Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_295.001 a. Von Westen flammte der erste Strahl, | und das Licht flog über die Welt, | p1b_295.003 p1b_295.006Und es blinkten die Firnen, | es glänzte das Thal, von Rosenschimmer erhellt. p1b_295.004 Die Throne bebten, | aufstand das Volk, das geknechtete, groß und frei, p1b_295.005 Und grüßend von Lande zu Lande scholl ein stürmischer Jubelschrei. (Adolf Strodtmann.) p1b_295.007b. Der Nebel stieg, | der Knabe sang, | das Echo tönte, | der Wald erklang. | p1b_295.008 a. Fliehe der Menge p1b_295.011 p1b_295.016Wirres Gewühl! p1b_295.012 Lasse die Menschen dich nicht berücken, p1b_295.013 Wenn sie mit hämischen, lauernden Blicken p1b_295.014 Höhnen, wie hoch du p1b_295.015 Stelltest das Ziel.(Max Remy.) b. Der Adler lauscht p1b_295.017 Auf seinem Horst; p1b_295.018 Der Keiler rauscht p1b_295.019 Zur Kesselforst; p1b_295.020 Das Kätzlein klinkt p1b_295.021 Am Ast sich fest u. s. w. (Christian Scherenberg.) p1b_295.022 p1b_295.039 p1b_295.042 Vers 1.Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, p1b_295.044
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, p1b_295.001 a. Von Westen flammte der erste Strahl, │ und das Licht flog über die Welt, │ p1b_295.003 p1b_295.006Und es blinkten die Firnen, │ es glänzte das Thal, von Rosenschimmer erhellt. p1b_295.004 Die Throne bebten, │ aufstand das Volk, das geknechtete, groß und frei, p1b_295.005 Und grüßend von Lande zu Lande scholl ein stürmischer Jubelschrei. (Adolf Strodtmann.) p1b_295.007b. Der Nebel stieg, │ der Knabe sang, │ das Echo tönte, │ der Wald erklang. │ p1b_295.008 a. Fliehe der Menge p1b_295.011 p1b_295.016Wirres Gewühl! p1b_295.012 Lasse die Menschen dich nicht berücken, p1b_295.013 Wenn sie mit hämischen, lauernden Blicken p1b_295.014 Höhnen, wie hoch du p1b_295.015 Stelltest das Ziel.(Max Remy.) b. Der Adler lauscht p1b_295.017 Auf seinem Horst; p1b_295.018 Der Keiler rauscht p1b_295.019 Zur Kesselforst; p1b_295.020 Das Kätzlein klinkt p1b_295.021 Am Ast sich fest u. s. w. (Christian Scherenberg.) p1b_295.022 p1b_295.039 p1b_295.042 Vers 1.Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, p1b_295.044
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0329" n="295"/> <p><lb n="p1b_295.001"/> 2. <hi rendition="#g">Verszeilen, welche mehrere Sätze umfassen.</hi></p> <lb n="p1b_295.002"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">a</hi>.</p> <lg> <l>Von Westen flammte der erste Strahl, │ und das Licht flog über die Welt, │</l> <lb n="p1b_295.003"/> <l>Und es blinkten die Firnen, │ es glänzte das Thal, von Rosenschimmer erhellt.</l> <lb n="p1b_295.004"/> <l>Die Throne bebten, │ aufstand das Volk, das geknechtete, groß und frei,</l> <lb n="p1b_295.005"/> <l>Und grüßend von Lande zu Lande scholl ein stürmischer Jubelschrei.</l> </lg> <lb n="p1b_295.006"/> <p> <hi rendition="#right">(Adolf Strodtmann.)</hi> </p> <lb n="p1b_295.007"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l>Der Nebel stieg, │ der Knabe sang, │ das Echo tönte, │ der Wald erklang. │</l> </lg> <p><lb n="p1b_295.008"/> 3. <hi rendition="#g">Verszeilen, welche nur einen Bruchteil eines Satzes <lb n="p1b_295.009"/> umschließen.</hi></p> <lb n="p1b_295.010"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">a</hi>.</p> <lg> <l>Fliehe der Menge</l> <lb n="p1b_295.011"/> <l>Wirres Gewühl!</l> <lb n="p1b_295.012"/> <l>Lasse die Menschen dich nicht berücken,</l> <lb n="p1b_295.013"/> <l>Wenn sie mit hämischen, lauernden Blicken</l> <lb n="p1b_295.014"/> <l>Höhnen, wie hoch du</l> <lb n="p1b_295.015"/> <l>Stelltest das Ziel.<hi rendition="#right">(Max Remy.)</hi> </l> </lg> <lb n="p1b_295.016"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l>Der Adler lauscht</l> <lb n="p1b_295.017"/> <l>Auf seinem Horst;</l> <lb n="p1b_295.018"/> <l>Der Keiler rauscht</l> <lb n="p1b_295.019"/> <l>Zur Kesselforst;</l> <lb n="p1b_295.020"/> <l>Das Kätzlein klinkt</l> <lb n="p1b_295.021"/> <l>Am Ast sich fest u. s. w.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Christian Scherenberg.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_295.022"/> 4. Westphal a. a. O. S. 64 sagt: Eine aus zwei Reihen bestehende <lb n="p1b_295.023"/> Periode schrieb der griechische Dichter stets in <hi rendition="#g">eine</hi> Zeile, und diese wurde Stichos <lb n="p1b_295.024"/> genannt, was eben nichts anderes als Zeile bedeutet. Bei den Römern hieß <lb n="p1b_295.025"/> sie Vers. Unsere modernen deutschen Dichter schreiben entweder die beiden <lb n="p1b_295.026"/> periodischen Reihen in zwei besondere Zeilen oder auch wie die Griechen in eine <lb n="p1b_295.027"/> einzige. Beiderlei Art von Zeilen nennen sie Verse. Doch hängt diese Art <lb n="p1b_295.028"/> und Weise, die Periode bald in eine, bald in zwei Zeilen zu schreiben, durchaus <lb