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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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§ 174. Die Glosse.

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Glosse (vom griechischen glossa == Erklärung) ist eine aus dem p1b_567.003
Spanischen eingeführte aus Decimen aufgebaute künstliche Form. Es p1b_567.004
liegt derselben eine 1-4zeilige Strophe als Thema zu Grunde, p1b_567.005
welch letzteres in ebensoviel Strophen ausgeführt wird, so zwar, daß p1b_567.006
die letzte Verszeile jeder Strophe immer eine Verszeile des Themas p1b_567.007
der Reihe nach darstellt. Man könnte daher die Glosse als Variationen p1b_567.008
über ein bestimmtes Thema bezeichnen, weil jede Decime derselben mit p1b_567.009
einer Zeile dieses Themas geschlossen werden muß.

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Es erhellet, daß die letzten Zeilen der einzelnen Strophen in ihrer Zusammenstellung p1b_567.011
das Thema wieder ergeben müssen. Selbstredend haben diese p1b_567.012
Zeilen am Schlusse der Decimen mit deren Jnhalt in solchem Zusammenhang p1b_567.013
zu stehen, daß es scheint, als wäre gar keine Rücksicht auf das vorher gegebene p1b_567.014
Thema genommen.

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Die Glosse wurde durch Philipp von Zesen (+ 1689) in unsere p1b_567.016
Litteratur eingeführt, worauf sie vergessen war, bis ihr die Gebrüder Schlegel, p1b_567.017
- die ihr den Namen Variationen beilegten - bleibende Aufnahme sicherten. p1b_567.018
Bekannt sind die Glossen über das Thema von Tieck:

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Liebe denkt in süßen Tönen, p1b_567.020
Denn Gedanken steh'n zu fern; p1b_567.021
Nur in Tönen mag sie gern p1b_567.022
Alles, was sie will, verschönen.

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Wie ein Specimen wurde dieses Thema dreimal von A. W. Schlegel p1b_567.024
bearbeitet, zweimal von einer Dichterfreundin Schlegels (vgl. A. W. Schlegels p1b_567.025
Werke I. 146 ff.), einmal von Fr. Schlegel, sodann von E. Schulze, von p1b_567.026
Gottwalt, von Tieck, von Platen und von Uhland. Rückert hat neben decimenartigen p1b_567.027
Glossen auch nicht=decimenmäßige geschrieben, z. B. Ges. Ausg. I. p1b_567.028
521. II. 449. VII
. 326. 433. 463. Ebenso schrieb Platen eine Glosse in p1b_567.029
6zeiligen und eine in 8zeiligen Strophen. (Vgl. Werke I. 85 und 220.)

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Beispiele der Glosse:

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Die Sprache der Liebe.

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Liebe denkt in süßen Tönen, p1b_567.033
Denn Gedanken steh'n zu fern; p1b_567.034
Nur in Tönen mag sie gern p1b_567.035
Alles, was sie will, verschönen.
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(Tieck.)

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Worte sind nur dumpfe Zeichen, p1b_567.038
Die Gemüter zu entziffern p1b_567.039
Und mit Zügen, Linien, Ziffern, p1b_567.040
Läßt sich Wissenschaft erreichen. p1b_567.041
Doch aus den äther'schen Reichen p1b_567.042
Läßt ein Bild des ew'gen Schönen p1b_567.043
Nieder zu der Erde Söhnen p1b_567.044
Nur in Bild und Ton sich schicken: p1b_567.045
Liebe spricht in hellen Blicken, p1b_567.046
Liebe denkt in süßen Tönen.
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§ 174. Die Glosse.

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Glosse (vom griechischen γλῶσσα == Erklärung) ist eine aus dem p1b_567.003
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Es erhellet, daß die letzten Zeilen der einzelnen Strophen in ihrer Zusammenstellung p1b_567.011
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Die Glosse wurde durch Philipp von Zesen († 1689) in unsere p1b_567.016
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Liebe denkt in süßen Tönen, p1b_567.020
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Wie ein Specimen wurde dieses Thema dreimal von A. W. Schlegel p1b_567.024
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Beispiele der Glosse:

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Die Sprache der Liebe.

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(Tieck.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/601>, abgerufen am 25.11.2024.