Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_343.001 Mei Küch hat ke' Herd, p1b_343.002 Mei Herd hat ke' Küch; p1b_343.003 Da bratet's und siedet's p1b_343.004 Für sich und für mich &c. (Goethe, Freibeuter.) p1b_343.005 Was zieht mir das Herz | so?
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p1b_343.008 Was zieht mich hinaus? p1b_343.009 Und windet und schraubt mich p1b_343.010 Aus Zimmer und Haus? p1b_343.011 Wie dort sich die Wolken p1b_343.012 Um Felsen verziehn! &c.(Goethe, Sehnsucht.) p1b_343.013 p1b_343.019Jch hab' ihn geseh | en! p1b_343.014 Wie ist mir geschehen? p1b_343.015 O himmlischer Blick! p1b_343.016 Er kommt mir entgegen; p1b_343.017 Jch weiche verlegen, p1b_343.018 Jch schwanke zurück. (Goethe, Verschiedene Empfindungen.) p1b_343.020 p1b_343.021 Wir ruhen, vom Wasser gewieget p1b_343.026 Jm Kreise vertraulich und enge; p1b_343.027 Durch Eintracht wie Blumengehänge p1b_343.028 Verknüpft und in Reihen gefüget; p1b_343.029 Uns sondert von lästiger Menge p1b_343.030 Die Flut, die den Nachen umschmieget. (Salis.) p1b_343.031 Und es wallet und siedet und brauset und zischt, (Viertakter) p1b_343.035 Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt; (Dreitakter) p1b_343.036 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_343.037 Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt &c. p1b_343.038 p1b_343.039 p1b_343.040 p1b_343.001 Mei Küch hat ke' Herd, p1b_343.002 Mei Herd hat ke' Küch; p1b_343.003 Da bratet's und siedet's p1b_343.004 Für sich und für mich &c. (Goethe, Freibeuter.) p1b_343.005 Wăs zīeht mĭr dăs Hērz │ sŏ?
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p1b_343.008 Wăs zīeht mĭch hĭnaūs? p1b_343.009 Und windet und schraubt mich p1b_343.010 Aus Zimmer und Haus? p1b_343.011 Wie dort sich die Wolken p1b_343.012 Um Felsen verziehn! &c.(Goethe, Sehnsucht.) p1b_343.013 p1b_343.019J̆ch hāb' ĭhn gĕsēh │ ĕn! p1b_343.014 Wie ist mir geschehen? p1b_343.015 O himmlischer Blick! p1b_343.016 Er kommt mir entgegen; p1b_343.017 Jch weiche verlegen, p1b_343.018 Jch schwanke zurück. (Goethe, Verschiedene Empfindungen.) p1b_343.020 p1b_343.021 Wir ruhen, vom Wasser gewieget p1b_343.026 Jm Kreise vertraulich und enge; p1b_343.027 Durch Eintracht wie Blumengehänge p1b_343.028 Verknüpft und in Reihen gefüget; p1b_343.029 Uns sondert von lästiger Menge p1b_343.030 Die Flut, die den Nachen umschmieget. (Salis.) p1b_343.031 Und es wallet und siedet und brauset und zischt, (Viertakter) p1b_343.035 Wĭe wĕnn Wāssĕr mĭt Fēuĕr sĭch mēngt; (Dreitakter) p1b_343.036 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_343.037 Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt &c. p1b_343.038 p1b_343.039 p1b_343.040 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0377" n="343"/> <lb n="p1b_343.001"/> <lg> <l>Mei Küch hat ke' Herd,</l> <lb n="p1b_343.002"/> <l>Mei Herd hat ke' Küch;</l> <lb n="p1b_343.003"/> <l>Da bratet's und siedet's</l> <lb n="p1b_343.004"/> <l>Für sich und für mich &c.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Goethe, Freibeuter.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_343.005"/> Bei hyperkatalektischen Reihen zieht man, ohne Pausen zu machen, meist <lb n="p1b_343.006"/> deren letzte Thesis zum Anfangstakt der ihnen folgenden Reihe hinüber:</p> <lb n="p1b_343.007"/> <lg> <l>Wăs zīeht mĭr dăs Hērz │ sŏ? <figure/></l> <lb n="p1b_343.008"/> <l>Wăs zīeht mĭch hĭnaūs?</l> <lb n="p1b_343.009"/> <l>Und windet und schraubt mich</l> <lb n="p1b_343.010"/> <l>Aus Zimmer und Haus?</l> <lb n="p1b_343.011"/> <l>Wie dort sich die Wolken</l> <lb n="p1b_343.012"/> <l>Um Felsen verziehn! &c.<hi rendition="#right">(Goethe, Sehnsucht.)</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_343.013"/> <l>J̆ch hāb' ĭhn gĕsēh │ ĕn!</l> <lb n="p1b_343.014"/> <l>Wie ist mir geschehen?</l> <lb n="p1b_343.015"/> <l>O himmlischer Blick!</l> <lb n="p1b_343.016"/> <l>Er kommt mir entgegen;</l> <lb n="p1b_343.017"/> <l>Jch weiche verlegen,</l> <lb n="p1b_343.018"/> <l>Jch schwanke zurück.</l> </lg> <lb n="p1b_343.019"/> <p> <hi rendition="#right">(Goethe, Verschiedene Empfindungen.)</hi> </p> </div> <div n="4"> <p><lb n="p1b_343.020"/> 3. Dreitaktige anapästische Verse (anapästische Dreitakter).</p> <p><lb n="p1b_343.021"/> Reine dreitaktige Anapäste erhalten wir, wenn wir bei den daktylischen <lb n="p1b_343.022"/> Dreitaktern die überzählige letzte Silbe einer jeden Verszeile <lb n="p1b_343.023"/> zum Jambus der nächsten Verszeile rasch hinüberlesen, was indes der <lb n="p1b_343.024"/> Reim zuweilen erschwert.