_183.046
Noch hält die längst bestrittne Krone p2b_183.047 Die alte Königin der Welt. p2b_183.048 Ob sie wohl je vom Throne fällt? p2b_183.001 Und schöne Mädchen winden mich zu Kränzen, p2b_183.002 (Rose.) Als Schmuck auf ihrer Locken Gold zu glänzen. p2b_183.003 p2b_183.009Wird vorgesetzt das letzte Zeichen, p2b_183.004 Als Götterknaben schaust du mich; p2b_183.005 Zeus muß sich meinem Willen beugen, p2b_183.006 Jch quäle, ich beglücke dich; p2b_183.007 Aus meinen Händen fallen dir die Lose, p2b_183.008 Doch ohne Dornen reich' ich keine Rose. (Eros.) (Th. Körner.) β. Nehmt immer mir den Kopf, und setzt ihn an den Schwanz, p2b_183.011 Jch bleib' wie der Polyp, dasselbe Ding, und ganz. p2b_183.012 p2b_183.015Jhr kennt mich wohl; in stiller Nacht, p2b_183.013 Wenn nur der treue Wächter wacht, p2b_183.014 Umstrahlt mich milder Glanz. (Lösung: Ampel == Lampe.) (Hebel.) e. Palindrom (Doppelrätsel). p2b_183.017 p2b_183.023 α. Still empfangen im zarten Keime p2b_183.025 Tritt es hervor in des Himmels Räume, p2b_183.026 Und es formt sich zur blühenden schönen Gestalt, p2b_183.027 Und die Gottheit segnet's mit heiliger Weihe, p2b_183.028 Daß es im Drange der Zeiten gedeihe, p2b_183.029 Und es reift mit des Wesens dunkler Gewalt. p2b_183.030 Zwar muß es endlich vergeh'n und erkalten, p2b_183.031 Und sinken muß es zur gräulichen Nacht; p2b_183.032 Doch strahlt es verjüngt durch des Grabes Spalten p2b_183.033 Jm neuen Frühling mit seliger Pracht. p2b_183.034 Liest du es rückwärts, ein Kind der Erde p2b_183.035 Umarmt es die Mutter mit trüber Geberde, p2b_183.036 Still widerstrebend dem frühen Strahl; p2b_183.037 Und wie des Mädchens rosige Wangen p2b_183.038 Ein Schleier umflattert mit zartem Verlangen, p2b_183.039 So webt es sich innig um Berg und Thal. p2b_183.040 p2b_183.044Doch glühender wächst die Flamme der Sonnen, p2b_183.041 Und es fliegt zerstreut durch das bläuliche Haus; p2b_183.042 So ist das Rätsel zur Klarheit zerronnen, p2b_183.043 Sprichst du der Deutung Zauberwort aus. (Lösung: Leben, Nebel.) (Körner.) p2b_183.045β. Noch sitzt auf halb verfallnem Throne, p2b_183.046
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(Eros.) (Th. Körner.)
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(Lösung: Ampel == Lampe.) (Hebel.)
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e. Palindrom (Doppelrätsel). p2b_183.017
Palindrom (Rückwärtslesung von παλίνδρομος rückläufig == versus p2b_183.018
cancrinus) war ursprünglich ein Vers, welcher von vorn oder rückwärts gelesen p2b_183.019
gleich lautete (z. B. Otto tenet mappam, madidam, mappam tenet p2b_183.020
Otto). Als Rätselform bezeichnet Palindrom ein Wort, welches rückwärts gelesen p2b_183.021
ebenfalls ein Rätselwort ergiebt (z. B. Regen ─ Neger). Es ist somit p2b_183.022
ein Doppelrätsel.
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Beispiele des Palindroms.
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α.
Still empfangen im zarten Keime p2b_183.025
Tritt es hervor in des Himmels Räume, p2b_183.026
Und es formt sich zur blühenden schönen Gestalt, p2b_183.027
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Und es reift mit des Wesens dunkler Gewalt.
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Zwar muß es endlich vergeh'n und erkalten, p2b_183.031
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Jm neuen Frühling mit seliger Pracht.
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So webt es sich innig um Berg und Thal.
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Doch glühender wächst die Flamme der Sonnen, p2b_183.041
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(Lösung: Leben, Nebel.) (Körner.)
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β.
Noch sitzt auf halb verfallnem Throne, p2b_183.046
Noch hält die längst bestrittne Krone p2b_183.047
Die alte Königin der Welt. p2b_183.048
Ob sie wohl je vom Throne fällt?
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/205>, abgerufen am 23.07.2024. |