Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_137.001 [Beginn Spaltensatz] Geneuß die Ruhe, die du zeugest, p2b_137.002 [Spaltenumbruch]
O Göttin! singt sie, holde Nacht! p2b_137.003 Der Lärm entschläft, wenn du zum Himmel steigest p2b_137.004 Und nur der Prokne Schwester wacht. p2b_137.101 p2b_137.106 p2b_137.111 p2b_137.119 Ode an die preußische Armee, von E. Ch. v. Kleist. (Sämmtl. Werke, p2b_137.123 [Beginn Spaltensatz] Unüberwundnes Heer, mit dem Tod und Verderben p2b_137.125 Jn Legionen Feinde dringt, p2b_137.126 Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel schwingt, p2b_137.127 O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben! p2b_137.128 Sieh! Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, p2b_137.129 Den Erdkreis beben macht, p2b_137.130 Ziehn gegen dich, und drohn mit Qual und ew'ger Nacht; p2b_137.131 Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken. p2b_137.132 Verdopple deinen Mut! der Feinde wilde Fluten p2b_137.133 Hemmt Friedrich, und dein starker Arm; p2b_137.134 Und die Gerechtigkeit verjagt den tollen Schwarm; p2b_137.135 Sie blitzt durch dich auf ihn, und seine Rücken bluten. p2b_137.136 Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muster sehen, p2b_137.137 Die künft'gen Helden ehren dich, p2b_137.138 Ziehn dich den Römern vor, dem Cäsar Friederich; p2b_137.139 Und Böhmens Felsen sind dir ewige Trophäen. p2b_137.140 [Spaltenumbruch]
Nur schone, wie bisher im Lauf von großen Thaten, p2b_137.141 Den Landmann, der dein Feind nicht ist! p2b_137.142 Hilf seiner Not, wenn du von Not entfernet bist! p2b_137.143 Das Rauben überlaß den Feigen und Kroaten. p2b_137.101 p2b_137.001 [Beginn Spaltensatz] Geneuß die Ruhe, die du zeugest, p2b_137.002 [Spaltenumbruch]
O Göttin! singt sie, holde Nacht! p2b_137.003 Der Lärm entschläft, wenn du zum Himmel steigest p2b_137.004 Und nur der Prokne Schwester wacht. p2b_137.101 p2b_137.106 p2b_137.111 p2b_137.119 Ode an die preußische Armee, von E. Ch. v. Kleist. (Sämmtl. Werke, p2b_137.123 [Beginn Spaltensatz] Unüberwundnes Heer, mit dem Tod und Verderben p2b_137.125 Jn Legionen Feinde dringt, p2b_137.126 Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel schwingt, p2b_137.127 O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben! p2b_137.128 Sieh! Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, p2b_137.129 Den Erdkreis beben macht, p2b_137.130 Ziehn gegen dich, und drohn mit Qual und ew'ger Nacht; p2b_137.131 Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken. p2b_137.132 Verdopple deinen Mut! der Feinde wilde Fluten p2b_137.133 Hemmt Friedrich, und dein starker Arm; p2b_137.134 Und die Gerechtigkeit verjagt den tollen Schwarm; p2b_137.135 Sie blitzt durch dich auf ihn, und seine Rücken bluten. p2b_137.136 Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muster sehen, p2b_137.137 Die künft'gen Helden ehren dich, p2b_137.138 Ziehn dich den Römern vor, dem Cäsar Friederich; p2b_137.139 Und Böhmens Felsen sind dir ewige Trophäen. p2b_137.140 [Spaltenumbruch]
Nur schone, wie bisher im Lauf von großen Thaten, p2b_137.141 Den Landmann, der dein Feind nicht ist! p2b_137.142 Hilf seiner Not, wenn du von Not entfernet bist! p2b_137.143 Das Rauben überlaß den Feigen und Kroaten. p2b_137.101 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0159" n="137"/> <lb n="p2b_137.001"/> <cb type="start"/> <lg> <l>Geneuß die Ruhe, die du zeugest,</l> <lb n="p2b_137.002"/> <l> O Göttin! singt sie, holde Nacht!</l> <lb n="p2b_137.003"/> <l>Der Lärm entschläft, wenn du zum Himmel steigest</l> <lb n="p2b_137.004"/> <l> Und nur der Prokne Schwester wacht.</l> </lg> <cb/> <p><lb n="p2b_137.101"/> (Philomele, die Nachtigall, <lb n="p2b_137.102"/> wie Prokne, die Schwalbe, <lb n="p2b_137.103"/> beide verwandelte Töchter <lb n="p2b_137.104"/> des attischen Königs Pandion.)