Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_277.001 Und atmete lang und atmete tief. - p1b_277.008 Und es wallet und siedet und brauset und zischt. - p1b_277.009 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_277.010 Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt. p1b_277.011 Und donnernd sprengen die Wogen p1b_277.012 Des Gewölbes krachenden Bogen. - p1b_277.013 Und horch! da sprudelt es silberhell p1b_277.014 Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen. - p1b_277.015 p1b_277.017 Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut p1b_277.020 Die Hemdelein über den Hügeln. p1b_277.021 Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein, p1b_277.022 Gebärden da giebt es vertrackte; p1b_277.023 Dann klipperts und klapperts mitunter hinein, p1b_277.024 Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte. p1b_277.025 p1b_277.026 Un rumpel di pumpel di paff, p1b_277.028 So rastert dat Fuhrwerk die Strat nu heraf. p1b_277.029 Hoch über mir der Sterne Pracht, p1b_277.031 Von Wogen geschaukelt der Nachen. p1b_277.032 Und hurre, hurre, hop, hop, hop! p1b_277.035 Gings fort in sausendem Galopp, p1b_277.036 Daß Roß und Reiter schnoben p1b_277.037 Und Kies und Funken stoben. p1b_277.038 Es ritten zwei Ritter in Ritterlingsland, p1b_277.041 Sie ritten ein Rittchen zu reiten. p1b_277.042 p1b_277.001 Ŭnd ātmĕtĕ lāng ŭnd ātmĕtĕ tiēf. ─ p1b_277.008 Ŭnd ĕs wāllĕt ŭnd sīedĕt ŭnd braūsĕt ŭnd zīscht. ─ p1b_277.009 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_277.010 Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt. p1b_277.011 Und donnernd sprengen die Wogen p1b_277.012 Des Gewölbes krachenden Bogen. ─ p1b_277.013 Und horch! da sprudelt es silberhell p1b_277.014 Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen. ─ p1b_277.015 p1b_277.017 Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut p1b_277.020 Die Hemdelein über den Hügeln. p1b_277.021 Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein, p1b_277.022 Gebärden da giebt es vertrackte; p1b_277.023 Dann klipperts und klapperts mitunter hinein, p1b_277.024 Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte. p1b_277.025 p1b_277.026 Un rumpel di pumpel di paff, p1b_277.028 So rastert dat Fuhrwerk die Strat nu heraf. p1b_277.029 Hoch über mir der Sterne Pracht, p1b_277.031 Von Wogen geschaukelt der Nachen. p1b_277.032 Und hurre, hurre, hop, hop, hop! p1b_277.035 Gings fort in sausendem Galopp, p1b_277.036 Daß Roß und Reiter schnoben p1b_277.037 Und Kies und Funken stoben. p1b_277.038 Es ritten zwei Ritter in Ritterlingsland, p1b_277.041 Sie ritten ein Rittchen zu reiten. p1b_277.042 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0311" n="277"/> <p><lb n="p1b_277.001"/><hi rendition="#g">Rhythmische Malerei bei deutschen Dichtern.</hi> Von unseren <lb n="p1b_277.002"/> deutschen klassischen Dichtern liefert besonders Schiller reiches Material zum <lb n="p1b_277.003"/> Studium der Eurhythmie. Der Handschuh, Das Lied von der Glocke sind <lb n="p1b_277.004"/> geradezu Muster-Beispiele der Laut=, wie auch der rhythmischen Malerei, die <lb n="p1b_277.005"/> hier zu herrlicher Wirkung vereinigt sind. Jch erinnere an folgende Verse <lb n="p1b_277.006"/> Schillers:</p> <lb n="p1b_277.007"/> <lg> <l>Ŭnd ātmĕtĕ lāng ŭnd ātmĕtĕ tiēf. ─</l> <lb n="p1b_277.008"/> <l>Ŭnd ĕs wāllĕt ŭnd sīedĕt ŭnd braūsĕt ŭnd zīscht. ─ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_277.009"/> <l>Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,</l> <lb n="p1b_277.010"/> <l>Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_277.011"/> <l>Und donnernd sprengen die Wogen</l> <lb n="p1b_277.012"/> <l>Des Gewölbes krachenden Bogen. ─ </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_277.013"/> <l>Und horch! da sprudelt es silberhell</l> <lb n="p1b_277.014"/> <l>Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen. ─</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.015"/> (Das Metrum schmiegt sich der Thätigkeit an und ahmt das gegebene <lb n="p1b_277.016"/> Bild nach, indem der Dichter anapästisches Maß wählt.)</p> <p><lb n="p1b_277.017"/> Ähnlich bei Goethe, indem er im Totentanz anapästisch das Knochengeklapper <lb n="p1b_277.018"/> nachahmt:</p> <lb n="p1b_277.019"/> <lg> <l>Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut</l> <lb n="p1b_277.020"/> <l>Die Hemdelein über den Hügeln. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_277.021"/> <l>Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,</l> <lb n="p1b_277.022"/> <l>Gebärden da giebt es vertrackte;</l> <lb n="p1b_277.023"/> <l>Dann klipperts und klapperts mitunter hinein,</l> <lb n="p1b_277.024"/> <l>Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte.</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.025"/> Vgl. bei Goethe noch die gelungene Malerei in Lilis Park, 3. Absatz.</p> <p><lb n="p1b_277.026"/> Ebenso bei Reuter:</p> <lb n="p1b_277.027"/> <lg> <l>Un rumpel di pumpel di paff,</l> <lb n="p1b_277.028"/> <l>So rastert dat Fuhrwerk die Strat nu heraf.</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.029"/> Ähnlich Jul. Sturm:</p> <lb n="p1b_277.030"/> <lg> <l>Hoch über mir der Sterne Pracht,</l> <lb n="p1b_277.031"/> <l>Von Wogen geschaukelt der Nachen.</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.032"/> Das wiegende Galoppieren (hurre), wie das trabende Geholper (hop hop <lb n="p1b_277.033"/> hop) malt Bürger, der auch die lautnachahmenden Vokale musterhaft wählt:</p> <lb n="p1b_277.034"/> <lg> <l>Und hurre, hurre, hop, hop, hop!</l> <lb n="p1b_277.035"/> <l>Gings fort in sausendem Galopp,</l> <lb n="p1b_277.036"/> <l>Daß Roß und Reiter schnoben</l> <lb n="p1b_277.037"/> <l>Und Kies und Funken stoben.</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.038"/> Das langsame Einsetzen der Reiter und das Jntrabsetzen malt Rückert <lb n="p1b_277.039"/> spielerisch, indem er dem beginnenden Jambus Anapäste folgen läßt:</p> <lb n="p1b_277.040"/> <lg> <l>Es ritten zwei Ritter in Ritterlingsland,</l> <lb n="p1b_277.041"/> <l>Sie ritten ein Rittchen zu reiten.</l> </lg> <p><lb n="p1b_277.042"/> (Man beachte hier auch die absichtsvolle Allitteration.)</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [277/0311]
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Rhythmische Malerei bei deutschen Dichtern. Von unseren p1b_277.002
deutschen klassischen Dichtern liefert besonders Schiller reiches Material zum p1b_277.003
Studium der Eurhythmie. Der Handschuh, Das Lied von der Glocke sind p1b_277.004
geradezu Muster-Beispiele der Laut=, wie auch der rhythmischen Malerei, die p1b_277.005
hier zu herrlicher Wirkung vereinigt sind. Jch erinnere an folgende Verse p1b_277.006
Schillers:
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Ŭnd ātmĕtĕ lāng ŭnd ātmĕtĕ tiēf. ─ p1b_277.008
Ŭnd ĕs wāllĕt ŭnd sīedĕt ŭnd braūsĕt ŭnd zīscht. ─
p1b_277.009
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt, p1b_277.010
Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt.
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Und donnernd sprengen die Wogen p1b_277.012
Des Gewölbes krachenden Bogen. ─
p1b_277.013
Und horch! da sprudelt es silberhell p1b_277.014
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen. ─
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(Das Metrum schmiegt sich der Thätigkeit an und ahmt das gegebene p1b_277.016
Bild nach, indem der Dichter anapästisches Maß wählt.)
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Ähnlich bei Goethe, indem er im Totentanz anapästisch das Knochengeklapper p1b_277.018
nachahmt:
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Sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut p1b_277.020
Die Hemdelein über den Hügeln.
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Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein, p1b_277.022
Gebärden da giebt es vertrackte; p1b_277.023
Dann klipperts und klapperts mitunter hinein, p1b_277.024
Als schlüg' man die Hölzlein zum Takte.
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Vgl. bei Goethe noch die gelungene Malerei in Lilis Park, 3. Absatz.
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Ebenso bei Reuter:
p1b_277.027
Un rumpel di pumpel di paff, p1b_277.028
So rastert dat Fuhrwerk die Strat nu heraf.
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Ähnlich Jul. Sturm:
p1b_277.030
Hoch über mir der Sterne Pracht, p1b_277.031
Von Wogen geschaukelt der Nachen.
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Das wiegende Galoppieren (hurre), wie das trabende Geholper (hop hop p1b_277.033
hop) malt Bürger, der auch die lautnachahmenden Vokale musterhaft wählt:
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Und hurre, hurre, hop, hop, hop! p1b_277.035
Gings fort in sausendem Galopp, p1b_277.036
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Und Kies und Funken stoben.
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Das langsame Einsetzen der Reiter und das Jntrabsetzen malt Rückert p1b_277.039
spielerisch, indem er dem beginnenden Jambus Anapäste folgen läßt:
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Sie ritten ein Rittchen zu reiten.
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(Man beachte hier auch die absichtsvolle Allitteration.)
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