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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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6. Beispiel aus Th. Souchays Feldblomen (Plattd. Husfründ, 1876):

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An Enen, de nix vun't Plattdütsch will.

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Nu will'k mal sehn, wo't geit plattdütsch so snacken. (== sprechen) p1b_540.004
Un op so'n Art, wa man "Sonett" to seggt, (== sagt) p1b_540.005
De klingt so nett, wenn jümmer grad un recht p1b_540.006
Un nich verdreit de Sätz tosamenhacken.
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Schimp nich op't Plattdütsch! lat mi Groffbrod backen! - p1b_540.008
Wenn du't dörchut nich magst un't smeckt di slecht, p1b_540.009
So is't Gesmack, un min Gesmack de pleggt (== pflegt) p1b_540.010
Doch sünst grad ok nich dowe Noet (== taube Nüsse) to knacken.
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Wit vun de Heimat klingt dat as Musik, p1b_540.012
Wenn mi op hollsteensch Platt en Gruß mal kam', p1b_540.013
Un hör ik de Musik, mutt ik ok singen.
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So lat mi denn! - un is di dat ok glik - p1b_540.015
Jk sing Duett mit mine platte Dam', p1b_540.016
Un kiek (== sieh), min Jung, mi dücht, nich slecht deit't (== thut es) klingen.

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7. Jm weitesten Sinn nennt man schon einen inhaltlich zusammengehörigen p1b_540.018
Cyklus von Sonetten einen Sonettenkranz (z. B. Agnes Totenfeier, ferner p1b_540.019
Amaryllis von Rückert, Hohe Liebe von Franz Dingelstedt &c.). Jm engeren p1b_540.020
Sinne versteht man unter Sonettenkranz fünfzehn so gebaute Sonette, daß zur p1b_540.021
Anfangszeile jedes folgenden Sonetts je die Schlußzeile des ihm vorhergehenden p1b_540.022
Sonetts genommen wird. Als Schlußzeile des vierzehnten Sonetts dient sodann p1b_540.023
die Anfangszeile des ersten Sonetts. Die sämtlichen Anfangszeilen der ersten p1b_540.024
vierzehn Sonette der Reihe nach bilden das fünfzehnte Sonett, das den Namen p1b_540.025
Meistersonett trägt und mit den übrigen Sonetten selbstredend gemeinsamen p1b_540.026
Jnhalt und gleichen Reim hat. Als Beispiel eines Sonettenkranzes bieten wir p1b_540.027
den folgenden von Th. Souchay (Jn der Friedhofskapelle zu München):

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[Beginn Spaltensatz]

I.

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Da liegen sie, die kaum erstarrten Leichen! p1b_540.030
Den Tod nicht ahnend schieden hin die einen, p1b_540.031
Gestreift kaum von des Lenzes hellen Scheinen, p1b_540.032
Wie Knospen fallen vor der Sense Streichen.
p1b_540.033
Die andern mußten mit Bewußtsein weichen, p1b_540.034
Sie sahen ihre Lieben um sich weinen, p1b_540.035
Und hoffend auf ein seliges Vereinen p1b_540.036
Erfaßten sie die Hand des Tod's, des bleichen.
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Was ist das Leben? - Stetes Kommen, Gehen. - p1b_540.038
Woher? wohin? wozu? - Unnütze Fragen! p1b_540.039
Aus bleibt die Antwort. Niemand kann es sagen.
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Auf kurze Freuden folgen lange Wehen, p1b_540.041
Dann werden wir versenkt nach viel Beschwerde p1b_540.042
Jm frischen Schmuck, - dem letzten dieser Erde!
[Spaltenumbruch] p1b_540.101

II.