</p> <cb type="end"/> <lb n="p2b_137.105"/> <p><lb n="p2b_137.106"/> Man beachte in dieser herrlichen gereimten Ode, wie der Dichter die vor <lb n="p2b_137.107"/> der Sonne fliehende Nacht einer geheimnisvollen Meeresgrotte zueilen läßt, die <lb n="p2b_137.108"/> dem Dichter offen liegt und die er wonnevoll im Odenschwung mit schlagenden <lb n="p2b_137.109"/> Beiwörtern schildert, die Schatten personificierend, indem er sie zu „erschrockenen“ <lb n="p2b_137.110"/> Schatten macht u. s. w.</p> <p><lb n="p2b_137.111"/> Jn der nachstehenden kraftvollen „Ode an die preußische Armee“ fordert <lb n="p2b_137.112"/> Kleist das preußische Heer auf, mit erhöhtem Mute die zahllosen Feinde zu <lb n="p2b_137.113"/> bekämpfen; er verspricht der Nachwelt Ruhm, welcher das Heer über die Römer, <lb n="p2b_137.114"/> sowie Friedrich über Cäsar setzen werde. Jn gewaltigen Weisen mit wahrhaft <lb n="p2b_137.115"/> dramatischem Schwung schildert der Dichter, wie das Winken Friedrichs die <lb n="p2b_137.116"/> Feinde vernichte. Ja, mit Farben, wie sie das ruhige Lied nimmermehr vertragen <lb n="p2b_137.117"/> würde, malt er, in seiner Empfindung sich an Friedrich wendend, die <lb n="p2b_137.118"/> weitgehendsten Gegensätze.</p> <p><lb n="p2b_137.119"/> Er schließt mit einer der Ode eigenen Kühnheit, indem er die Erwartung <lb n="p2b_137.120"/> ausspricht, der stolze Feind werde noch vor kleinen Haufen fliehn, und er, der <lb n="p2b_137.121"/> Dichter, werde „im rasenden Getümmel Ehr' oder Tod finden“.</p> <lb n="p2b_137.122"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Ode an die preußische Armee,</hi> von E. Ch. v. <hi rendition="#g">Kleist.</hi> (Sämmtl. Werke, <lb n="p2b_137.123"/> 2. Aufl. 1790. S. 79.)</hi> </p> <lb n="p2b_137.124"/> <cb type="start"/> <lg> <l> Unüberwundnes Heer, mit dem Tod und Verderben</l> <lb n="p2b_137.125"/> <l>Jn Legionen Feinde dringt,</l> <lb n="p2b_137.126"/> <l>Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel schwingt,</l> <lb n="p2b_137.127"/> <l>O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben! </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_137.128"/> <l> Sieh! Feinde, deren Last die Hügel fast versinken,</l> <lb n="p2b_137.129"/> <l>Den Erdkreis beben macht,</l> <lb n="p2b_137.130"/> <l>Ziehn gegen dich, und drohn mit Qual und ew'ger Nacht;</l> <lb n="p2b_137.131"/> <l>Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_137.132"/> <l> Verdopple deinen Mut! der Feinde wilde Fluten</l> <lb n="p2b_137.133"/> <l>Hemmt Friedrich, und dein starker Arm;</l> <lb n="p2b_137.134"/> <l>Und die Gerechtigkeit verjagt den tollen Schwarm;</l> <lb n="p2b_137.135"/> <l>Sie blitzt durch dich auf ihn, und seine Rücken bluten. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_137.136"/> <l> Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muster sehen,</l> <lb n="p2b_137.137"/> <l>Die künft'gen Helden ehren dich,</l> <lb n="p2b_137.138"/> <l>Ziehn dich den Römern vor, dem <hi rendition="#g">Cäsar Friederich;</hi></l> <lb n="p2b_137.139"/> <l>Und Böhmens Felsen sind dir ewige Trophäen. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_137.140"/> <l> Nur schone, wie bisher im Lauf von großen Thaten,</l> <lb n="p2b_137.141"/> <l>Den Landmann, der dein Feind nicht ist!</l> <lb n="p2b_137.142"/> <l>Hilf seiner Not, wenn du von Not entfernet bist!</l> <lb n="p2b_137.143"/> <l>Das Rauben überlaß den Feigen und Kroaten.</l> </lg> <cb/> <p><lb n="p2b_137.101"/> (Ähnlich die weggelassene <lb n="p2b_137.102"/> folgende Strophe.)</p> <cb type="end"/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0159]
p2b_137.001
Geneuß die Ruhe, die du zeugest, p2b_137.002
O Göttin! singt sie, holde Nacht! p2b_137.003
Der Lärm entschläft, wenn du zum Himmel steigest p2b_137.004
Und nur der Prokne Schwester wacht.
