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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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oder Beleber, Welterfreuer, Gramgewölkzerstörer, Feindesburgenkampferstürmer). p1b_118.002
Jnteressant sind Rückerts das Zierliche spielend bezeichnende Diminutivbildungen in: p1b_118.003
"die Göttin im Putzzimmer" (Alle die Nischchen, alle die Zellchen u. s. w.).

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Durch veraltete mundartliche oder eigentümlich gebrauchte, einfache und p1b_118.005
zusammengesetzte Substantiva verstand es Rückert, der Sprache jugendliche Spannkraft p1b_118.006
zu verleihen. Er gebraucht z. B. Ämse für Ameise, Kluf für Nadel, p1b_118.007
Läubchen für Laubblättchen, Sturzel für Wurzelende &c. &c.

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Ebenso gebraucht er abstrakte, von Verben oder Adjektiven gebildete p1b_118.009
Feminina, z. B. Dumpfe, Freie, Grüne, Süße, Heitre (für Heiterkeit) &c. Er p1b_118.010
wendet ungebräuchliche Plurale an, z. B. Dorne, Frühen, Gewölker, Gräule, p1b_118.011
Läger, Nahten (Nähte), Thale &c. Er gebraucht Substantiva mit auslautendem, p1b_118.012
längst weggefallenem e, z. B. Fraue, Scheue, Gehirne. Ebenso ungewöhnliche p1b_118.013
Ableitungen, z. B. Blitzleuchtung, Entflörung, Entkümmerung, Lustumfangung, p1b_118.014
Redepflegung, Siegung, Siedlung.

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Reich ist er in Erneuerung veralteter, seltener, mundartlicher, eigentümlich p1b_118.016
gebrauchter oder von Substantiven und Adjektiven abgeleiteter Verben, z. B. p1b_118.017
abstrupfen, abzeilen, bedunken, beschmitzen, betraufen, bewandeln, deuchten, p1b_118.018
deutschen, entthören, funken, gehren, grüben, holpern, nachbleiben, verschleudern, p1b_118.019
zwinken. Namentlich durch Zeitwörter, welche leblosen Gegenständen menschliche p1b_118.020
Thätigkeiten und Empfindungen beilegen, weiß er die Anschaulichkeit zu beleben p1b_118.021
und eine große Wirkung zu erzielen. (Jch erinnere an die Dichtungen "sterbende p1b_118.022
Blume", "Edelstein und Perle".) Neu, wenn auch nicht durchweg vollschön - p1b_118.023
sind viele seiner Adjektiva, z. B. blach, buttig, butzig, labendlich, läßlich, magdiglich, p1b_118.024
rosenfar, schmettrigsträubig, bedenklos, haarfeinwuchsig &c. Wem solche p1b_118.025
Adjektiva gewagt erscheinen sollten, den machen wir auf ein einziges Widerlegungsmoment p1b_118.026
aufmerksam, daß z. B. das von Simon Dach zuerst in unsere p1b_118.027
Sprache eingeführte Wort furchtlos von Gottsched als sehr gewagte Neuerung p1b_118.028
verurteilt wurde. Der erste König Württembergs wählte die Devise: "Furchtlos p1b_118.029
und treu!" Jetzt ist das Wort populär.

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Neu sind viele Rückertsche Adverbia, z. B. aldar, ebensam, jach, selb. p1b_118.031
Neu ist, wie Rückert die Silbe lich an's Partizip anhängt, was bis jetzt nur p1b_118.032
an das Substantiv geschah, z. B. Feind=lich, Tugend=lich, Freund=lich, p1b_118.033
Frevent=lich (aus Frevel mit nt zur Vermeidung der beiden l), Schade=lich p1b_118.034
(schädlich), Liebe=lich (lieblich), Güte=lich (gütlich), Herze=lich (herzlich), Lacher=lich p1b_118.035
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Jnfinitiv, bei welchem des Wohllauts wegen ein t eingeschaltet wurde, p1b_118.037
z. B. hoffentlich, wissentlich. Jm Gegensatz hierzu schreibt Rückert labendlich p1b_118.038
(statt labentlich). Rosenfar ist eine Rückertsche Entlehnung aus dem mhd.; sie p1b_118.039
stammt von Walther von der Vogelweide: "liljenvar" (vgl. v. d. Hagens p1b_118.040
Minnesinger Bd. I. 244. Nr. 44. 3. Strophe). - Auf diejenigen, welche p1b_118.041
manche Rückertsche Neubildungen als bloße Spielereien ansehen, paßt Goethes p1b_118.042
Wort:

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Sie sagen, das mutet mich nicht an! p1b_118.044
Und meinen, sie hätten's abgethan.

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oder Beleber, Welterfreuer, Gramgewölkzerstörer, Feindesburgenkampferstürmer). p1b_118.002
Jnteressant sind Rückerts das Zierliche spielend bezeichnende Diminutivbildungen in: p1b_118.003
„die Göttin im Putzzimmer“ (Alle die Nischchen, alle die Zellchen u. s. w.).

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Durch veraltete mundartliche oder eigentümlich gebrauchte, einfache und p1b_118.005
zusammengesetzte Substantiva verstand es Rückert, der Sprache jugendliche Spannkraft p1b_118.006
zu verleihen. Er gebraucht z. B. Ämse für Ameise, Kluf für Nadel, p1b_118.007
Läubchen für Laubblättchen, Sturzel für Wurzelende &c. &c.

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Ebenso gebraucht er abstrakte, von Verben oder Adjektiven gebildete p1b_118.009
Feminina, z. B. Dumpfe, Freie, Grüne, Süße, Heitre (für Heiterkeit) &c. Er p1b_118.010
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und eine große Wirkung zu erzielen. (Jch erinnere an die Dichtungen „sterbende p1b_118.022
Blume“, „Edelstein und Perle“.) Neu, wenn auch nicht durchweg vollschön ─ p1b_118.023
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aufmerksam, daß z. B. das von Simon Dach zuerst in unsere p1b_118.027
Sprache eingeführte Wort furchtlos von Gottsched als sehr gewagte Neuerung p1b_118.028
verurteilt wurde. Der erste König Württembergs wählte die Devise: „Furchtlos p1b_118.029
und treu!“ Jetzt ist das Wort populär.

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Neu sind viele Rückertsche Adverbia, z. B. aldar, ebensam, jach, selb. p1b_118.031
Neu ist, wie Rückert die Silbe lich an's Partizip anhängt, was bis jetzt nur p1b_118.032
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Frevent=lich (aus Frevel mit nt zur Vermeidung der beiden l), Schade=lich p1b_118.034
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stammt von Walther von der Vogelweide: »liljenvar« (vgl. v. d. Hagens p1b_118.040
Minnesinger Bd. I. 244. Nr. 44. 3. Strophe). ─ Auf diejenigen, welche p1b_118.041
manche Rückertsche Neubildungen als bloße Spielereien ansehen, paßt Goethes p1b_118.042
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/152>, abgerufen am 22.11.2024.