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Jm frischen Schmuck, dem letzten dieser Erde, p1b_540.103
Den uns die Liebe gab mit heißen Thränen, p1b_540.104
Jm Blumenschmuck, dem farbig=duftig=schönen, p1b_540.105
So folgen wir der hingegangnen Herde.
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Den düstern Wagen langsam ziehn die Pferde, p1b_540.107
Mit Flor umhangen Leib und Hals und Mähnen, p1b_540.108
Das Grab, es starrt uns an mit grausem Gähnen, p1b_540.109
Und Sehnsucht klagt an dem verlaß'nen Herde.
p1b_540.110
Die Blumen welken, die Gebeine modern, p1b_540.111
Hoch über Gräbern lachen Sonnenstrahlen; - p1b_540.112
Jst es ein Zeichen überwundner Qualen?
p1b_540.113
Ein Zeichen Gottes? Jst's ein Freudenlodern? - p1b_540.114
Wir wissen's nicht. Wir hoffen's ohn' Gefährde: p1b_540.115
"Der Geist, befreit von jeglicher Beschwerde."
[Ende Spaltensatz]

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6. Beispiel aus Th. Souchays Feldblomen (Plattd. Husfründ, 1876):

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An Enen, de nix vun't Plattdütsch will.

p1b_540.003
Nu will'k mal sehn, wo't geit plattdütsch so snacken. (== sprechen) p1b_540.004
Un op so'n Art, wa man „Sonett“ to seggt, (== sagt) p1b_540.005
De klingt so nett, wenn jümmer grad un recht p1b_540.006
Un nich verdreit de Sätz tosamenhacken.
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Wit vun de Heimat klingt dat as Musik, p1b_540.012
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So lat mi denn! ─ un is di dat ok glik ─ p1b_540.015
Jk sing Duett mit mine platte Dam', p1b_540.016
Un kiek (== sieh), min Jung, mi dücht, nich slecht deit't (== thut es) klingen.

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7. Jm weitesten Sinn nennt man schon einen inhaltlich zusammengehörigen p1b_540.018
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Amaryllis von Rückert, Hohe Liebe von Franz Dingelstedt &c.). Jm engeren p1b_540.020
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Meistersonett trägt und mit den übrigen Sonetten selbstredend gemeinsamen p1b_540.026
Jnhalt und gleichen Reim hat. Als Beispiel eines Sonettenkranzes bieten wir p1b_540.027
den folgenden von Th. Souchay (Jn der Friedhofskapelle zu München):

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[Beginn Spaltensatz]