p2b_137.101
(Philomele, die Nachtigall, p2b_137.102
wie Prokne, die Schwalbe, p2b_137.103
beide verwandelte Töchter p2b_137.104
des attischen Königs Pandion.)
p2b_137.105
p2b_137.106
Man beachte in dieser herrlichen gereimten Ode, wie der Dichter die vor p2b_137.107
der Sonne fliehende Nacht einer geheimnisvollen Meeresgrotte zueilen läßt, die p2b_137.108
dem Dichter offen liegt und die er wonnevoll im Odenschwung mit schlagenden p2b_137.109
Beiwörtern schildert, die Schatten personificierend, indem er sie zu „erschrockenen“ p2b_137.110
Schatten macht u. s. w.
p2b_137.111
Jn der nachstehenden kraftvollen „Ode an die preußische Armee“ fordert p2b_137.112
Kleist das preußische Heer auf, mit erhöhtem Mute die zahllosen Feinde zu p2b_137.113
bekämpfen; er verspricht der Nachwelt Ruhm, welcher das Heer über die Römer, p2b_137.114
sowie Friedrich über Cäsar setzen werde. Jn gewaltigen Weisen mit wahrhaft p2b_137.115
dramatischem Schwung schildert der Dichter, wie das Winken Friedrichs die p2b_137.116
Feinde vernichte. Ja, mit Farben, wie sie das ruhige Lied nimmermehr vertragen p2b_137.117
würde, malt er, in seiner Empfindung sich an Friedrich wendend, die p2b_137.118
weitgehendsten Gegensätze.
p2b_137.119
Er schließt mit einer der Ode eigenen Kühnheit, indem er die Erwartung p2b_137.120
ausspricht, der stolze Feind werde noch vor kleinen Haufen fliehn, und er, der p2b_137.121
Dichter, werde „im rasenden Getümmel Ehr' oder Tod finden“.
p2b_137.122
Ode an die preußische Armee, von E. Ch. v. Kleist. (Sämmtl. Werke, p2b_137.123
2. Aufl. 1790. S. 79.)
p2b_137.124
Unüberwundnes Heer, mit dem Tod und Verderben p2b_137.125
Jn Legionen Feinde dringt, p2b_137.126
Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel schwingt, p2b_137.127
O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben!
p2b_137.128
Sieh! Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, p2b_137.129
Den Erdkreis beben macht, p2b_137.130
Ziehn gegen dich, und drohn mit Qual und ew'ger Nacht; p2b_137.131
Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken.
p2b_137.132
Verdopple deinen Mut! der Feinde wilde Fluten p2b_137.133
Hemmt Friedrich, und dein starker Arm; p2b_137.134
Und die Gerechtigkeit verjagt den tollen Schwarm; p2b_137.135
Sie blitzt durch dich auf ihn, und seine Rücken bluten.
p2b_137.136
Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muster sehen, p2b_137.137
Die künft'gen Helden ehren dich, p2b_137.138
Ziehn dich den Römern vor, dem Cäsar Friederich; p2b_137.139
Und Böhmens Felsen sind dir ewige Trophäen.
p2b_137.140
Nur schone, wie bisher im Lauf von großen Thaten, p2b_137.141
Den Landmann, der dein Feind nicht ist! p2b_137.142
Hilf seiner Not, wenn du von Not entfernet bist! p2b_137.143
Das Rauben überlaß den Feigen und Kroaten.
p2b_137.101
(Ähnlich die weggelassene p2b_137.102
folgende Strophe.)
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |