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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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An den Dichter tritt die Forderung heran, das fortgesetzte Zusammenfallen p1b_286.002
der Vers- und Wortfüße aus ästhetischen Gründen möglichst zu vermeiden, p1b_286.003
d. h. die Diäresen inmitten der Reihen zu umgehen und die melodischen Cäsuren p1b_286.004
zu erstreben.

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Folgende Beispiele mögen über die Anwendung der Cäsur orientieren:

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a. Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt p1b_286.007
die Cäsur bildet.

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Vers 1.Sei | der Gesang | vieltönig | im wechselnden Tanz | der Empfindung.
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Vers 2.Windet | zum Kranze | die goldenen Ähren. |
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Vers 3.O Väter, | Mütter, | o Erzieher, | habet Acht! |
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Vers 4.Er stand | auf seines Daches | Zinnen, | p1b_286.012
Er schaute | mit vergnügten Sinnen | p1b_286.013
Auf das beherrschte Samos hin. |
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b. Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur p1b_286.015
durch den Buchstaben
C.

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1. Sei der Ge | sang C viel | tonig C im | wechselnden | Tanz C der Emp | findung.

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2. Windet C zum | Kranze C die | goldenen | Änhren.

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3. O Vän | ter, C Münt | ter, C o | Erzieh | er, C hab | et C Acht!

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4. Er stand | auf sei | nes Dach | es C Zin | nen,

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Er schau | te C mit | vergnüng | ten Sinn | en p1b_286.021
Auf das | beherrscht | e Sa | mos hin.

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Man wird aus diesen wenigen Beispielen ersehen, wie infolge der Durchschneidung p1b_286.023
des Verstaktes (oder was dasselbe ist: infolge des Aneinandergrenzens p1b_286.024
und Berührens zweier Wortfüße innerhalb eines Verstaktes) p1b_286.025
eine gewisse Einheit der Vielbewegung und eine enge Verschlingung der einzelnen p1b_286.026
Verstakte entsteht. Zur Verhütung eines Mißverständnisses ist zu bemerken: p1b_286.027
Die aus den Dichtungen unserer Klassiker abstrahierte Forderung, die Versteile p1b_286.028
durch Jneinandergreifen der Satztakte und Verstakte zu verschlingen, hat keineswegs p1b_286.029
die Bedeutung, daß wir z. B. durchweg den jambischen Vers (Breve - | Breve - | &c.) p1b_286.030
mit einem amphibrachischen Worte (Breve - Breve) und den trochäischen (- Breve | - Breve | &c.) p1b_286.031
mit einem Kretikus (- Breve -) beginnen &c. Es würde dieses sklavische Nachäffen p1b_286.032
der Hellenen ein unserem deutschen Sprachgenius entgegen strebendes geschraubtes p1b_286.033
Deutsch erzeugen, wie wir es leider bei einigen Übersetzern antreffen. Wir p1b_286.034
wollen die Hellenen als Muster verehren, nicht als Tyrannen.

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Cäsur und Diärese erhalten je nach ihrer Stellung in den verschiedenen p1b_286.036
Verstakten verschiedene Benennungen. Beide heißen männlich, wenn p1b_286.037
sie nach einer Arsis eintreten, weiblich, wenn sie nach einer einsilbigen Thesis, p1b_286.038
und gleitend, wenn sie nach zwei Kürzen folgen.

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An den Dichter tritt die Forderung heran, das fortgesetzte Zusammenfallen p1b_286.002
der Vers- und Wortfüße aus ästhetischen Gründen möglichst zu vermeiden, p1b_286.003
d. h. die Diäresen inmitten der Reihen zu umgehen und die melodischen Cäsuren p1b_286.004
zu erstreben.

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Folgende Beispiele mögen über die Anwendung der Cäsur orientieren:

p1b_286.006

a. Abteilung nach Satztakten, deren Schluß im Verstakt p1b_286.007
die Cäsur bildet.

p1b_286.008
Vers 1.Sei │ der Gesang │ vieltönig │ im wechselnden Tanz │ der Empfindung.
p1b_286.009
Vers 2.Windet │ zum Kranze │ die goldenen Ähren. │
p1b_286.010
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p1b_286.011
Vers 4.Er stand │ auf seines Daches │ Zinnen, │ p1b_286.012
Er schaute │ mit vergnügten Sinnen │ p1b_286.013
Auf das beherrschte Samos hin. │
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b. Abteilung nach Verstakten und Bezeichnung der Cäsur p1b_286.015
durch den Buchstaben
C.

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1. Sēi dĕr Gĕ │ sāng C viēl │ tȫnĭg C ĭm │ wēchsĕlndĕn │ Tānz C dĕr Ĕmp │ fīndŭng.

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2. Wīndĕt C zŭm │ Krānzĕ C dĭe │ gōldĕnĕn │ Ǟhrĕn.

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3. Ŏ Vǟ │ tĕr, C Mǖt │ tĕr, C ō │ Ĕrzīeh │ ĕr, C hāb │ ĕt C Ācht!

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4. Ĕr stānd │ ăuf sēi │ nĕs Dāch │ ĕs C Zīn │ nĕn,

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Ĕr schāu │ tĕ C mīt │ vĕrgnǖg │ tĕn Sīnn │ ĕn p1b_286.021
Ăuf dās │ bĕhērrscht │ ĕ Sā │ mŏs hīn.

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Man wird aus diesen wenigen Beispielen ersehen, wie infolge der Durchschneidung p1b_286.023
des Verstaktes (oder was dasselbe ist: infolge des Aneinandergrenzens p1b_286.024
und Berührens zweier Wortfüße innerhalb eines Verstaktes) p1b_286.025
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der Hellenen ein unserem deutschen Sprachgenius entgegen strebendes geschraubtes p1b_286.033
Deutsch erzeugen, wie wir es leider bei einigen Übersetzern antreffen. Wir p1b_286.034
wollen die Hellenen als Muster verehren, nicht als Tyrannen.

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Cäsur und Diärese erhalten je nach ihrer Stellung in den verschiedenen p1b_286.036
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/320>, abgerufen am 25.11.2024.