Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_281.001 [Beginn Spaltensatz] Schwindet, ihr dunkeln p1b_281.006 [Spaltenumbruch]
p1b_281.101Wölbungen droben! p1b_281.007 Reizender schaue p1b_281.008 Freundlich der blaue p1b_281.009 Äther herein! p1b_281.010 Wären die dunkeln p1b_281.011 Wolken zerronnen! p1b_281.012 Sternelein funkeln, p1b_281.013 Mildere Sonnen p1b_281.014 Scheinen darein. p1b_281.015 Himmlischer Söhne p1b_281.016 Geistige Schöne, p1b_281.017 Schwankende Beugung p1b_281.018 Schwebet vorüber, p1b_281.019 Sehnende Neigung p1b_281.020 Folget hinüber, p1b_281.021 Und der Gewänder Flatternde Bänder p1b_281.102 [Ende Spaltensatz]
Decken die Länder, p1b_281.103 Decken die Laube, p1b_281.104 Wo sich für's Leben p1b_281.105 Tief in Gedanken p1b_281.106 Liebende geben. p1b_281.107 Laube bei Laube! p1b_281.108 Sprossende Ranken! p1b_281.109 Lastende Traube p1b_281.110 Stürzt in's Behälter p1b_281.111 Drängender Kelter, p1b_281.112 Stürzen in Bächen p1b_281.113 Schäumende Weine, p1b_281.114 Rieseln durch reine p1b_281.115 Edle Gesteine, p1b_281.116 Lassen die Höhen p1b_281.117 Hinter sich liegen. &c. p1b_281.118 Da zerret an der Glocke Stränngen p1b_281.126 p1b_281.131Der Aufruhr, daß sie heulend schallt, p1b_281.127 Und, nur geweiht zu Friedensklängen, p1b_281.128 Die Losung anstimmt zur Gewalt. p1b_281.129 Freiheit und Gleichheit! hort man schallen; p1b_281.130 Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr &c. (Schiller.) p1b_281.132 Gerichte Gottes! Ja er ist es selbst, p1b_281.134
Der Landvogt, der da fährt - dort schifft er hin, p1b_281.135 Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit! p1b_281.136 Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden, p1b_281.137 Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn. p1b_281.138 Diese Wellen geben nicht auf seine Stimme, p1b_281.001 [Beginn Spaltensatz] Schwindet, ihr dunkeln p1b_281.006 [Spaltenumbruch]
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Decken die Länder, p1b_281.103 Decken die Laube, p1b_281.104 Wo sich für's Leben p1b_281.105 Tief in Gedanken p1b_281.106 Liebende geben. p1b_281.107 Laube bei Laube! p1b_281.108 Sprossende Ranken! p1b_281.109 Lastende Traube p1b_281.110 Stürzt in's Behälter p1b_281.111 Drängender Kelter, p1b_281.112 Stürzen in Bächen p1b_281.113 Schäumende Weine, p1b_281.114 Rieseln durch reine p1b_281.115 Edle Gesteine, p1b_281.116 Lassen die Höhen p1b_281.117 Hinter sich liegen. &c. p1b_281.118 Da zerret an dĕr Glōckĕ Strǟngĕn p1b_281.126 p1b_281.131Dĕr Āufruhr, daß sie heulend schallt, p1b_281.127 Und, nur geweiht zu Friedensklängen, p1b_281.128 Die Losung anstimmt zur Gewalt. p1b_281.129 Frēiheĭt ŭnd Glēichhēit! hȫrt măn schāllĕn; p1b_281.130 Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr &c. (Schiller.) p1b_281.132 Gerīchtĕ Gōttĕs! Jā ĕr īst ĕs sēlbst, p1b_281.134
Der Landvogt, der da fährt ─ dort schifft er hin, p1b_281.135 Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit! p1b_281.136 Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden, p1b_281.137 Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn. p1b_281.138 Dīesĕ Wēllĕn gēbĕn nīcht ăuf sēinĕ Stīmmĕ, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0315" n="281"/> <p><lb n="p1b_281.001"/> Weiter ist einer wunderbar anmutigen melodischen Verschmelzung der <lb n="p1b_281.002"/> Laut- und rhythmischen Malerei zu gedenken, die Goethe als Geisterchor im <lb n="p1b_281.003"/> Faust giebt, und worin er mit spielend tändelnden Worten dem Geiste eine <lb n="p1b_281.004"/> Fülle der lieblichsten Bilder entrollt:</p> <lb n="p1b_281.005"/> <cb type="start"/> <lg> <l>Schwindet, ihr dunkeln</l> <lb n="p1b_281.006"/> <l>Wölbungen droben!</l> <lb n="p1b_281.007"/> <l>Reizender schaue</l> <lb n="p1b_281.008"/> <l>Freundlich der blaue</l> <lb n="p1b_281.009"/> <l>Äther herein!</l> <lb n="p1b_281.010"/> <l>Wären die dunkeln</l> <lb n="p1b_281.011"/> <l>Wolken zerronnen!</l> <lb n="p1b_281.012"/> <l>Sternelein funkeln,</l> <lb n="p1b_281.013"/> <l>Mildere Sonnen</l> <lb n="p1b_281.014"/> <l>Scheinen darein.</l> <lb n="p1b_281.015"/> <l>Himmlischer Söhne</l> <lb n="p1b_281.016"/> <l>Geistige Schöne,</l> <lb n="p1b_281.017"/> <l>Schwankende Beugung</l> <lb n="p1b_281.018"/> <l>Schwebet vorüber,</l> <lb n="p1b_281.019"/> <l>Sehnende Neigung</l> <lb n="p1b_281.020"/> <l>Folget hinüber,</l> <lb n="p1b_281.021"/> <l>Und der Gewänder</l> </lg> <cb/> <lb n="p1b_281.101"/> <lg> <l>Flatternde Bänder</l> <lb n="p1b_281.102"/> <l>Decken die Länder,</l> <lb n="p1b_281.103"/> <l>Decken die Laube,</l> <lb n="p1b_281.104"/> <l>Wo sich für's Leben</l> <lb n="p1b_281.105"/> <l>Tief in Gedanken</l> <lb n="p1b_281.106"/> <l>Liebende geben.</l> <lb n="p1b_281.107"/> <l>Laube bei Laube!</l> <lb n="p1b_281.108"/> <l>Sprossende Ranken!</l> <lb n="p1b_281.109"/> <l>Lastende Traube</l> <lb n="p1b_281.110"/> <l>Stürzt in's Behälter</l> <lb n="p1b_281.111"/> <l>Drängender Kelter,</l> <lb n="p1b_281.112"/> <l>Stürzen in Bächen</l> <lb n="p1b_281.113"/> <l>Schäumende Weine,</l> <lb n="p1b_281.114"/> <l>Rieseln durch reine</l> <lb n="p1b_281.115"/> <l>Edle Gesteine,</l> <lb n="p1b_281.116"/> <l>Lassen die Höhen</l> <lb n="p1b_281.117"/> <l>Hinter sich liegen. &c.</l> </lg> <cb type="end"/> <p><lb n="p1b_281.118"/> Jnteressant ist noch, wie die Lebhaftigkeit der Schilderung und die rhythmische <lb n="p1b_281.119"/> Malerei den Dichter oft veranlaßt, mitten im Gedicht der Stimmung <lb n="p1b_281.120"/> entsprechend das Metrum plötzlich zu ändern und mittels Durchbrechung der <lb n="p1b_281.121"/> Grenzen des Metrums die Gewalt der Handlung zur Anschauung zu bringen. <lb n="p1b_281.122"/> So tritt in der fünften Zeile des nachfolgenden Gedichts an Stelle der jambischen <lb n="p1b_281.123"/> Bewegung plötzlich die entschlossene daktylisch=trochäische, um sodann wieder <lb n="p1b_281.124"/> dem ruhigen Jambus Platz zu machen.</p> <lb n="p1b_281.125"/> <lg> <l>Da zerret an dĕr Glōckĕ Strǟngĕn</l> <lb n="p1b_281.126"/> <l>Dĕr Āufruhr, daß sie heulend schallt,</l> <lb n="p1b_281.127"/> <l>Und, nur geweiht zu Friedensklängen,</l> <lb n="p1b_281.128"/> <l>Die Losung anstimmt zur Gewalt.</l> <lb n="p1b_281.129"/> <l> <hi rendition="#g">Frēiheĭt ŭnd Glēichhēit! hȫrt măn schāllĕn;</hi> </l> <lb n="p1b_281.130"/> <l>Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr &c.</l> </lg> <lb n="p1b_281.131"/> <p> <hi rendition="#right">(Schiller.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_281.132"/> Vgl. hierzu noch folgende Probe von demselben Dichter:</p> <lb n="p1b_281.133"/> <lg> <l>Gerīchtĕ Gōttĕs! Jā ĕr īst ĕs sēlbst,</l> <lb n="p1b_281.134"/> <l>Der Landvogt, der da fährt ─ dort schifft er hin,</l> <lb n="p1b_281.135"/> <l>Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit!</l> <lb n="p1b_281.136"/> <l>Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden,</l> <lb n="p1b_281.137"/> <l>Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn.</l> <lb n="p1b_281.138"/> <l>Dīesĕ Wēllĕn gēbĕn nīcht ăuf sēinĕ Stīmmĕ,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [281/0315]