</p> <lb n="p1b_343.025"/> <lg> <l>Wir ruhen, vom Wasser gewieget</l> <lb n="p1b_343.026"/> <l>Jm Kreise vertraulich und enge;</l> <lb n="p1b_343.027"/> <l>Durch Eintracht wie Blumengehänge</l> <lb n="p1b_343.028"/> <l>Verknüpft und in Reihen gefüget;</l> <lb n="p1b_343.029"/> <l>Uns sondert von lästiger Menge</l> <lb n="p1b_343.030"/> <l>Die Flut, die den Nachen umschmieget.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Salis.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_343.031"/> Jn nachstehenden Versen Schillers folgt ein dreitaktiger Anapäst einem <lb n="p1b_343.032"/> viertaktigen; in den beiden letzten Zeilen bleibt der anapästische Rhythmus vorherrschend, <lb n="p1b_343.033"/> obwohl Jamben eingestreut sind:</p> <lb n="p1b_343.034"/> <lg> <l>Und es wallet und siedet und brauset und zischt, (Viertakter)</l> <lb n="p1b_343.035"/> <l>Wĭe wĕnn Wāssĕr mĭt Fēuĕr sĭch mēngt; (Dreitakter)</l> <lb n="p1b_343.036"/> <l>Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,</l> <lb n="p1b_343.037"/> <l>Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt &c.</l> </lg> <p><lb n="p1b_343.038"/> Vgl. Anast. Grüns Blatt im Buche, Scheffels Pfahlmann.</p> </div> <div n="4"> <p><lb n="p1b_343.039"/> 4. Viertaktige anapästische Verse (anapästische Viertakter).</p> <p><lb n="p1b_343.040"/> Wo diese Verse rein anapästisch sind, bildet der männliche Reim die <lb n="p1b_343.041"/> Jncision, welche noch durch die rhythmische Pause verstärkt wird.</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [343/0377]
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Mei Küch hat ke' Herd, p1b_343.002
Mei Herd hat ke' Küch; p1b_343.003
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Für sich und für mich &c.
(Goethe, Freibeuter.)
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Bei hyperkatalektischen Reihen zieht man, ohne Pausen zu machen, meist p1b_343.006
deren letzte Thesis zum Anfangstakt der ihnen folgenden Reihe hinüber:
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Wăs zīeht mĭr dăs Hērz │ sŏ?
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Wăs zīeht mĭch hĭnaūs? p1b_343.009
Und windet und schraubt mich p1b_343.010
Aus Zimmer und Haus? p1b_343.011
Wie dort sich die Wolken p1b_343.012
Um Felsen verziehn! &c.(Goethe, Sehnsucht.)
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J̆ch hāb' ĭhn gĕsēh │ ĕn! p1b_343.014
Wie ist mir geschehen? p1b_343.015
O himmlischer Blick! p1b_343.016
Er kommt mir entgegen; p1b_343.017
Jch weiche verlegen, p1b_343.018
Jch schwanke zurück.
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(Goethe, Verschiedene Empfindungen.)
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3. Dreitaktige anapästische Verse (anapästische Dreitakter).
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Reine dreitaktige Anapäste erhalten wir, wenn wir bei den daktylischen p1b_343.022
Dreitaktern die überzählige letzte Silbe einer jeden Verszeile p1b_343.023
zum Jambus der nächsten Verszeile rasch hinüberlesen, was indes der p1b_343.024
Reim zuweilen erschwert.
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Wir ruhen, vom Wasser gewieget p1b_343.026
Jm Kreise vertraulich und enge; p1b_343.027
Durch Eintracht wie Blumengehänge p1b_343.028
Verknüpft und in Reihen gefüget; p1b_343.029
Uns sondert von lästiger Menge p1b_343.030
Die Flut, die den Nachen umschmieget.
(Salis.)
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Jn nachstehenden Versen Schillers folgt ein dreitaktiger Anapäst einem p1b_343.032
viertaktigen; in den beiden letzten Zeilen bleibt der anapästische Rhythmus vorherrschend, p1b_343.033
obwohl Jamben eingestreut sind:
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Und es wallet und siedet und brauset und zischt, (Viertakter) p1b_343.035
Wĭe wĕnn Wāssĕr mĭt Fēuĕr sĭch mēngt; (Dreitakter) p1b_343.036
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_343.037
Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt &c.
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Vgl. Anast. Grüns Blatt im Buche, Scheffels Pfahlmann.
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4. Viertaktige anapästische Verse (anapästische Viertakter).
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Wo diese Verse rein anapästisch sind, bildet der männliche Reim die p1b_343.041
Jncision, welche noch durch die rhythmische Pause verstärkt wird.
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