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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Abwechslung der das Klaffen, die Bewegung und das Rufen nachahmenden p1b_128.002
Vokale Bürger im wilden Jäger:

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Laut klifft und klafft es, frei vom Koppel, p1b_128.004
Durch Korn und Dorn, durch Heid' und Stoppel - - p1b_128.005
Rischrasch quer über'n Kreuzweg ging's p1b_128.006
Mit Horridoh und Hussasa.

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Goethe in folgendem Chore (Faust), wo neben dem schönen Wechsel von p1b_128.008
Vokalen noch Allitteration, Reim, Rhythmus und Konsonantenverbindungen malerisch p1b_128.009
verwertet sind:

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Wenn sich lau die Lüfte füllen p1b_128.011
Um den grün umschränkten Plan, p1b_128.012
Süße Düfte, Nebelhüllen p1b_128.013
Senkt die Dämmerung heran. p1b_128.014
Lispelt leise süßen Frieden, p1b_128.015
Wiegt das Herz in Kindesruh'; p1b_128.016
Und den Augen dieses Müden p1b_128.017
Schließt des Tages Pforte zu. p1b_128.018
Nacht ist schon hereingesunken, p1b_128.019
Schließt sich heilig Stern an Stern; p1b_128.020
Große Lichter, kleine Funken p1b_128.021
Glitzern nah und glänzen fern, p1b_128.022
Glitzern hier, im See sich spiegelnd, p1b_128.023
Glänzen droben klarer Nacht, p1b_128.024
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd, p1b_128.025
Herrscht des Mondes volle Pracht &c.

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Drastisch anschaulich malt der hyperbolische Blumauer in seiner Liebeserklärung p1b_128.027
eines Kraftgenies:

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Ha! wie rudert meine Seele p1b_128.029
Nun in der Empfindung Ocean? p1b_128.030
Laute Seufzer sprengen mir die Kehle, p1b_128.031
Die man auf zehn Meilen hören kann u. s. w.

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Bei den Konsonanten giebt oft schon der Ton die eigenartige Stimmung:

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Jedem Worte klingt p1b_128.034
Der Ursprung nach, wo es sich herbedingt; p1b_128.035
Grau, grämlich, griesgram, gräulich, Gräber, grimmig, p1b_128.036
Etymologisch gleicherweise stimmig, p1b_128.037
Verstimmen uns.
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(Goethe, Faust II.)

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Als Beispiel, wie Z und P und ck im obigen Sinne Verwendung fanden, p1b_128.040
mögen die Worte Schillers gelten:

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Da reiz' ich sie, den Wurm zu packen, p1b_128.042
Die spitzen Zähne einzuhacken.

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Ebenso ist für die Anwendung des l charakteristisch, wie die Vorstellung p1b_128.044
durch das fortleuchtende l bis zum Schluß rege erhalten bleibt:

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Abwechslung der das Klaffen, die Bewegung und das Rufen nachahmenden p1b_128.002
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Laut klifft und klafft es, frei vom Koppel, p1b_128.004
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Goethe in folgendem Chore (Faust), wo neben dem schönen Wechsel von p1b_128.008
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Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd, p1b_128.025
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Drastisch anschaulich malt der hyperbolische Blumauer in seiner Liebeserklärung p1b_128.027
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(Goethe, Faust II.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/162>, abgerufen am 27.11.2024.