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Weiter ist einer wunderbar anmutigen melodischen Verschmelzung der p1b_281.002
Laut- und rhythmischen Malerei zu gedenken, die Goethe als Geisterchor im p1b_281.003
Faust giebt, und worin er mit spielend tändelnden Worten dem Geiste eine p1b_281.004
Fülle der lieblichsten Bilder entrollt:
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Schwindet, ihr dunkeln p1b_281.006
Wölbungen droben! p1b_281.007
Reizender schaue p1b_281.008
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Äther herein! p1b_281.010
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Wolken zerronnen! p1b_281.012
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Scheinen darein. p1b_281.015
Himmlischer Söhne p1b_281.016
Geistige Schöne, p1b_281.017
Schwankende Beugung p1b_281.018
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Sehnende Neigung p1b_281.020
Folget hinüber, p1b_281.021
Und der Gewänder
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Flatternde Bänder p1b_281.102
Decken die Länder, p1b_281.103
Decken die Laube, p1b_281.104
Wo sich für's Leben p1b_281.105
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Liebende geben. p1b_281.107
Laube bei Laube! p1b_281.108
Sprossende Ranken! p1b_281.109
Lastende Traube p1b_281.110
Stürzt in's Behälter p1b_281.111
Drängender Kelter, p1b_281.112
Stürzen in Bächen p1b_281.113
Schäumende Weine, p1b_281.114
Rieseln durch reine p1b_281.115
Edle Gesteine, p1b_281.116
Lassen die Höhen p1b_281.117
Hinter sich liegen. &c.
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Jnteressant ist noch, wie die Lebhaftigkeit der Schilderung und die rhythmische p1b_281.119
Malerei den Dichter oft veranlaßt, mitten im Gedicht der Stimmung p1b_281.120
entsprechend das Metrum plötzlich zu ändern und mittels Durchbrechung der p1b_281.121
Grenzen des Metrums die Gewalt der Handlung zur Anschauung zu bringen. p1b_281.122
So tritt in der fünften Zeile des nachfolgenden Gedichts an Stelle der jambischen p1b_281.123
Bewegung plötzlich die entschlossene daktylisch=trochäische, um sodann wieder p1b_281.124
dem ruhigen Jambus Platz zu machen.
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Da zerret an dĕr Glōckĕ Strǟngĕn p1b_281.126
Dĕr Āufruhr, daß sie heulend schallt, p1b_281.127
Und, nur geweiht zu Friedensklängen, p1b_281.128
Die Losung anstimmt zur Gewalt. p1b_281.129
Frēiheĭt ŭnd Glēichhēit! hȫrt măn schāllĕn; p1b_281.130
Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr &c.
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(Schiller.)
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Vgl. hierzu noch folgende Probe von demselben Dichter:
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Gerīchtĕ Gōttĕs! Jā ĕr īst ĕs sēlbst, p1b_281.134
Der Landvogt, der da fährt ─ dort schifft er hin, p1b_281.135
Und führt im Schiffe sein Verbrechen mit! p1b_281.136
Schnell hat der Arm des Rächers ihn gefunden, p1b_281.137
Jetzt kennt er über sich den stärkern Herrn. p1b_281.138
Dīesĕ Wēllĕn gēbĕn nīcht ăuf sēinĕ Stīmmĕ,
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