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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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behrlich gewordene Kunstmittel, durch die ihm neue, seinen Schwung p1b_026.002
beflügelnde Gedankenreihen erblühn.

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Goethes Worte in Torquato Tasso charakterisieren den Dichter:

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Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum; p1b_026.005
Sein Ohr vernimmt den Einklang der Natur; p1b_026.006
Was die Geschichte reicht, das Leben giebt, p1b_026.007
Sein Busen nimmt es gleich und willig auf: p1b_026.008
Das weit Zerstreute sammelt sein Gemüt, p1b_026.009
Und sein Gefühl belebt das Unbelebte. p1b_026.010
Oft adelt er, was uns gemein erschien, p1b_026.011
Und das Geschätzte wird vor ihm zu nichts. p1b_026.012
Jn diesem eignen Zauberkreise wandelt p1b_026.013
Der wunderbare Mann und zieht uns an, p1b_026.014
Mit ihm zu wandeln, Teil an ihm zu nehmen: p1b_026.015
Er scheint sich uns zu nahn und bleibt uns fern; p1b_026.016
Er scheint uns anzusehn und Geister mögen p1b_026.017
An unsrer Stelle seltsam ihm erscheinen.

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Die Frage: wer ist ein Dichter, wurde mit großer Lebhaftigkeit in p1b_026.019
der Mitte des vorigen Jahrhunderts erörtert. Die eine Partei (Gottsched und p1b_026.020
seine Anhänger) empfahl die Franzosen als Muster und fand zu einem guten p1b_026.021
Gedicht nichts weiter nötig, als regelrechten Vers und fließende Sprache. Die p1b_026.022
andere Partei (Bodmer und Breitinger) behauptete dagegen mit schließlichem p1b_026.023
Erfolge, daß zwar die Form in der Poesie nichts Gleichgültiges sei, daß aber p1b_026.024
besonders eine glückliche Phantasie und Fülle der Gedanken p1b_026.025
den wahren Dichter ausmache
(vgl. hierzu das beachtenswerte Urteil p1b_026.026
des Horaz: Sat. I, 4, 43, sowie I, 4, 54). Jnzwischen haben die anerkanntesten p1b_026.027
Dichter unserer Nation Stellung zu dieser Frage genommen. Schiller p1b_026.028
sagt: "Jeden, der im Stande ist, seinen Empfindungszustand in ein Objekt zu p1b_026.029
legen, so, daß dieses Objekt mich nötigt, in jenen Empfindungszustand überzugehen, p1b_026.030
folglich lebendig auf mich wirkt, nenne ich einen Dichter."

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Jn den "vier Weltaltern" setzt er hinzu:

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Jhm (dem Dichter) gaben die Götter das reine Gemüt, p1b_026.033
Wo die Welt sich, die ewige, spiegelt; p1b_026.034
Er hat alles geseh'n, was auf Erden geschieht, p1b_026.035
Und was uns die Zukunft versiegelt; p1b_026.036
Er saß in der Götter urältestem Rat p1b_026.037
Und behorchte der Dinge geheimste Saat.
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Er breitet es lustig und glänzend aus, p1b_026.039
Das zusammengefaltete Leben; p1b_026.040
Zum Tempel schmückt er das irdische Haus, p1b_026.041
Jhm hat es die Muse gegeben; p1b_026.042
Kein Dach ist so niedrig, keine Hütte so klein, p1b_026.043
Er führt einen Himmel voll Götter hinein.

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Rückert beweist den Dichter, indem er definierend ausruft:

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Maß und Maß nur macht den Dichter; p1b_026.046
Grundstein zwar ist der Gehalt, p1b_026.047
Doch der Schlußstein die Gestalt.

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behrlich gewordene Kunstmittel, durch die ihm neue, seinen Schwung p1b_026.002
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Goethes Worte in Torquato Tasso charakterisieren den Dichter:

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Sein Auge weilt auf dieser Erde kaum; p1b_026.005
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Jn den „vier Weltaltern“ setzt er hinzu:

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/60>, abgerufen am 24.11.2024.