Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_545.001 Mit dem ich oft die Bettenburg umschritt, p1b_545.002 Die gastliche, wo ich fast Heimrecht hatte; p1b_545.003 Zum Grab gelangt ist längst sein müder Tritt; p1b_545.004 Kühl über seine Ruhe sei der Schatte p1b_545.005 Und feierlich der Abendlüfte Spiel p1b_545.006 Mit des von ihm gepflanzten Haines Blatte! p1b_545.007 Dies Lispeln auch von müß'gem Dichterkiel p1b_545.008 Soll ihm geweiht zum Angedenken dauern, p1b_545.009 Nicht weil es mir, nur weil es ihm gefiel. p1b_545.010 p1b_545.013Fort wachs' es mit dem Moos der alten Mauern, p1b_545.011 Und mit den Gräsern unter jenem Baum, p1b_545.012 Die dort noch flüstern bei der Nachtluft Schauern Von Flor und Blankflor den idyllschen Traum. p1b_545.014(Fr. Rückert.) p1b_545.015c. Jn unsers Lebenspfades Mitte fand p1b_545.016 Jch mich in einem finstern Wald verschlagen, p1b_545.017 Weil ich die rechte Straße nicht erkannt. p1b_545.018 Ach, hart und schwierig, wie er war zu sagen, p1b_545.019 Der Wald, so rauh und wild und mächtig sehr, p1b_545.020 Daß im Gedanken sich erneut das Zagen; p1b_545.021 So bitter, daß der Tod nur wenig mehr! p1b_545.022 Doch zu besprechen, was ich fand zum Frommen, p1b_545.023 Sag' ich vom Andern auch, ob noch so schwer. p1b_545.024 Jch weiß nicht recht, wie ich hineingekommen, p1b_545.025 So voller Schlaf war ich an jener Stelle, p1b_545.026 Wo ich vom wahren Wege abgekommen. p1b_545.027 Doch als ich stand an eines Hügels Schwelle, p1b_545.028 Da, wo das Thal sich schloß vor meinen Blicken, p1b_545.029 Das mir mit Furcht getrübt des Herzens Welle, - p1b_545.030 Schaut' ich empor und sah des Berges Rücken p1b_545.031 Schon mit den Strahlen des Gestirns erfüllt, p1b_545.032 Das Jeden pflegt auf rechte Bahn zu schicken. p1b_545.033 p1b_545.036Da ward ein wenig mir die Furcht gestillt p1b_545.034 Jm See des Herzens, den sie schlug in Bande p1b_545.035 Die Nacht hindurch, die mich so bang umhüllt. (Aus Dantes göttlicher Komödie. Übersetzt von Bernd von Guseck. 1. Gesang.) p1b_545.037 § 167. Ritornelle. p1b_545.038 p1b_545.041 p1b_545.001 Mit dem ich oft die Bettenburg umschritt, p1b_545.002 Die gastliche, wo ich fast Heimrecht hatte; p1b_545.003 Zum Grab gelangt ist längst sein müder Tritt; p1b_545.004 Kühl über seine Ruhe sei der Schatte p1b_545.005 Und feierlich der Abendlüfte Spiel p1b_545.006 Mit des von ihm gepflanzten Haines Blatte! p1b_545.007 Dies Lispeln auch von müß'gem Dichterkiel p1b_545.008 Soll ihm geweiht zum Angedenken dauern, p1b_545.009 Nicht weil es mir, nur weil es ihm gefiel. p1b_545.010 p1b_545.013Fort wachs' es mit dem Moos der alten Mauern, p1b_545.011 Und mit den Gräsern unter jenem Baum, p1b_545.012 Die dort noch flüstern bei der Nachtluft Schauern Von Flor und Blankflor den idyllschen Traum. p1b_545.014(Fr. Rückert.) p1b_545.015c. Jn unsers Lebenspfades Mitte fand p1b_545.016 Jch mich in einem finstern Wald verschlagen, p1b_545.017 Weil ich die rechte Straße nicht erkannt. p1b_545.018 Ach, hart und schwierig, wie er war zu sagen, p1b_545.019 Der Wald, so rauh und wild und mächtig sehr, p1b_545.020 Daß im Gedanken sich erneut das Zagen; p1b_545.021 So bitter, daß der Tod nur wenig mehr! p1b_545.022 Doch zu besprechen, was ich fand zum Frommen, p1b_545.023 Sag' ich vom Andern auch, ob noch so schwer. p1b_545.024 Jch weiß nicht recht, wie ich hineingekommen, p1b_545.025 So voller Schlaf war ich an jener Stelle, p1b_545.026 Wo ich vom wahren Wege abgekommen. p1b_545.027 Doch als ich stand an eines Hügels Schwelle, p1b_545.028 Da, wo das Thal sich schloß vor meinen Blicken, p1b_545.029 Das mir mit Furcht getrübt des Herzens Welle, ─ p1b_545.030 Schaut' ich empor und sah des Berges Rücken p1b_545.031 Schon mit den Strahlen des Gestirns erfüllt, p1b_545.032 Das Jeden pflegt auf rechte Bahn zu schicken. p1b_545.033 p1b_545.036Da ward ein wenig mir die Furcht gestillt p1b_545.034 Jm See des Herzens, den sie schlug in Bande p1b_545.035 Die Nacht hindurch, die mich so bang umhüllt. (Aus Dantes göttlicher Komödie. Übersetzt von Bernd von Guseck. 