p1b_233.001 die Betonung bei unseren eigenen Schöpfungen mehr als seither in's Auge zu p1b_233.002 fassen. Dadurch kommen wir zu jenem feinen Gefühl und zu jener feineren p1b_233.003 Rhythmik, die aus Worten wie "Holzklotzpflock" nimmermehr Musik zu hören p1b_233.004 vermag. Schon ist ohne Abstraktion der Gesetze durch die Schöpfungen unserer p1b_233.005 klassischen Dichter das Ohr, d. h. der ästhetische Geschmack so weit gebildet, p1b_233.006 daß auch kleinere Geister manches Gute schaffen, ohne sich der Gesetze bewußt p1b_233.007 zu sein. Die Sprache mit ihren schönen Tonlichtern tönt und leuchtet auch p1b_233.008 ihrem durch gute Muster gebildetem Gefühle. Auch unsere Volksdichter haben p1b_233.009 von jeher - bewußt oder unbewußt - den Accent beachtet, ohne von feiner p1b_233.010 Tonwägung mehr gewußt zu haben, als griechische Volksdichter von der eigentlichen p1b_233.011 feinen Quantität wußten. Sie haben aber freilich keinerlei Beitrag für p1b_233.012 beabsichtigte Pflege der accentuierenden Metrik liefern können. Und wenn bei p1b_233.013 Goethe, Schiller, Rückert, Uhland, Heine, Freiligrath, Geibel, Gottschall, p1b_233.014 Hamerling, Scheffel &c. (aus deren Werken wir mühsam genug teilweise die p1b_233.015 Regeln unserer accentuierenden Metrik abstrahieren konnten) arge Verstöße vorkommen, p1b_233.016 so bleiben dieselben doch vereinzelt, während das Produkt des selbst p1b_233.017 talentvollen, unterrichteten, dilettantischen Versbildners die Betonungsfehler in p1b_233.018 jeder Strophe ersehen läßt. Erst bei genauerem wissenschaftlichem Studium der p1b_233.019 Betonungsgesetze wird unsere Poesie mit der Zeit eine klassische Höhe erreichen, p1b_233.020 die uns - vielleicht teilweise - sogar auf den Reim verzichten lassen wird.
p1b_233.022 1. Die deutsche Betonung ist gesetzmäßig berechtigt.
p1b_233.023 2. Grundgesetz für unsere Betonung ist: Der Accent ruht stets p1b_233.024 auf dem Stamm des Wortes.
p1b_233.025 3. Für richtige Erkenntnis dieses Gesetzes ist Kenntnis des Stamms p1b_233.026 und der sog. Accessorien nötig.
p1b_233.027 1. Die deutsche Betonung, der bis zum heutigen Tage in unserer Litteratur p1b_233.028 theoretisch viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, ist weder zufällig, p1b_233.029 noch willkürlich. Sie ist einer strengen Methode der Behandlung fähig, was die p1b_233.030 nachstehenden Paragraphen beweisen werden. Sie ermöglicht es dem Forscher, p1b_233.031 Gesetze (Accentgesetze) auf Grundlage sinnlicher Anschauung und Wahrnehmung p1b_233.032 durch Jnduktion und aus einem Prinzip durch Deduktion zu gewinnen. Liefern p1b_233.033 wir hier den Beweis im weitesten Umriß! Die begrifflich bedeutsamste Silbe, p1b_233.034 von welcher der Accent angezogen wird, ist die Stammsilbe. Alle deutschen p1b_233.035 Wörter lassen sich auf einen einsilbigen Stamm zurückführen,p1b_233.036 der das Betonungsgewicht hat. So hat sich unsere Sprache, so unsere p1b_233.037 Betonung gebildet. Von diesem Gesichtspunkt müssen wir p1b_233.038 beim Aufbau unserer Prosodik ausgehen.
