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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Zur Vergleichung diene folgendes französische Echo aus dem 16. Jahrhundert:

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Qui requiert fort et mesure et cadance? - Dance. p1b_438.004
Qui fait souvent aux nopces residence? - Dance. p1b_438.005
Qui fait encor filles en abondance? - Dance. p1b_438.006
Qui fait sauter fols par outrecuidance? - Dance. p1b_438.007
Qui est le grand ennemy de prudence? - Dance. p1b_438.008
Qui met aux frons cornes pour euidence? - Dance. p1b_438.009
Qui fait les biens tomber en decadence? - Dance.

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14. Kehrreim oder Refrain (Rundreim == versus intercalaris).

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Er ist eine stetige, regelmäßige Repetitionsform, bei welcher ebensowohl p1b_438.012
einzelne Worte (ja sogar Empfindungslaute), als ganze Sätze p1b_438.013
und Satzverbindungen wiederholt werden können. Wiederholung ganzer p1b_438.014
Zeilen oder Strophen nennt man Kehrzeilen und Kehrstrophen. Je p1b_438.015
nachdem der Kehrreim zu Anfang der Strophe oder in der Mitte, oder p1b_438.016
am Ende derselben vorkommt, nennen wir ihn Anfangs=, Mittel= oder p1b_438.017
Endkehrreim. Der End- oder Schlußkehrreim ist der wirkungsvollste, p1b_438.018
da in ihm wie in einer Spitze Ton und Stimmung des Liedes ausläuft; p1b_438.019
er wird vorzugsweise Refrain genannt. Behält der Kehrreim p1b_438.020
seine Form durch das ganze Lied bei, so nennen wir ihn "fest"; p1b_438.021
bleiben sich jedoch nur einzelne Teile desselben gleich, während andere p1b_438.022
wechseln, so heißt er "flüssig".

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Der Kehrreim heißt bei den Lateinern wegen seiner Einschaltung in das p1b_438.024
Gedicht versus intercalaris == Schaltvers. Bei den Griechen nennt man p1b_438.025
ihn o epodos == Nachsang. Bei den Franzosen hieß er ursprünglich p1b_438.026
Refloit, jetzt Refrain. Die Bezeichnung Kehrreim ist eigentlich nicht ganz entsprechend, p1b_438.027
da es in der antiken Poesie, wie bei uns, Refrains giebt, welchen p1b_438.028
der Reim fehlt (bei Catull vgl. z. B. 61, 62, 64; bei Theokrit Jd. 1 und 2, p1b_438.029
deutsche Beispiele finden sich unten; diese Verse sind eben nicht Kehrreime, p1b_438.030
sondern Kehrverse). Die französische Benennung Refrain (vom lat. refringere p1b_438.031
== brechen, welche eigentlich "Sprichwort" bedeutete), hat einen Vorzug, indem p1b_438.032
sie an die stetige Wiederkehr der an der Küste sich brechenden Wogen erinnert, p1b_438.033
- entsprechend dem wogenden Rhythmus der Strophe, sofern derselbe im p1b_438.034
Kehrreim einen Halt und einen Damm findet. Der Kehrreim ist aus den p1b_438.035
gottesdienstlichen Lob- und Bitt-Gesängen hervorgegangen; an deren Strophenabsätzen p1b_438.036
das Volk in das Schlußwort oder in die letzte Verszeile einstimmte, p1b_438.037
die der einzelne Sänger vorgesungen hatte. Jm Volksliede entfaltete der Kehrreim p1b_438.038
sodann seine größte Bedeutung, da dieses ursprünglich Chorgesang war und p1b_438.039
den subjektiven Dichter ganz verleugnete.

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Der Kehrreim verleiht ferner den religiösen Hymnen und den patriotischen p1b_438.041
Liedern großen Effekt. Er verstärkt den Ernst und potenziert die Komik. Er ist p1b_438.042
von Natur lyrisch, setzt aber eigentlich ein episches Gedicht voraus. Jmmer neu p1b_438.043
drückt er die Empfindung aus, die durch die Reflexion des Erzählten angeregt p1b_438.044
wird; er ist also die an die Epik angereihte Lyrik. Rein episch ist er,

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Zur Vergleichung diene folgendes französische Echo aus dem 16. Jahrhundert:

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Qui requiert fort et mesure et cadance? ─ Dance. p1b_438.004
Qui fait souvent aux nopces residence? ─ Dance. p1b_438.005
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14. Kehrreim oder Refrain (Rundreim == versus intercalaris).

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Er ist eine stetige, regelmäßige Repetitionsform, bei welcher ebensowohl p1b_438.012
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/472>, abgerufen am 25.11.2024.