1. Gesang.) p1b_545.037 § 167. Ritornelle. p1b_545.038 p1b_545.041 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0579" n="545"/> <lb n="p1b_545.001"/> <lg> <l>Mit dem ich oft die Bettenburg umschritt,</l> <lb n="p1b_545.002"/> <l>Die gastliche, wo ich fast Heimrecht hatte;</l> <lb n="p1b_545.003"/> <l>Zum Grab gelangt ist längst sein müder Tritt; </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.004"/> <l>Kühl über seine Ruhe sei der Schatte</l> <lb n="p1b_545.005"/> <l>Und feierlich der Abendlüfte Spiel</l> <lb n="p1b_545.006"/> <l>Mit des von ihm gepflanzten Haines Blatte! </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.007"/> <l>Dies Lispeln auch von müß'gem Dichterkiel</l> <lb n="p1b_545.008"/> <l>Soll ihm geweiht zum Angedenken dauern,</l> <lb n="p1b_545.009"/> <l>Nicht weil es mir, nur weil es ihm gefiel. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.010"/> <l>Fort wachs' es mit dem Moos der alten Mauern,</l> <lb n="p1b_545.011"/> <l>Und mit den Gräsern unter jenem Baum,</l> <lb n="p1b_545.012"/> <l>Die dort noch flüstern bei der Nachtluft Schauern</l> </lg> <lb n="p1b_545.013"/> <p> <hi rendition="#right">Von Flor und Blankflor den idyllschen Traum.</hi> </p> <lb n="p1b_545.014"/> <p> <hi rendition="#right">(Fr. Rückert.)</hi> </p> <lb n="p1b_545.015"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">c</hi>.</p> <lg> <l>Jn unsers Lebenspfades Mitte fand</l> <lb n="p1b_545.016"/> <l>Jch mich in einem finstern Wald verschlagen,</l> <lb n="p1b_545.017"/> <l>Weil ich die rechte Straße nicht erkannt. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.018"/> <l>Ach, hart und schwierig, wie er war zu sagen,</l> <lb n="p1b_545.019"/> <l>Der Wald, so rauh und wild und mächtig sehr,</l> <lb n="p1b_545.020"/> <l>Daß im Gedanken sich erneut das Zagen; </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.021"/> <l>So bitter, daß der Tod nur wenig mehr!</l> <lb n="p1b_545.022"/> <l>Doch zu besprechen, was ich fand zum Frommen,</l> <lb n="p1b_545.023"/> <l>Sag' ich vom Andern auch, ob noch so schwer. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.024"/> <l>Jch weiß nicht recht, wie ich hineingekommen,</l> <lb n="p1b_545.025"/> <l>So voller Schlaf war ich an jener Stelle,</l> <lb n="p1b_545.026"/> <l>Wo ich vom wahren Wege abgekommen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.027"/> <l>Doch als ich stand an eines Hügels Schwelle,</l> <lb n="p1b_545.028"/> <l>Da, wo das Thal sich schloß vor meinen Blicken,</l> <lb n="p1b_545.029"/> <l>Das mir mit Furcht getrübt des Herzens Welle, ─ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.030"/> <l>Schaut' ich empor und sah des Berges Rücken</l> <lb n="p1b_545.031"/> <l>Schon mit den Strahlen des Gestirns erfüllt,</l> <lb n="p1b_545.032"/> <l>Das Jeden pflegt auf rechte Bahn zu schicken. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_545.033"/> <l>Da ward ein wenig mir die Furcht gestillt</l> <lb n="p1b_545.034"/> <l>Jm See des Herzens, den sie schlug in Bande</l> <lb n="p1b_545.035"/> <l>Die Nacht hindurch, die mich so bang umhüllt.</l> </lg> <lb n="p1b_545.036"/> <p> <hi rendition="#right">(Aus Dantes göttlicher Komödie. Übersetzt von Bernd von Guseck. 1. Gesang.)