p1b_233.039 2. Grundregel für die deutsche Betonung ist somit: Der Accent ruht p1b_233.040 auf dem Wortstamm, auf der Wurzel. Da unsere Sprache trochäischen p1b_233.041 Rhythmus hat, indem die meisten Wörter mit der Wurzel beginnen (z. B. - Breve
p1b_233.001 die Betonung bei unseren eigenen Schöpfungen mehr als seither in's Auge zu p1b_233.002 fassen. Dadurch kommen wir zu jenem feinen Gefühl und zu jener feineren p1b_233.003 Rhythmik, die aus Worten wie „Holzklotzpflock“ nimmermehr Musik zu hören p1b_233.004 vermag. Schon ist ohne Abstraktion der Gesetze durch die Schöpfungen unserer p1b_233.005 klassischen Dichter das Ohr, d. h. der ästhetische Geschmack so weit gebildet, p1b_233.006 daß auch kleinere Geister manches Gute schaffen, ohne sich der Gesetze bewußt p1b_233.007 zu sein. Die Sprache mit ihren schönen Tonlichtern tönt und leuchtet auch p1b_233.008 ihrem durch gute Muster gebildetem Gefühle. Auch unsere Volksdichter haben p1b_233.009 von jeher ─ bewußt oder unbewußt ─ den Accent beachtet, ohne von feiner p1b_233.010 Tonwägung mehr gewußt zu haben, als griechische Volksdichter von der eigentlichen p1b_233.011 feinen Quantität wußten. Sie haben aber freilich keinerlei Beitrag für p1b_233.012 beabsichtigte Pflege der accentuierenden Metrik liefern können. Und wenn bei p1b_233.013 Goethe, Schiller, Rückert, Uhland, Heine, Freiligrath, Geibel, Gottschall, p1b_233.014 Hamerling, Scheffel &c. (aus deren Werken wir mühsam genug teilweise die p1b_233.015 Regeln unserer accentuierenden Metrik abstrahieren konnten) arge Verstöße vorkommen, p1b_233.016 so bleiben dieselben doch vereinzelt, während das Produkt des selbst p1b_233.017 talentvollen, unterrichteten, dilettantischen Versbildners die Betonungsfehler in p1b_233.018 jeder Strophe ersehen läßt. Erst bei genauerem wissenschaftlichem Studium der p1b_233.019 Betonungsgesetze wird unsere Poesie mit der Zeit eine klassische Höhe erreichen, p1b_233.020 die uns ─ vielleicht teilweise ─ sogar auf den Reim verzichten lassen wird.
p1b_233.022 1. Die deutsche Betonung ist gesetzmäßig berechtigt.
p1b_233.023 2. Grundgesetz für unsere Betonung ist: Der Accent ruht stets p1b_233.024 auf dem Stamm des Wortes.
p1b_233.025 3. Für richtige Erkenntnis dieses Gesetzes ist Kenntnis des Stamms p1b_233.026 und der sog. Accessorien nötig.
p1b_233.027 1. Die deutsche Betonung, der bis zum heutigen Tage in unserer Litteratur p1b_233.028 theoretisch viel zu wenig Beachtung geschenkt wurde, ist weder zufällig, p1b_233.029 noch willkürlich. Sie ist einer strengen Methode der Behandlung fähig, was die p1b_233.030 nachstehenden Paragraphen beweisen werden. Sie ermöglicht es dem Forscher, p1b_233.031 Gesetze (Accentgesetze) auf Grundlage sinnlicher Anschauung und Wahrnehmung p1b_233.032 durch Jnduktion und aus einem Prinzip durch Deduktion zu gewinnen. Liefern p1b_233.033 wir hier den Beweis im weitesten Umriß! Die begrifflich bedeutsamste Silbe, p1b_233.034 von welcher der Accent angezogen wird, ist die Stammsilbe. Alle deutschen p1b_233.035 Wörter lassen sich auf einen einsilbigen Stamm zurückführen,p1b_233.036 der das Betonungsgewicht hat. So hat sich unsere Sprache, so unsere p1b_233.037 Betonung gebildet. Von diesem Gesichtspunkt müssen wir p1b_233.038 beim Aufbau unserer Prosodik ausgehen.
p1b_233.039 2. Grundregel für die deutsche Betonung ist somit: Der Accent ruht p1b_233.040 auf dem Wortstamm, auf der Wurzel. Da unsere Sprache trochäischen p1b_233.041 Rhythmus hat, indem die meisten Wörter mit der Wurzel beginnen (z. B. – ⏑
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die Betonung bei unseren eigenen Schöpfungen mehr als seither in's Auge zu p1b_233.002
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von jeher ─ bewußt oder unbewußt ─ den Accent beachtet, ohne von feiner p1b_233.010
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§ 72. Grundgesetz unserer gegenwärtigen Prosodik. p1b_233.022
1. Die deutsche Betonung ist gesetzmäßig berechtigt.
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2. Grundgesetz für unsere Betonung ist: Der Accent ruht stets p1b_233.024
auf dem Stamm des Wortes.
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1. Die deutsche Betonung, der bis zum heutigen Tage in unserer Litteratur p1b_233.028
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nachstehenden Paragraphen beweisen werden. Sie ermöglicht es dem Forscher, p1b_233.031
Gesetze (Accentgesetze) auf Grundlage sinnlicher Anschauung und Wahrnehmung p1b_233.032
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2. Grundregel für die deutsche Betonung ist somit: Der Accent ruht p1b_233.040
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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