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p1b_540.029
Da liegen sie, die kaum erstarrten Leichen! p1b_540.030
Den Tod nicht ahnend schieden hin die einen, p1b_540.031
Gestreift kaum von des Lenzes hellen Scheinen, p1b_540.032
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Was ist das Leben? ─ Stetes Kommen, Gehen. ─ p1b_540.038
Woher? wohin? wozu? ─ Unnütze Fragen! p1b_540.039
Aus bleibt die Antwort. Niemand kann es sagen.
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Dann werden wir versenkt nach viel Beschwerde p1b_540.042
Jm frischen Schmuck, ─ dem letzten dieser Erde!
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Jm frischen Schmuck, dem letzten dieser Erde, p1b_540.103
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Jm Blumenschmuck, dem farbig=duftig=schönen, p1b_540.105
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[540/0574] p1b_540.001 6. Beispiel aus Th. Souchays Feldblomen (Plattd. Husfründ, 1876): p1b_540.002 An Enen, de nix vun't Plattdütsch will. p1b_540.003 Nu will'k mal sehn, wo't geit plattdütsch so snacken. (== sprechen) p1b_540.004 Un op so'n Art, wa man „Sonett“ to seggt, (== sagt) p1b_540.005 De klingt so nett, wenn jümmer grad un recht p1b_540.006 Un nich verdreit de Sätz tosamenhacken. p1b_540.007 Schimp nich op't Plattdütsch! lat mi Groffbrod backen! ─ p1b_540.008 Wenn du't dörchut nich magst un't smeckt di slecht, p1b_540.009 So is't Gesmack, un min Gesmack de pleggt (== pflegt) p1b_540.010 Doch sünst grad ok nich dowe Noet (== taube Nüsse) to knacken. p1b_540.011 Wit vun de Heimat klingt dat as Musik, p1b_540.012 Wenn mi op hollsteensch Platt en Gruß mal kam', p1b_540.013 Un hör ik de Musik, mutt ik ok singen. p1b_540.014 So lat mi denn! ─ un is di dat ok glik ─ p1b_540.015 Jk sing Duett mit mine platte Dam', p1b_540.016 Un kiek (== sieh), min Jung, mi dücht, nich slecht deit't (== thut es) klingen. p1b_540.017 7. Jm weitesten Sinn nennt man schon einen inhaltlich zusammengehörigen p1b_540.018 Cyklus von Sonetten einen Sonettenkranz (z. B. Agnes Totenfeier, ferner p1b_540.019 Amaryllis von Rückert, Hohe Liebe von Franz Dingelstedt &c.). Jm engeren p1b_540.020 Sinne versteht man unter Sonettenkranz fünfzehn so gebaute Sonette, daß zur p1b_540.021 Anfangszeile jedes folgenden Sonetts je die Schlußzeile des ihm vorhergehenden p1b_540.022 Sonetts genommen wird. Als Schlußzeile des vierzehnten Sonetts dient sodann p1b_540.023 die Anfangszeile des ersten Sonetts. Die sämtlichen Anfangszeilen der ersten p1b_540.024 vierzehn Sonette der Reihe nach bilden das fünfzehnte Sonett, das den Namen p1b_540.025 Meistersonett trägt und mit den übrigen Sonetten selbstredend gemeinsamen p1b_540.026 Jnhalt und gleichen Reim hat. Als Beispiel eines Sonettenkranzes bieten wir p1b_540.027 den folgenden von Th. Souchay (Jn der Friedhofskapelle zu München): p1b_540.028 I. p1b_540.029 Da liegen sie, die kaum erstarrten Leichen! p1b_540.030 Den Tod nicht ahnend schieden hin die einen, p1b_540.031 Gestreift kaum von des Lenzes hellen Scheinen, p1b_540.032 Wie Knospen fallen vor der Sense Streichen. p1b_540.033 Die andern mußten mit Bewußtsein weichen, p1b_540.034 Sie sahen ihre Lieben um sich weinen, p1b_540.035 Und hoffend auf ein seliges Vereinen p1b_540.036 Erfaßten sie die Hand des Tod's, des bleichen. p1b_540.037 Was ist das Leben? ─ Stetes Kommen, Gehen. ─ p1b_540.038 Woher? wohin? wozu? ─ Unnütze Fragen! p1b_540.039 Aus bleibt die Antwort. Niemand kann es sagen. p1b_540.040 Auf kurze Freuden folgen lange Wehen, p1b_540.041 Dann werden wir versenkt nach viel Beschwerde p1b_540.042 Jm frischen Schmuck, ─ dem letzten dieser Erde! p1b_540.101 II. p1b_540.102 Jm frischen Schmuck, dem letzten dieser Erde, p1b_540.103 Den uns die Liebe gab mit heißen Thränen, p1b_540.104 Jm Blumenschmuck, dem farbig=duftig=schönen, p1b_540.105 So folgen wir der hingegangnen Herde. p1b_540.106 Den düstern Wagen langsam ziehn die Pferde, p1b_540.107 Mit Flor umhangen Leib und Hals und Mähnen, p1b_540.108 Das Grab, es starrt uns an mit grausem Gähnen, p1b_540.109 Und Sehnsucht klagt an dem verlaß'nen Herde. p1b_540.110 Die Blumen welken, die Gebeine modern, p1b_540.111 Hoch über Gräbern lachen Sonnenstrahlen; ─ p1b_540.112 Jst es ein Zeichen überwundner Qualen? p1b_540.113 Ein Zeichen Gottes? Jst's ein Freudenlodern? ─ p1b_540.114 Wir wissen's nicht. Wir hoffen's ohn' Gefährde: p1b_540.115 „Der Geist, befreit von jeglicher Beschwerde.“

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/574>, abgerufen am 22.11.2024.