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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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§ 15. Die echte Kunst ist ewig.

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Das Leben entsteht, wächst, nimmt ab, erlischt. Die Kunst nur p1b_039.003
vermag das Schöne durch ihren Schein für alle Zeiten zu fixieren.

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Hinübergegangen sind die herrlichen Frauen, die den Schöpfer der Mediceischen p1b_039.005
Venus, der Ariadne auf Naxos, der Hebe; die einen Rafael, Leonardo da p1b_039.006
Vinci, Correggio, Battoni (büßende Magdalena) zu ihren unsterblichen Werken p1b_039.007
begeisterten. Homer, Goethe, Rückert, Mozart, Beethoven - sie sind tot. Aber p1b_039.008
die durch sie geübte Kunst besteht in vollstrahlender Schöne.

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Das Leben ist vergänglich, - die Kunst allein ist unsterblich, ewig. Sie p1b_039.010
gestaltet die Jdeale frei. Wie in einem Krystallisationspunkte läßt sie alles p1b_039.011
Schöne zusammenschießen. Und dies Alles thut sie durch die frei waltende p1b_039.012
Phantasie, die durch Freude gepflegt wird und die Freude erzeugt. Schiller, p1b_039.013
dessen Kunst alle Schaumgebilde überdauert hat, sagt: "Alle Kunst ist der Freude p1b_039.014
gewidmet und es giebt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die p1b_039.015
Menschen zu beglücken. Die rechte Kunst ist nur diese, welche den höchsten p1b_039.016
Genuß schafft. Der höchste Genuß aber ist die Freiheit des Gemüts in dem p1b_039.017
lebendigen Spiel aller seiner Kräfte. Die wahre Kunst hat es nicht bloß auf p1b_039.018
ein vorübergehendes Spiel abgesehen; es ist ihr ernst damit, den Menschen p1b_039.019
nicht bloß in einen augenblicklichen Traum von Freiheit zu versetzen, sondern p1b_039.020
ihn wirklich und in der That frei zu machen; auf der Wahrheit selbst, auf dem p1b_039.021
tiefen Grunde der Natur errichtet sie ihr ewiges Gebäude."

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§ 16. Die dichterischen Stoffe.

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1. Fragen wir nach der Verschiedenheit der dichterischen Stoffe, p1b_039.024
so erscheint uns der Mensch als der vorzüglichste Gegenstand aller p1b_039.025
Poesie. Seine Liebe (vgl. Rückerts Amaryllis, Agnes, Liebesfrühling), p1b_039.026
seine Freundschaft (vgl. Schillers Bürgschaft, Goethes Jphigenie, p1b_039.027
Orestes und Pylades), seine Gefühle (vgl. Goethes Egmont, Schillers p1b_039.028
Jungfrau von Orleans), seine Mythen, seine Religion, das Zauberhafte p1b_039.029
(das nur nicht wie in der Romantik sich für den Kern der Poesie p1b_039.030
ausgeben soll), das Wunderbare &c. sind Stoffe, die von jeher dichterisch p1b_039.031
behandelt wurden.

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2. Die Stoffe werden durch die Thätigkeit der Phantasie und der p1b_039.033
Einbildungskraft ins Unendliche vermehrt.

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3. Die Behandlungsweise des Stoffs macht den Dichter.

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1. Schon Dante fordert: "Gegenstand des Gedichts sei der Mensch, wie p1b_039.036
er in Folge seiner Willensfreiheit gut oder schlecht handelnd der ewigen Gerechtigkeit p1b_039.037
anheimfällt. Der Zweck des Gedichts sei, den Menschen aus dem p1b_039.038
Zustande des Elends zu befreien und zur Glückseligkeit zu leiten." Durch die p1b_039.039
Höllenfahrt der Selbsterkenntnis also, durch die Sehnsucht nach Frieden und

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§ 15. Die echte Kunst ist ewig.

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Das Leben entsteht, wächst, nimmt ab, erlischt. Die Kunst nur p1b_039.003
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Das Leben ist vergänglich, ─ die Kunst allein ist unsterblich, ewig. Sie p1b_039.010
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ihn wirklich und in der That frei zu machen; auf der Wahrheit selbst, auf dem p1b_039.021
tiefen Grunde der Natur errichtet sie ihr ewiges Gebäude.“

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§ 16. Die dichterischen Stoffe.

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1. Fragen wir nach der Verschiedenheit der dichterischen Stoffe, p1b_039.024
so erscheint uns der Mensch als der vorzüglichste Gegenstand aller p1b_039.025
Poesie. Seine Liebe (vgl. Rückerts Amaryllis, Agnes, Liebesfrühling), p1b_039.026
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2. Die Stoffe werden durch die Thätigkeit der Phantasie und der p1b_039.033
Einbildungskraft ins Unendliche vermehrt.

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1. Schon Dante fordert: „Gegenstand des Gedichts sei der Mensch, wie p1b_039.036
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/73>, abgerufen am 27.11.2024.