n="p1b_295.029"/> nicht mit dem Wesen des Rhythmus zusammen: Wenn auch die Vordersätze <lb n="p1b_295.030"/> reimen, pflegt man die Periode in zwei Zeilen zu schreiben; wenn bloß die <lb n="p1b_295.031"/> Nachsätze reimen, folgt man häufig dem griechischen Gebrauche. Daß man für <lb n="p1b_295.032"/> die einzelnen Reihen vorwiegend bei reimenden Vordersätzen besondere Zeilen <lb n="p1b_295.033"/> anwendet, hat wiederum keinen in der Sache liegenden Erklärungsgrund. Das <lb n="p1b_295.034"/> Absetzen der Zeilen in der Poesie soll uns bloß die Übersicht der rhythmischen <lb n="p1b_295.035"/> Abschnitte erleichtern. Nun kommen uns aber doch da, wo der Reim vorhanden <lb n="p1b_295.036"/> ist, diese Abschnitte leichter zum Bewußtsein als da, wo er fehlt, <lb n="p1b_295.037"/> und daher sollte man grade bei nicht reimenden Vordersätzen für diese eigene <lb n="p1b_295.038"/> Zeilen erwarten.</p> <p><lb n="p1b_295.039"/> Wir kommen bei der Lehre von den Strophen darauf zurück und wollen <lb n="p1b_295.040"/> nur noch an zwei Beispielen zeigen, wie ein und derselbe Dichter gleichlange, <lb n="p1b_295.041"/> gleichmetrige Zeilen bald ohne Unterbrechung und bald gebrochen schrieb.</p> <p> <lb n="p1b_295.042"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_295.043"/> <lg> <l n="1.">Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr,</l> <lb n="p1b_295.044"/> <l>Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0329]
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2. Verszeilen, welche mehrere Sätze umfassen.
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a.
Von Westen flammte der erste Strahl, │ und das Licht flog über die Welt, │ p1b_295.003
Und es blinkten die Firnen, │ es glänzte das Thal, von Rosenschimmer erhellt. p1b_295.004
Die Throne bebten, │ aufstand das Volk, das geknechtete, groß und frei, p1b_295.005
Und grüßend von Lande zu Lande scholl ein stürmischer Jubelschrei.
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(Adolf Strodtmann.)
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b.
Der Nebel stieg, │ der Knabe sang, │ das Echo tönte, │ der Wald erklang. │
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3. Verszeilen, welche nur einen Bruchteil eines Satzes p1b_295.009
umschließen.
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a.
Fliehe der Menge p1b_295.011
Wirres Gewühl! p1b_295.012
Lasse die Menschen dich nicht berücken, p1b_295.013
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Stelltest das Ziel.(Max Remy.)
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b.
Der Adler lauscht p1b_295.017
Auf seinem Horst; p1b_295.018
Der Keiler rauscht p1b_295.019
Zur Kesselforst; p1b_295.020
Das Kätzlein klinkt p1b_295.021
Am Ast sich fest u. s. w.
(Christian Scherenberg.)
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4. Westphal a. a. O. S. 64 sagt: Eine aus zwei Reihen bestehende p1b_295.023
Periode schrieb der griechische Dichter stets in eine Zeile, und diese wurde Stichos p1b_295.024
genannt, was eben nichts anderes als Zeile bedeutet. Bei den Römern hieß p1b_295.025
sie Vers. Unsere modernen deutschen Dichter schreiben entweder die beiden p1b_295.026
periodischen Reihen in zwei besondere Zeilen oder auch wie die Griechen in eine p1b_295.027
einzige. Beiderlei Art von Zeilen nennen sie Verse. Doch hängt diese Art p1b_295.028
und Weise, die Periode bald in eine, bald in zwei Zeilen zu schreiben, durchaus p1b_295.029
nicht mit dem Wesen des Rhythmus zusammen: Wenn auch die Vordersätze p1b_295.030
reimen, pflegt man die Periode in zwei Zeilen zu schreiben; wenn bloß die p1b_295.031
Nachsätze reimen, folgt man häufig dem griechischen Gebrauche. Daß man für p1b_295.032
die einzelnen Reihen vorwiegend bei reimenden Vordersätzen besondere Zeilen p1b_295.033
anwendet, hat wiederum keinen in der Sache liegenden Erklärungsgrund. Das p1b_295.034
Absetzen der Zeilen in der Poesie soll uns bloß die Übersicht der rhythmischen p1b_295.035
Abschnitte erleichtern. Nun kommen uns aber doch da, wo der Reim vorhanden p1b_295.036
ist, diese Abschnitte leichter zum Bewußtsein als da, wo er fehlt, p1b_295.037
und daher sollte man grade bei nicht reimenden Vordersätzen für diese eigene p1b_295.038
Zeilen erwarten.
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Wir kommen bei der Lehre von den Strophen darauf zurück und wollen p1b_295.040
nur noch an zwei Beispielen zeigen, wie ein und derselbe Dichter gleichlange, p1b_295.041
gleichmetrige Zeilen bald ohne Unterbrechung und bald gebrochen schrieb.
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Beispiel:
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Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, p1b_295.044
Weit glänzt' es über die Lande bis an das blaue Meer,
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