Das Hänselchen nahm Klärchen,p1b_463.002 Schnitt mit dem Silberscherchenp1b_463.003 Jhr in das gold'ne Härchen;p1b_463.004 Da ging das gold'ne Härchenp1b_463.005 Entzwei am Silberscherchen;p1b_463.006 Da ging das Silberscherchenp1b_463.007 Entzwei am gold'nen Härchen,p1b_463.008 Da weinte laut das Klärchen u. s. w.
p1b_463.009 Erst durch das Studium unserer besten Dichter gelangt man zur Überzeugung, p1b_463.010 daß Maß und Reim keine zufälligen, willkürlichen Beschränkungen der p1b_463.011 deutschen Sprache sind, sondern daß sie unserem Gedankenausdrucke Reiz und p1b_463.012 Wirkung verleihen, ja, daß sie die mannigfachsten Äußerungen unserer Empfindungen p1b_463.013 und Gefühle unterstützen und verschönen.
p1b_463.014 § 143. Anforderungen an den Reim.
p1b_463.015 Die Anforderungen an den Reim umfassen: I. Reinheit, II. Neuheit, p1b_463.016 III. Wohlklang und IV. Würde desselben.
p1b_463.017 I. Reinheit des Reims.
p1b_463.018 Die Reinheit des Reims verlangt:
p1b_463.019 1. Gleichartigkeit des Klanges der Diphthonge und der Vokale.
p1b_463.020 2. Gleichartigkeit der Konsonanten.
p1b_463.021 3. Gleichartigkeit der Silbenquantität.
p1b_463.022 1. Gleichartigkeit des reimenden Klanges der Diphthonge und p1b_463.023 der Vokale.
p1b_463.024 Rein ist der Reim, bei welchem der betonte Diphthong oder Vokal übereinstimmt. p1b_463.025 Die Reinheit des Reims verlangt also, daß auf den Diphthong im p1b_463.026 Reimecho wieder ein Diphthong (z. B. schauen - bauen), auf den einfachen p1b_463.027 Vokal wieder ein einfacher (z. B. Wand - Hand), auf den kurzen Vokal p1b_463.028 wieder ein kurzer (z. B. Damm - Stamm), endlich auf den langen wieder p1b_463.029 ein langer folge (z. B. Lohn - Sohn).
p1b_463.030 a. Diphthonge. Unrein ist somit der Reim, wenn sich folgen:
p1b_463.031 ei - eu, z. B. leidvoll - freudvoll, Wein - freun, eitel - Beutel, p1b_463.032 Eiche - Seuche, neigen - beugen, schmeicheln - heucheln.
p1b_463.033 ai - eu, z. B. Mai - neu.
p1b_463.034 ai - äu, z. B. Kaiser - Häuser.
p1b_463.035 eu - äu, z. B. Heut - Geläut.
p1b_463.036 ei - äu, z. B. Weite - Geläute. Man vgl. Heines Frühlingslied:
p1b_463.037
Leise zieht durch mein Gemütp1b_463.038 Liebliches Geläute.p1b_463.039 Klinge, kleines Frühlingslied,p1b_463.040 Kling hinaus in's Weite!
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Das Hänselchen nahm Klärchen,p1b_463.002 Schnitt mit dem Silberscherchenp1b_463.003 Jhr in das gold'ne Härchen;p1b_463.004 Da ging das gold'ne Härchenp1b_463.005 Entzwei am Silberscherchen;p1b_463.006 Da ging das Silberscherchenp1b_463.007 Entzwei am gold'nen Härchen,p1b_463.008 Da weinte laut das Klärchen u. s. w.
p1b_463.009 Erst durch das Studium unserer besten Dichter gelangt man zur Überzeugung, p1b_463.010 daß Maß und Reim keine zufälligen, willkürlichen Beschränkungen der p1b_463.011 deutschen Sprache sind, sondern daß sie unserem Gedankenausdrucke Reiz und p1b_463.012 Wirkung verleihen, ja, daß sie die mannigfachsten Äußerungen unserer Empfindungen p1b_463.013 und Gefühle unterstützen und verschönen.
