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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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des Volksinteresses im Volkston zu besingen, und zuweilen sogar durch p2b_100.002
den Dialekt eine engere Verbindung mit dem Volke zu erzielen. Diese vom p2b_100.003
Hauch der Volkspoesie belebten Dichter sahen ein, daß - wenn sie Poesieen p2b_100.004
im Geist und Sinn der alten Volkslieder schaffen wollten - sie das poetisch p2b_100.005
gestimmte Volksleben in ihren Liedern entfalten mußten. So drangen sie mit p2b_100.006
einzelnen volkstümlichen Gesängen in den gesunden Kern des Volkes ein, fanden p2b_100.007
Anerkennung, und ihre Lieder wurden wie ehemals die Volkslieder allüberall p2b_100.008
gesungen. (Man vgl. beispielshalber "Sah' ein Knab' ein Röslein stehn" von p2b_100.009
Goethe, "Frisch auf, Kameraden auf's Pferd, auf's Pferd!" von Schiller, Der p2b_100.010
alte Barbarossa von Rückert u. s. w.)

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2. Nach dem Vorgang Goethes, Uhlands, Heines &c. muß sich unser Kunstlied p2b_100.012
immer mehr von allem Geschraubten, Gekünstelten frei machen. Es muß p2b_100.013
vor allem aus dem Jungbrunnen des edlen Volksliedes schöpfen. Die schöne p2b_100.014
Linie, an welcher sich Kunstgedicht und Volkslied berühren, muß sein: volkstümliche p2b_100.015
Empfindung und volksmäßige Sangbarkeit. Somit wird für die Zukunft p2b_100.016
Ausgangspunkt und Ziel jedes echten Kunstliedes werden müssen: Volkstümliche, p2b_100.017
echte, ungezierte Empfindung, die sich in Anschauung p2b_100.018
umsetzt und wiederum Empfindung machtvoll zeugt!

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§ 61. Einteilungsprinzip des Kunstliedes.

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1. Schon im Mittelalter unterschied man das weltliche und das p2b_100.021
geistliche Lied mit ihren vielen Unterarten. Für das Kunstlied der p2b_100.022
Gegenwart ist der Einteilungsmodus ein sehr verschiedenartiger.

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2. Wir behalten die im § 48 aufgestellte Einteilungsweise bei.

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1. Man teilt die Lieder in bezug auf ihren Stoff und Endzweck in geistliche p2b_100.025
und weltliche Lieder ein. Die weltlichen Lieder zerfallen nach den Jahreszeiten p2b_100.026
in: Frühlingslieder, Herbstlieder, Mailieder &c., nach den Tageszeiten: in p2b_100.027
Morgen- und Abendlieder. Ferner spricht man von Nationalliedern, welche p2b_100.028
Vaterlandsliebe und Nationalsinn zum Ausdruck bringen, oder bemerkenswerte p2b_100.029
Ereignisse aus der Geschichte des Vaterlandes behandeln; von Kriegsliedern, die p2b_100.030
zur Beharrlichkeit und Tapferkeit im Kampfe ermutigen; von moralischen, p2b_100.031
welche Rechtschaffenheit und Tugend feiern; von Trink- und Gesellschaftsliedern, p2b_100.032
die den freundschaftlichen Verkehr würzen; von Minneliedern, die besonders die p2b_100.033
sanften Empfindungen der Freundschaft und Liebe zum Ausdruck bringen; von p2b_100.034
Klageliedern, die traurige Erlebnisse schildern und beklagen u. s. w. Jedem p2b_100.035
Volk, jedem Stande und jeder Altersstufe sind außerdem noch besondere Lieder p2b_100.036
eigen, in denen sich ihr Lebensgefühl klar darlegt.

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Nach den Ständen teilt man die Lieder ein in: Studentenlieder, Jäger=, p2b_100.038
Soldaten=, Hirten=, Winzer=, Fischer- und Reiterlieder; nach Beschäftigung p2b_100.039
und besonderen Verhältnissen in: Erntelieder, Schlachtenlieder, Wanderlieder, p2b_100.040
Sehnsuchtslieder, Schlummerlieder &c. Endlich teilt man ein: in ernste und p2b_100.041
komische Lieder.
Nach den ihnen zu Grunde liegenden Veranlassungen

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/122>, abgerufen am 24.11.2024.