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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Das Schöne enthüllt sich dem Gebildeten 1) im Wechsel der Form p1b_083.002
(Rhythmus), 2) in der Proportionalität (goldner Schnitt), 3) in dem p1b_083.003
die Maße ersetzenden Gewicht.

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Die Kenntnis der ästhetischen Gesetze muß anerzogen, abstrahiert, geübt p1b_083.005
und gelernt werden. Sie ist nicht angeboren. Die Wissenschaft soll uns lehren p1b_083.006
und bilden. Der Dichter muß die Gesetze des Schönen von andern Dichtern p1b_083.007
gelernt haben, wenn er sie üben soll. Er muß die Ordnung oder das regelnde p1b_083.008
Gesetz erschaut haben, in welchem die Jdee entsteht und erscheint. Dann erst p1b_083.009
kann er die in ihrer reinsten Gesetzmäßigkeit sich zeigende Jdee in der Erscheinung p1b_083.010
(d. i. das Jdeal) erstreben. Wir sind heute im Gegensatz zu einer p1b_083.011
früheren spekulativen Ästhetik so weit, um einzusehen, daß das Sehen und Hören p1b_083.012
nach der physikalischen und physiologischen Seite, das Erfassen von Bewegung, p1b_083.013
Licht, Klang, das erste Fundament für die gesamte ästhetische Thätigkeit abgiebt, und p1b_083.014
daß allein das wissenschaftliche Beobachten zuverlässige Aufschlüsse und Erklärungen p1b_083.015
über unser ästhetisches Auffassen und Urteilen liefert. Das ist ein p1b_083.016
großer Fortschritt und lediglich das Resultat der naturwissenschaftlichen p1b_083.017
Methode in der Ästhetik.
Erst seit z. B. der Ton als eine Zusammensetzung p1b_083.018
von Schwingungen aufgefaßt wurde, kann man sich sagen, daß eine p1b_083.019
Vielheit, Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit der Schwingungen zum Wohlgefallen p1b_083.020
nötig ist, worin eine zahlenmäßige Einheit liegen muß, die das Ganze durchzieht p1b_083.021
und die Summe der Beobachtungen gewissermaßen als Grundgesetz für p1b_083.022
unser ästhetisches Empfindungsleben erscheinen läßt. Die Vielheit entsteht durch p1b_083.023
Teilung der Einheit (z. B. in der Strophenbildung). Aus der Gruppierung p1b_083.024
der Teile zur Einheit entsteht die Gliederung. Die Grenze liegt im ästhetisch p1b_083.025
gebildeten Gefühl des Einzelnen, wie des bestimmten, ganzen Volks. (Man p1b_083.026
vgl. griechische Kunst mit orientalischer.) Übertriebene Gliederung ist in jeder p1b_083.027
Kunst unschön. Einheit bedingt Ganzheit, also Lückenlosigkeit, Vollständigkeit, p1b_083.028
sowie Freiheit in der Entwicklung der Jdee zum schönen Ausdruck, zur p1b_083.029
Schönheitsform. Jn dieser Beziehung könnte die nach naturwissenschaftlicher p1b_083.030
Methode verfahrende Erkenntnis des Schönen dieses als Freiheit in der p1b_083.031
Erscheinung bezeichnen,
welche harmonische Bildung erstrebt und Werke p1b_083.032
hervorruft, von denen man sagen kann: das Schöne ist das harmonisch p1b_083.033
Gebildete.

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1. Wechsel der Form (Rhythmus).

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Es ist nicht nötig, daß gleiche Teileinheiten gleichmäßig zusammengesetzt p1b_083.036
sind, vielmehr wirkt Wechsel der Form, bei welchem die vermittelten p1b_083.037
Gegensätze in einander überfließen, wohlgefällig. Wir nennen p1b_083.038
diesen Wechsel Rhythmus.

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Rhythmus bedeutet für unser Ohr und Auge das durch den Wechsel erzeugte p1b_083.040
Wohlgefallen. Hogarth nennt in dieser Beziehung die Wellenlinie wegen p1b_083.041
des Rhythmus ihrer Bewegung die Schönheitslinie und macht sie zum p1b_083.042
Ausgangspunkt seiner Ästhetik. Wie im Raume, so ist es in der Zeit. Ein p1b_083.043
Wechsel entsteht durch Änderung der Zeitform, also etwa - (Trochäus)

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Das Schöne enthüllt sich dem Gebildeten 1) im Wechsel der Form p1b_083.002
(Rhythmus), 2) in der Proportionalität (goldner Schnitt), 3) in dem p1b_083.003
die Maße ersetzenden Gewicht.

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Die Kenntnis der ästhetischen Gesetze muß anerzogen, abstrahiert, geübt p1b_083.005
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Licht, Klang, das erste Fundament für die gesamte ästhetische Thätigkeit abgiebt, und p1b_083.014
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Erst seit z. B. der Ton als eine Zusammensetzung p1b_083.018
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hervorruft, von denen man sagen kann: das Schöne ist das harmonisch p1b_083.033
Gebildete.

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1. Wechsel der Form (Rhythmus).

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Rhythmus bedeutet für unser Ohr und Auge das durch den Wechsel erzeugte p1b_083.040
Wohlgefallen. Hogarth nennt in dieser Beziehung die Wellenlinie wegen p1b_083.041
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/117>, abgerufen am 22.11.2024.