p1b_519.001 2. Bei den auf die Distichen folgenden Systemen schlossen in der Regel p1b_519.002 zwei längere Verse mit einem kürzeren. Die nur zu Oden oder Chören verwendeten p1b_519.003 Systeme hießen die melischen (lyrischen) Strophen. Sie enthielten p1b_519.004 eigentlich 4 Zeilen und waren je nach der Messung zwei- und mehrgliedrig.
p1b_519.005 § 161. Vierzeilige antike Strophen.
p1b_519.006 Von den vierzeiligen Strophen der Griechen haben folgende sechsp1b_519.007 nach ihren Erfindern benannte Formen Eingang in unsere Litteratur p1b_519.008 gefunden: 1. die sapphische Strophe, 2. die alkäische, 3. die asklepiadeische, p1b_519.009 4. die pherekratische, 5. die glykonische, 6. die phaläkische.
p1b_519.010 1. Die sapphische Strophe.
p1b_519.011 Diese bei uns so beliebt gewordene trochäisch=daktylische Strophe p1b_519.012 dankt ihren Namen der griechischen Dichterin Sappho (geb. 612, p1b_519.013 + 550) von Mitylene, der Hauptstadt auf der Jnsel Lesbos. Sappho p1b_519.014 dichtete in derselben Liebeslieder und Oden, (z. B. an die Aphrodite, p1b_519.015 vgl. die deutsche Nachbildung in Geibels klass. Liederbuch S. 37). p1b_519.016 Die Strophe enthält zwei Kola, ist also ein dikolisches Tetrastichon. p1b_519.017 Jhr Schema zeigt, daß sie aus drei übereinstimmenden sapphischen und p1b_519.018 einem adonischen Verse besteht:
p1b_519.019
- Breve - - | Breve Breve - Breve - p1b_519.020 - Breve - - | Breve Breve - Breve - p1b_519.021 - Breve - - | Breve Breve - Breve - p1b_519.022 - Breve Breve -
p1b_519.023 Beispiele:
p1b_519.024
Hochbeglückt wie selige Götter däucht mirp1b_519.025 Wem dir tief in's Auge zu schaun und lauschendp1b_519.026 An dem Wohllaut deines Gesprächs zu hangenp1b_519.027 Täglich vergönnt ist.
p1b_519.028 Und am Sehnsucht weckenden Reiz des Mundes;p1b_519.029 Doch mir schrickt im Busen das Herz zusammen,p1b_519.030 Wenn du nahst, beklommen versagt die Stimmep1b_519.031 Jeglichen Laut mir.
p1b_519.032
(Geibels Nachbildung eines Liebeslieds der Sappho a. a. O. S. 39.)
p1b_519.033 Ähnlich wie Horaz haben auch Platen und Voß an den Anfang der p1b_519.034 3 ersten Verse der sapphischen Strophe an Stelle eines Ditrochäus den 2. Epitrit p1b_519.035 (- Breve - -) gesetzt, um dadurch dem Verse mehr Kraft und gehaltenen Ernst p1b_519.036 zu verleihen. Man vgl. das folgende Beispiel Platens:
p1b_519.037
Oder Denkstein, riesig und ernst beschaust dup1b_519.038 Trünmmer bloß, Grabhügel, den Scherbenberg dort,p1b_519.039 Hier die weltschuttführende, weg von Rom sichp1b_519.040 Wendende Tiber!
p1b_519.001 2. Bei den auf die Distichen folgenden Systemen schlossen in der Regel p1b_519.002 zwei längere Verse mit einem kürzeren. Die nur zu Oden oder Chören verwendeten p1b_519.003 Systeme hießen die melischen (lyrischen) Strophen. Sie enthielten p1b_519.004 eigentlich 4 Zeilen und waren je nach der Messung zwei- und mehrgliedrig.
p1b_519.005 § 161. Vierzeilige antike Strophen.