</hi> </p> </div> <div n="4"> <lb n="p1b_545.037"/> <head> <hi rendition="#c">§ 167. Ritornelle.</hi> </head> <p><lb n="p1b_545.038"/> Eine einzelne für sich verständliche Terzine wird Ritornell genannt. <lb n="p1b_545.039"/> Es ist eine lyrische, jambische, 3zeilige Strophe mit der Assonanz oder <lb n="p1b_545.040"/> dem Reim <hi rendition="#aq">a x a</hi>, ein dreizeiliges Sinngedicht oder ein Epigramm.</p> <p><lb n="p1b_545.041"/> Die Ritornelle sind italienischen Ursprungs, wo sie von Jacopo Peri schon <lb n="p1b_545.042"/> um 1600 angewandt wurden. Jn der italienischen Volkspoesie waren es kleine <lb n="p1b_545.043"/> improvisierte Volksliedchen, eine Art italienischer <hi rendition="#g">Schnadahüpfl.</hi> Die erste <lb n="p1b_545.044"/> Verszeile derselben kann kürzer sein als die andern. Häufig allitteriert die <lb n="p1b_545.045"/> zweite Zeile mit der ersten und dritten.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [545/0579]
p1b_545.001
Mit dem ich oft die Bettenburg umschritt, p1b_545.002
Die gastliche, wo ich fast Heimrecht hatte; p1b_545.003
Zum Grab gelangt ist längst sein müder Tritt;
p1b_545.004
Kühl über seine Ruhe sei der Schatte p1b_545.005
Und feierlich der Abendlüfte Spiel p1b_545.006
Mit des von ihm gepflanzten Haines Blatte!
p1b_545.007
Dies Lispeln auch von müß'gem Dichterkiel p1b_545.008
Soll ihm geweiht zum Angedenken dauern, p1b_545.009
Nicht weil es mir, nur weil es ihm gefiel.
p1b_545.010
Fort wachs' es mit dem Moos der alten Mauern, p1b_545.011
Und mit den Gräsern unter jenem Baum, p1b_545.012
Die dort noch flüstern bei der Nachtluft Schauern
p1b_545.013
Von Flor und Blankflor den idyllschen Traum.
p1b_545.014
(Fr. Rückert.)
p1b_545.015
c.
Jn unsers Lebenspfades Mitte fand p1b_545.016
Jch mich in einem finstern Wald verschlagen, p1b_545.017
Weil ich die rechte Straße nicht erkannt.
p1b_545.018
Ach, hart und schwierig, wie er war zu sagen, p1b_545.019
Der Wald, so rauh und wild und mächtig sehr, p1b_545.020
Daß im Gedanken sich erneut das Zagen;
p1b_545.021
So bitter, daß der Tod nur wenig mehr! p1b_545.022
Doch zu besprechen, was ich fand zum Frommen, p1b_545.023
Sag' ich vom Andern auch, ob noch so schwer.
p1b_545.024
Jch weiß nicht recht, wie ich hineingekommen, p1b_545.025
So voller Schlaf war ich an jener Stelle, p1b_545.026
Wo ich vom wahren Wege abgekommen.
p1b_545.027
Doch als ich stand an eines Hügels Schwelle, p1b_545.028
Da, wo das Thal sich schloß vor meinen Blicken, p1b_545.029
Das mir mit Furcht getrübt des Herzens Welle, ─
p1b_545.030
Schaut' ich empor und sah des Berges Rücken p1b_545.031
Schon mit den Strahlen des Gestirns erfüllt, p1b_545.032
Das Jeden pflegt auf rechte Bahn zu schicken.
p1b_545.033
Da ward ein wenig mir die Furcht gestillt p1b_545.034
Jm See des Herzens, den sie schlug in Bande p1b_545.035
Die Nacht hindurch, die mich so bang umhüllt.
p1b_545.036
(Aus Dantes göttlicher Komödie. Übersetzt von Bernd von Guseck. 1. Gesang.)
p1b_545.037
§ 167. Ritornelle. p1b_545.038
Eine einzelne für sich verständliche Terzine wird Ritornell genannt. p1b_545.039
Es ist eine lyrische, jambische, 3zeilige Strophe mit der Assonanz oder p1b_545.040
dem Reim a x a, ein dreizeiliges Sinngedicht oder ein Epigramm.
p1b_545.041
Die Ritornelle sind italienischen Ursprungs, wo sie von Jacopo Peri schon p1b_545.042
um 1600 angewandt wurden. Jn der italienischen Volkspoesie waren es kleine p1b_545.043
improvisierte Volksliedchen, eine Art italienischer Schnadahüpfl. Die erste p1b_545.044
Verszeile derselben kann kürzer sein als die andern. Häufig allitteriert die p1b_545.045
zweite Zeile mit der ersten und dritten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |