p1b_262.001 die Meereswellen wechselnd sich heben und senken, anschwellen und abfließen. p1b_262.002 Der Rhythmus in der Musik ruht gleich dem Rhythmus in der Poesie in der p1b_262.003 Hebung und Senkung. Man beginnt jeden Takt mit einem stärkeren Einsatz, p1b_262.004 weshalb die Arsen auch die Kriterien des musikalischen Rhythmus sind.
p1b_262.005 3. Der Rhythmus in der Poesie ist so verschieden, als die Anordnung p1b_262.006 von Arsis und Thesis (also das Metrum) verschieden sein kann. Wir sprechen p1b_262.007 daher von einem jambischen (Breve -), trochäischen (- Breve), anapästischen (Breve Breve -) p1b_262.008 und daktylischen (- Breve Breve) Rhythmus.
p1b_262.009 Der Grundcharakter unserer Prosasprache ist ein trochäischer, weshalb die p1b_262.010 den Gegensatz liebende Poesie demselben auszuweichen strebt und den jambischen p1b_262.011 Rhythmus vorzieht, ähnlich wie beispielsweise in der spanischen Sprache mit p1b_262.012 ihrem jambischen Grundrhythmus bei poetischen Gebilden (z. B. dem Cid) der p1b_262.013 trochäische Rhythmus sich vorwiegend eingebürgert hat. Ein schönes Beispiel p1b_262.014 für die Behauptung, daß sich der künstlerische Rhythmus der Poesie allenthalben p1b_262.015 in Gegensatz zum unkünstlerischen der Prosa setzt, bilden Schillers Verse:
p1b_262.016
Wo rohe Kräfte sinnlos walten,p1b_262.017 Da kann sich kein Gebild gestalten,p1b_262.018 Wenn sich die Völker selbst befrein,p1b_262.019 Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
p1b_262.020 Diese Verse haben im Bau der Periode und fast in allen Wortfüßen p1b_262.021 trochäischen Charakter, während der Versrhythmus jambisch ist.
p1b_262.022 § 84. Unterschied zwischen Metrum und Rhythmus.
p1b_262.023 Metrum bedeutet den Verstakt (- Breve | oder Breve - | oder - Breve Breve | oder p1b_262.024 Breve Breve -) in seiner Wiederholung als dichterisch formelles Zeitmaß. p1b_262.025 Rhythmus bezeichnet ebendenselben Verstakt als musikalisches Zeitmaß p1b_262.026 und in seiner tonlichen Wirkung auf unser Ohr. Das Metrum p1b_262.027 ist die sichtbare Darstellung von einer Hebung und einer oder zwei p1b_262.028 Senkungen. Werden diese Silben gelesen, so erzeugen sie den Rhythmus, p1b_262.029 der hauptsächlich durch das Ohr wirkt und als Seele des körperlichen p1b_262.030 Metrums erscheint. Beim Metrum kommt das Zeitmaß in p1b_262.031 Betracht, beim Rhythmus der Jctus oder Verston.
p1b_262.032 Der Rhythmus ist lediglich die Musik, welche sich als Wechsel zwischen p1b_262.033 betonten und unbetonten Silben über die einzelnen Metren hinzieht und durch p1b_262.034 jede falsch betonte Silbe in ihrer regelmäßigen Folge und Harmonie gestört p1b_262.035 oder wie von einer Dissonanz unterbrochen wird. Er ist das Geistige, das sich p1b_262.036 auf der materiellen Formunterlage des Metrums weiterschwingt. Sein Wesen p1b_262.037 ist - nach Minckwitz - der eigentliche Schwung der Seele, der nach der p1b_262.038 Verschiedenheit dieses Schwunges sich in den lebensvollen Auf- und Abschwung p1b_262.039 einteilt und in diesen beiden Hauptformen die ganze Kunst und Eigentümlichkeit p1b_262.040 der Bewegung des ganzen Jnnenlebens in sich trägt und nach Außen sich p1b_262.041 ergießt. Da dieser Auf- und Abschwung die einzelnen Metren als Glieder p1b_262.042 des rhythmischen Ganzen beseelt, so können wir den Rhythmus recht wohl p1b_262.043 die Seele des Metrums nennen.
