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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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3. Von den erwähnten Accentarten unterscheiden Manche noch den sog. p1b_252.002
"ethischen Accent" nach dem Redesinn, welcher zwar nicht den grammatischen, p1b_252.003
wohl aber den syntaktischen Accent modificieren kann: Man p1b_252.004
wird nämlich nie das einzelne Wort in seinen Silbentönen des Ausdrucks p1b_252.005
wegen falsch aussprechen, wohl aber im Redesatz ein in der Arsis stehendes p1b_252.006
Nebenwort (oder ein Bindewort) gegen die allgemeine Gewohnheit dem Sinn p1b_252.007
entsprechend stärker betonen, wie dies beim Wortaccent ja zuweilen die p1b_252.008
Thesis thut.

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Noch ist ein zufälliger Accent zu erwähnen, der sog. dramatische p1b_252.010
oder hypokritische Accent, der durch die Eigenheit eines besonderen Pathos, p1b_252.011
eines Affektes, einer Leidenschaft bewirkt wird, z. B.

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Jnst das dein Knabe, Tell? p1b_252.013
Hast du der Kinder mehr?

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Seidelmann nahm (nach Palleske) in seiner Betonung die Bewegung zur p1b_252.015
Tiefe etwa so:

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Jnst das dein Knabe, Tell?

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Die dadurch entgegentretende eisige Kälte ließ "seltsam Furchtbares" erwarten. p1b_252.018
Ähnlich betonte er in:

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Du wirst den Apfel schießen von dem Kopf des Knaben.

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Das Wort "schießen" lag einen Viertelton tiefer als Apfel. Jm Beispiel:

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Mit diesem Pfeil durchschoß ich Euch!

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ist dem dramatischen Accent im Worte "Euch" ein weiter, bis in alle Lüfte p1b_252.023
dahinfahrender Spielraum geöffnet.

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Boeckh (de metr. Pind. p. 58) unterscheidet eine ganze Musterkarte p1b_252.025
von Accenten: Den accentus rhythmicus (== unser Versaccent: "non p1b_252.026
necessarie eadem cum arsi et thesi verborum
"); den accentus vocalium p1b_252.027
(a, e, i, o, u
, nach dem Grade der Helligkeit); den accentus melodicus, p1b_252.028
affectus, orationis
u. s. w.

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4. Das ästhetische Tonlesen (Deklamieren). Wenn für unsere p1b_252.030
Prosodik auch die Unterscheidung des Versaccents und des Sinnaccents genügt, p1b_252.031
so ist doch eine Berücksichtigung der verschiedenen Accentarten von nicht zu p1b_252.032
unterschätzender Bedeutung für die formale wie für die ästhetische Bildung. p1b_252.033
Es wird den Lernenden in hohem Grade fördern, wenn er mehrere weder p1b_252.034
Silbenzählung noch Metrum beachtende Gedichte, wie wir sie im Accentverse p1b_252.035
vorführen (z. B. Goethes Prometheus, Ganymed, Grenzen der Menschheit), p1b_252.036
mit Beachtung des Sinntons laut vorliest und der logischen wie der euphonischen p1b_252.037
Seite der Betonung sein Augenmerk zuwendet. Er wird bald dahin p1b_252.038
gelangen, die accentuierten Silben wie helle Tonlichter aufzufassen, die in ihrer p1b_252.039
Wiederkehr gleich erleuchteten, die Landschaft zierenden Bergspitzen das begrifflich

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J̄st dās dḗin Knābē, Tḗll? p1b_252.013
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/286>, abgerufen am 25.11.2024.