p1b_519.006 Von den vierzeiligen Strophen der Griechen haben folgende sechsp1b_519.007 nach ihren Erfindern benannte Formen Eingang in unsere Litteratur p1b_519.008 gefunden: 1. die sapphische Strophe, 2. die alkäische, 3. die asklepiadeische, p1b_519.009 4. die pherekratische, 5. die glykonische, 6. die phaläkische.
p1b_519.010 1. Die sapphische Strophe.
p1b_519.011 Diese bei uns so beliebt gewordene trochäisch=daktylische Strophe p1b_519.012 dankt ihren Namen der griechischen Dichterin Sappho (geb. 612, p1b_519.013 † 550) von Mitylene, der Hauptstadt auf der Jnsel Lesbos. Sappho p1b_519.014 dichtete in derselben Liebeslieder und Oden, (z. B. an die Aphrodite, p1b_519.015 vgl. die deutsche Nachbildung in Geibels klass. Liederbuch S. 37). p1b_519.016 Die Strophe enthält zwei Kola, ist also ein dikolisches Tetrastichon. p1b_519.017 Jhr Schema zeigt, daß sie aus drei übereinstimmenden sapphischen und p1b_519.018 einem adonischen Verse besteht:
Hochbeglückt wie selige Götter däucht mirp1b_519.025 Wem dir tief in's Auge zu schaun und lauschendp1b_519.026 An dem Wohllaut deines Gesprächs zu hangenp1b_519.027 Täglich vergönnt ist.
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(Geibels Nachbildung eines Liebeslieds der Sappho a. a. O. S. 39.)
p1b_519.033 Ähnlich wie Horaz haben auch Platen und Voß an den Anfang der p1b_519.034 3 ersten Verse der sapphischen Strophe an Stelle eines Ditrochäus den 2. Epitrit p1b_519.035 (– ⏑ – –) gesetzt, um dadurch dem Verse mehr Kraft und gehaltenen Ernst p1b_519.036 zu verleihen. Man vgl. das folgende Beispiel Platens:
p1b_519.037
Ȫdĕr Dēnkstēin, riesig und ernst beschaust dup1b_519.038 Trǖmmĕr blōß, Grābhügel, den Scherbenberg dort,p1b_519.039 Hīer dĭe wēltschūttführende, weg von Rom sichp1b_519.040 Wendende Tiber!
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§ 161. Vierzeilige antike Strophen. p1b_519.006
Von den vierzeiligen Strophen der Griechen haben folgende sechs p1b_519.007
nach ihren Erfindern benannte Formen Eingang in unsere Litteratur p1b_519.008
gefunden: 1. die sapphische Strophe, 2. die alkäische, 3. die asklepiadeische, p1b_519.009
4. die pherekratische, 5. die glykonische, 6. die phaläkische.
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1. Die sapphische Strophe.
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Diese bei uns so beliebt gewordene trochäisch=daktylische Strophe p1b_519.012
dankt ihren Namen der griechischen Dichterin Sappho (geb. 612, p1b_519.013
† 550) von Mitylene, der Hauptstadt auf der Jnsel Lesbos. Sappho p1b_519.014
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vgl. die deutsche Nachbildung in Geibels klass. Liederbuch S. 37). p1b_519.016
Die Strophe enthält zwei Kola, ist also ein dikolisches Tetrastichon. p1b_519.017
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Hochbeglückt wie selige Götter däucht mir p1b_519.025
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Doch mir schrickt im Busen das Herz zusammen, p1b_519.030
Wenn du nahst, beklommen versagt die Stimme p1b_519.031
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(Geibels Nachbildung eines Liebeslieds der Sappho a. a. O. S. 39.)
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Ähnlich wie Horaz haben auch Platen und Voß an den Anfang der p1b_519.034
3 ersten Verse der sapphischen Strophe an Stelle eines Ditrochäus den 2. Epitrit p1b_519.035
(– ⏑ – –) gesetzt, um dadurch dem Verse mehr Kraft und gehaltenen Ernst p1b_519.036
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Ȫdĕr Dēnkstēin, riesig und ernst beschaust du p1b_519.038
Trǖmmĕr blōß, Grābhügel, den Scherbenberg dort, p1b_519.039
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/553>, abgerufen am 25.11.2024.
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