p1b_262.001 die Meereswellen wechselnd sich heben und senken, anschwellen und abfließen. p1b_262.002 Der Rhythmus in der Musik ruht gleich dem Rhythmus in der Poesie in der p1b_262.003 Hebung und Senkung. Man beginnt jeden Takt mit einem stärkeren Einsatz, p1b_262.004 weshalb die Arsen auch die Kriterien des musikalischen Rhythmus sind.
p1b_262.005 3. Der Rhythmus in der Poesie ist so verschieden, als die Anordnung p1b_262.006 von Arsis und Thesis (also das Metrum) verschieden sein kann. Wir sprechen p1b_262.007 daher von einem jambischen (⏑ –), trochäischen (– ⏑), anapästischen (⏑ ⏑ –) p1b_262.008 und daktylischen (– ⏑ ⏑) Rhythmus.
p1b_262.009 Der Grundcharakter unserer Prosasprache ist ein trochäischer, weshalb die p1b_262.010 den Gegensatz liebende Poesie demselben auszuweichen strebt und den jambischen p1b_262.011 Rhythmus vorzieht, ähnlich wie beispielsweise in der spanischen Sprache mit p1b_262.012 ihrem jambischen Grundrhythmus bei poetischen Gebilden (z. B. dem Cid) der p1b_262.013 trochäische Rhythmus sich vorwiegend eingebürgert hat. Ein schönes Beispiel p1b_262.014 für die Behauptung, daß sich der künstlerische Rhythmus der Poesie allenthalben p1b_262.015 in Gegensatz zum unkünstlerischen der Prosa setzt, bilden Schillers Verse:
p1b_262.016
Wo rohe Kräfte sinnlos walten,p1b_262.017 Da kann sich kein Gebild gestalten,p1b_262.018 Wenn sich die Völker selbst befrein,p1b_262.019 Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
p1b_262.020 Diese Verse haben im Bau der Periode und fast in allen Wortfüßen p1b_262.021 trochäischen Charakter, während der Versrhythmus jambisch ist.
p1b_262.022 § 84. Unterschied zwischen Metrum und Rhythmus.
p1b_262.023 Metrum bedeutet den Verstakt (– ⏑ │ oder ⏑ – │ oder – ⏑ ⏑ │ oder p1b_262.024 ⏑ ⏑ –) in seiner Wiederholung als dichterisch formelles Zeitmaß. p1b_262.025 Rhythmus bezeichnet ebendenselben Verstakt als musikalisches Zeitmaß p1b_262.026 und in seiner tonlichen Wirkung auf unser Ohr. Das Metrum p1b_262.027 ist die sichtbare Darstellung von einer Hebung und einer oder zwei p1b_262.028 Senkungen. Werden diese Silben gelesen, so erzeugen sie den Rhythmus, p1b_262.029 der hauptsächlich durch das Ohr wirkt und als Seele des körperlichen p1b_262.030 Metrums erscheint. Beim Metrum kommt das Zeitmaß in p1b_262.031 Betracht, beim Rhythmus der Jctus oder Verston.
p1b_262.032 Der Rhythmus ist lediglich die Musik, welche sich als Wechsel zwischen p1b_262.033 betonten und unbetonten Silben über die einzelnen Metren hinzieht und durch p1b_262.034 jede falsch betonte Silbe in ihrer regelmäßigen Folge und Harmonie gestört p1b_262.035 oder wie von einer Dissonanz unterbrochen wird. Er ist das Geistige, das sich p1b_262.036 auf der materiellen Formunterlage des Metrums weiterschwingt. Sein Wesen p1b_262.037 ist ─ nach Minckwitz ─ der eigentliche Schwung der Seele, der nach der p1b_262.038 Verschiedenheit dieses Schwunges sich in den lebensvollen Auf- und Abschwung p1b_262.039 einteilt und in diesen beiden Hauptformen die ganze Kunst und Eigentümlichkeit p1b_262.040 der Bewegung des ganzen Jnnenlebens in sich trägt und nach Außen sich p1b_262.041 ergießt. Da dieser Auf- und Abschwung die einzelnen Metren als Glieder p1b_262.042 des rhythmischen Ganzen beseelt, so können wir den Rhythmus recht wohl p1b_262.043 die Seele des Metrums nennen.