p1b_463.014 § 143. Anforderungen an den Reim.
p1b_463.015 Die Anforderungen an den Reim umfassen: I. Reinheit, II. Neuheit, p1b_463.016 III. Wohlklang und IV. Würde desselben.
p1b_463.017 I. Reinheit des Reims.
p1b_463.018 Die Reinheit des Reims verlangt:
p1b_463.019 1. Gleichartigkeit des Klanges der Diphthonge und der Vokale.
p1b_463.020 2. Gleichartigkeit der Konsonanten.
p1b_463.021 3. Gleichartigkeit der Silbenquantität.
p1b_463.022 1. Gleichartigkeit des reimenden Klanges der Diphthonge und p1b_463.023 der Vokale.
p1b_463.024 Rein ist der Reim, bei welchem der betonte Diphthong oder Vokal übereinstimmt. p1b_463.025 Die Reinheit des Reims verlangt also, daß auf den Diphthong im p1b_463.026 Reimecho wieder ein Diphthong (z. B. schauen ─ bauen), auf den einfachen p1b_463.027 Vokal wieder ein einfacher (z. B. Wand ─ Hand), auf den kurzen Vokal p1b_463.028 wieder ein kurzer (z. B. Damm ─ Stamm), endlich auf den langen wieder p1b_463.029 ein langer folge (z. B. Lohn ─ Sohn).
p1b_463.030 a. Diphthonge. Unrein ist somit der Reim, wenn sich folgen:
p1b_463.031 ei ─ eu, z. B. leidvoll ─ freudvoll, Wein ─ freun, eitel ─ Beutel, p1b_463.032 Eiche ─ Seuche, neigen ─ beugen, schmeicheln ─ heucheln.
p1b_463.033 ai ─ eu, z. B. Mai ─ neu.
p1b_463.034 ai ─ äu, z. B. Kaiser ─ Häuser.
p1b_463.035 eu ─ äu, z. B. Heut ─ Geläut.
p1b_463.036 ei ─ äu, z. B. Weite ─ Geläute. Man vgl. Heines Frühlingslied:
p1b_463.037
Leise zieht durch mein Gemütp1b_463.038 Liebliches Geläute.p1b_463.039 Klinge, kleines Frühlingslied,p1b_463.040 Kling hinaus in's Weite!
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Das Hänselchen nahm Klärchen, p1b_463.002
Schnitt mit dem Silberscherchen p1b_463.003
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Da ging das gold'ne Härchen p1b_463.005
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Erst durch das Studium unserer besten Dichter gelangt man zur Überzeugung, p1b_463.010
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deutschen Sprache sind, sondern daß sie unserem Gedankenausdrucke Reiz und p1b_463.012
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und Gefühle unterstützen und verschönen.
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§ 143. Anforderungen an den Reim. p1b_463.015
Die Anforderungen an den Reim umfassen: I. Reinheit, II. Neuheit, p1b_463.016
III. Wohlklang und IV. Würde desselben.
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I. Reinheit des Reims.
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Die Reinheit des Reims verlangt:
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1. Gleichartigkeit des Klanges der Diphthonge und der Vokale.
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3. Gleichartigkeit der Silbenquantität.
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1. Gleichartigkeit des reimenden Klanges der Diphthonge und p1b_463.023
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a. Diphthonge. Unrein ist somit der Reim, wenn sich folgen:
p1b_463.031
ei ─ eu, z. B. leidvoll ─ freudvoll, Wein ─ freun, eitel ─ Beutel, p1b_463.032
Eiche ─ Seuche, neigen ─ beugen, schmeicheln ─ heucheln.
p1b_463.033
ai ─ eu, z. B. Mai ─ neu.
p1b_463.034
ai ─ äu, z. B. Kaiser ─ Häuser.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/497>, abgerufen am 25.11.2024.
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