Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_198.001 p1b_198.002 Liebreicher Haß, streitsüchtige Liebe! p1b_198.006 p1b_198.011Du Alles aus dem Nichts zuerst erschaffen! p1b_198.007 Schwermüt'ger Leichtsinn! ernste Tändelei! p1b_198.008 Entstelltes Chaos glänzender Gestalten! p1b_198.009 Bleischwinge! lichter Rauch und kalte Glut! p1b_198.010 Stets wacher Schlaf! Dein eignes Widerspiel. (Shakespeare, Romeo und Julie.) p1b_198.012Heil dir, hoher Feuerkönig, Frühling Salamander, p1b_198.013 p1b_198.018Unverbrennlich brennender im ew'gen Blumenfeuer! p1b_198.014 Sterbend im Duftwürzebrand und lebend, ewig neuer! p1b_198.015 Liebender mit Feuerküssen, tötender Beleber, p1b_198.016 Wilder, heißer, süßer, starker, treuer, ungetreuer! p1b_198.017 Spaltender mit Lilienschwerte Winters frost'ge Panzer. (Rückert.) p1b_198.019Dem Taumel weih' ich mich, dem schmerzlichsten Genuß, p1b_198.020 Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß. (Goethe.) p1b_198.021 p1b_198.022 p1b_198.027 p1b_198.031 Denn ihr wißt, wohl ist mein Sohn, p1b_198.033 p1b_198.035Wenn alles gut geht, ein bewundernswürd'ger Held, p1b_198.034 Doch wenn es mißlingt, - pflichtig keiner Rechenschaft. (Äschylus: Die Perser; nach Droysen.) p1b_198.036Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, p1b_198.037 p1b_198.038Und würd' er in Ketten geboren. (Schiller, Worte des Glaubens.) p1b_198.039Eine Frechheit, bei meiner Ehre: die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe. p1b_198.040(Ders. in Kabale und Liebe.) p1b_198.041Wohl ausgesonnen, Pater Lamormain! p1b_198.042 p1b_198.044Wär' der Gedank' nicht so verwünscht gescheit, p1b_198.043 Man wär' versucht, ihn herzlich dumm zu nennen. (Ders. in: Die Piccolomini, 2. Akt, 7. 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Beispiele des Oxymoron:
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Alter Junge; beredtes Schweigen; süßes Grauen (Uhland); süßer Schmerz; p1b_198.003
bittres Vergnügen; selig=unselige Geistersöhne (A. Moser); unselige Seligkeit p1b_198.004
(Heyse); übersinnlich=sinnlicher Freier (Goethe); wollustvolles Grausen (Schiller).
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Liebreicher Haß, streitsüchtige Liebe! p1b_198.006
Du Alles aus dem Nichts zuerst erschaffen! p1b_198.007
Schwermüt'ger Leichtsinn! ernste Tändelei! p1b_198.008
Entstelltes Chaos glänzender Gestalten! p1b_198.009
Bleischwinge! lichter Rauch und kalte Glut! p1b_198.010
Stets wacher Schlaf! Dein eignes Widerspiel.
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(Shakespeare, Romeo und Julie.)
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Heil dir, hoher Feuerkönig, Frühling Salamander, p1b_198.013
Unverbrennlich brennender im ew'gen Blumenfeuer! p1b_198.014
Sterbend im Duftwürzebrand und lebend, ewig neuer! p1b_198.015
Liebender mit Feuerküssen, tötender Beleber, p1b_198.016
Wilder, heißer, süßer, starker, treuer, ungetreuer! p1b_198.017
Spaltender mit Lilienschwerte Winters frost'ge Panzer.
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(Rückert.)
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Dem Taumel weih' ich mich, dem schmerzlichsten Genuß, p1b_198.020
Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
(Goethe.)
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γ. Das Paradoxon.
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Das Paradoxon (παράδοξον == unerwartet) ist eine Figur, welche p1b_198.023
zwei sich widersprechende Begriffe zu einem Gedanken in einem oder in p1b_198.024
mehreren Sätzen vereinigt. (Paradoxie ist die auffallende Sonderbarkeit p1b_198.025
in kühnen Behauptungen, Paradoxomanie die Sucht, Paradoxen p1b_198.026
zu bilden.)
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Das Paradoxon verstößt in seiner Lösung gegen die gewöhnliche Meinung p1b_198.028
und Erwartung, gegen allgemein als wahr angenommene Ansichten, obwohl p1b_198.029
es meist begründet ist. Nach Rousseau ist Paradoxon eine Meinung, die um p1b_198.030
hundert Jahre zu früh ausgesprochen wird.
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Beispiele des Paradoxon:
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Denn ihr wißt, wohl ist mein Sohn, p1b_198.033
Wenn alles gut geht, ein bewundernswürd'ger Held, p1b_198.034
Doch wenn es mißlingt, ─ pflichtig keiner Rechenschaft.
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(Äschylus: Die Perser; nach Droysen.)
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Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, p1b_198.037
Und würd' er in Ketten geboren.
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(Schiller, Worte des Glaubens.)
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Eine Frechheit, bei meiner Ehre: die ich ihrer Seltenheit wegen vergebe.
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(Ders. in Kabale und Liebe.)
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