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Der Rhythmus in der Musik ruht gleich dem Rhythmus in der Poesie in der p1b_262.003
Hebung und Senkung. Man beginnt jeden Takt mit einem stärkeren Einsatz, p1b_262.004
weshalb die Arsen auch die Kriterien des musikalischen Rhythmus sind.
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3. Der Rhythmus in der Poesie ist so verschieden, als die Anordnung p1b_262.006
von Arsis und Thesis (also das Metrum) verschieden sein kann. Wir sprechen p1b_262.007
daher von einem jambischen (⏑ –), trochäischen (– ⏑), anapästischen (⏑ ⏑ –) p1b_262.008
und daktylischen (– ⏑ ⏑) Rhythmus.
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Der Grundcharakter unserer Prosasprache ist ein trochäischer, weshalb die p1b_262.010
den Gegensatz liebende Poesie demselben auszuweichen strebt und den jambischen p1b_262.011
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trochäische Rhythmus sich vorwiegend eingebürgert hat. Ein schönes Beispiel p1b_262.014
für die Behauptung, daß sich der künstlerische Rhythmus der Poesie allenthalben p1b_262.015
in Gegensatz zum unkünstlerischen der Prosa setzt, bilden Schillers Verse:
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Wo rohe Kräfte sinnlos walten, p1b_262.017
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Wenn sich die Völker selbst befrein, p1b_262.019
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.
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Diese Verse haben im Bau der Periode und fast in allen Wortfüßen p1b_262.021
trochäischen Charakter, während der Versrhythmus jambisch ist.
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§ 84. Unterschied zwischen Metrum und Rhythmus. p1b_262.023
Metrum bedeutet den Verstakt (– ⏑ │ oder ⏑ – │ oder – ⏑ ⏑ │ oder p1b_262.024
⏑ ⏑ –) in seiner Wiederholung als dichterisch formelles Zeitmaß. p1b_262.025
Rhythmus bezeichnet ebendenselben Verstakt als musikalisches Zeitmaß p1b_262.026
und in seiner tonlichen Wirkung auf unser Ohr. Das Metrum p1b_262.027
ist die sichtbare Darstellung von einer Hebung und einer oder zwei p1b_262.028
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der hauptsächlich durch das Ohr wirkt und als Seele des körperlichen p1b_262.030
Metrums erscheint. Beim Metrum kommt das Zeitmaß in p1b_262.031
Betracht, beim Rhythmus der Jctus oder Verston.
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Der Rhythmus ist lediglich die Musik, welche sich als Wechsel zwischen p1b_262.033
betonten und unbetonten Silben über die einzelnen Metren hinzieht und durch p1b_262.034
jede falsch betonte Silbe in ihrer regelmäßigen Folge und Harmonie gestört p1b_262.035
oder wie von einer Dissonanz unterbrochen wird. Er ist das Geistige, das sich p1b_262.036
auf der materiellen Formunterlage des Metrums weiterschwingt. Sein Wesen p1b_262.037
ist ─ nach Minckwitz ─ der eigentliche Schwung der Seele, der nach der p1b_262.038
Verschiedenheit dieses Schwunges sich in den lebensvollen Auf- und Abschwung p1b_262.039
einteilt und in diesen beiden Hauptformen die ganze Kunst und Eigentümlichkeit p1b_262.040
der Bewegung des ganzen Jnnenlebens in sich trägt und nach Außen sich p1b_262.041
ergießt. Da dieser Auf- und Abschwung die einzelnen Metren als Glieder p1b_262.042
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/296>, abgerufen am 22.11.2024.
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