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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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Eine neue Sammlung schwedischer Volkslieder hat Arwidssohn in Stockholm p2b_098.002
1834 herausgegeben, die Mohnike 1836 (Stuttgart) in's Deutsche übertrug.

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Leider wird trotz aller Bemühungen - auch der verwandten Kulturländer p2b_098.004
- der größte Teil des versunkenen Schatzes mittelalterlichen Volksgesanges p2b_098.005
ungehoben bleiben. Doch hat Uhland wenigstens die Volkslieder des p2b_098.006
16ten Jahrhunderts in ziemlicher Reichhaltigkeit nach Handschriften und alten p2b_098.007
Drucken zu vereinen gewußt. Er behauptet von den deutschen Volksliedern (in p2b_098.008
"Alte, hoch- und nieder=deutsche Volkslieder" S. 10), daß ihnen der einheitliche p2b_098.009
Geist, der gleiche Schnitt, der durchgehende, volkspoetische Charakter fehle, fand p2b_098.010
dafür aber die lebensvolle Erscheinung interessant, wie der deutsche Volksgesang p2b_098.011
vom 13ten Jahrhundert an mehr und mehr der wichtigsten Ereignisse und Zeitfragen p2b_098.012
sich bemächtigte und so allgemein und wirksam wurde, daß Luther selbst p2b_098.013
die Psalmen zu Volksliedern stimmte u. s. w.

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§ 59. Das Volkslied der letzten Decennien.

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Jnteressant ist die Wahrnehmung, wie das moderne Volkslied der p2b_098.016
letzten Decennien genau so wie das früheste Volkslied je nach dem p2b_098.017
Volksbedürfnisse auftaucht, erst leise und schüchtern, dann lauter und p2b_098.018
sicherer, bis es endlich überall Eingang in Herz und Haus gefunden hat; p2b_098.019
wie ferner trotz unserer Presse auch bei uns erst niemand den Dichter p2b_098.020
des Volksliedes kannte, wie der eine es vom andern hörte, dieser vom p2b_098.021
dritten und vierten, bis es zuletzt die Kinder in allen Orten und p2b_098.022
Straßen sangen, bis es durch die Zeitstimmung, durch große politische p2b_098.023
oder soziale Ereignisse geweckt mit einem Schlag zur Geltung kam.

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Wir liefern den geschichtlichen Nachweis:

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Es war Ende der vierziger Jahre, da ertönte aus allen Winkeln Deutschlands: p2b_098.026
Schleswigholstein meerumschlungen (Gedicht von H. Straß, comp. p2b_098.027
von Chemnitz). Es kam 1848 die Revolution. Wir kümmerten uns wenig p2b_098.028
darum und jubelten in geschlossenen Reihen:

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Sang, Lieb und Freude p2b_098.030
Führen uns heute; p2b_098.031
Unsre lustge Kompagnie p2b_098.032
Wandert so, spät und früh, p2b_098.033
Durch die weite Welt, p2b_098.034
Wohin es ihr gefällt.

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Daneben machte sich das sog. Thüringer Volkslied Platz, das alle deutschen p2b_098.036
Volksschichten ergriff und durchklang. Das Jahr 1859 kam und brachte den p2b_098.037
französisch=ital. Krieg. Deutschland machte zwar mobil, aber der deutsche Michel p2b_098.038
dehnte sich höchst gleichgültig. Überall erscholl das Lied:

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Ach, ich bin so müde, p2b_098.040
Ach, ich bin so matt, p2b_098.041
Möchte gerne schlafen gehn, p2b_098.042
Morgen nicht zu früh aufstehn.

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Leider wird trotz aller Bemühungen ─ auch der verwandten Kulturländer p2b_098.004
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/120>, abgerufen am 28.11.2024.