Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Historische Einleitung. tige Beurtheilung hie und da einzelne Romanisten bei derRechtspflege betheiligt wurden. Allein darauf beschränkte sich deren Geschäftsthätigkeit nicht. Ihnen kam überhaupt die Achtung zu Statten, welche ein nach geistiger Bildung rin- gendes Geschlecht vor den, wenn auch noch so rohen Vertre- tern classischer Studien hegte, -- eine Achtung, welche auch dadurch nicht beseitigt werden konnte, daß die gepriesene Weis- heit der Doctoren zum großen Theile nur im Nachbeten ihrer wälschen Auctoritäten bestand, und welche gerade bei der halb- gebildeten vornehmen Welt am Größten gewesen seyn wird, während der gesunde Witz und das tiefere Rechtsgefühl des Volkes den Schein eher von der Wirklichkeit zu unterscheiden wußte*). Aber die Romanisten hatten doch in jedem Fall den Vorzug einer größeren formellen Geistescultur voraus; sie wa- ren der lateinischen Sprache mächtig und hatten sich über- haupt den Geschäftsstyl der damaligen Zeit angeeignet, was sie namentlich zu diplomatischen Verhandlungen befähigte und in den Rath der Fürsten und der angesehenen Corporationen brachte. Hier vertraten sie, im Gegensatz zu den convulsivi- schen Bewegungen einer anarchischen Zeit, die Herrschaft des *) In mancher Beziehung erinnert das Auftreten der Romanisten in Deutschland an das der Franzosen oder französirten Deutschen des 17. und 18. Jahrhunderts. Kaiser Maximilian I., ein Mann von schlichter deutscher Art, mochte sie daher auch nicht, wie Fugger im Ehrenspiegel von ihm erzählt (bei Senckenberg, method. jur. in app. III. §. 54. Note 6): "Sonsten wie er wol alle Gelehrten lieb und wert hielte, so hat er doch die Juristen, welche des Bartoli und Baldi Schrifften und Mei- nungen als ohnfelbare Oracula und Götter-Aussprüche zu allegiren und anzuführen pflegten, gehasset, und nit an sich leiden mögen." -- Wie schlimm es den Romanisten zuweilen in den Schöffengerichten erging, sieht man aus mehren Erzählungen; vgl. Maurer, Geschichte des altgerman. Gerichtsverf. S. 253. 311. 3*
Hiſtoriſche Einleitung. tige Beurtheilung hie und da einzelne Romaniſten bei derRechtspflege betheiligt wurden. Allein darauf beſchraͤnkte ſich deren Geſchaͤftsthaͤtigkeit nicht. Ihnen kam uͤberhaupt die Achtung zu Statten, welche ein nach geiſtiger Bildung rin- gendes Geſchlecht vor den, wenn auch noch ſo rohen Vertre- tern claſſiſcher Studien hegte, — eine Achtung, welche auch dadurch nicht beſeitigt werden konnte, daß die geprieſene Weis- heit der Doctoren zum großen Theile nur im Nachbeten ihrer waͤlſchen Auctoritaͤten beſtand, und welche gerade bei der halb- gebildeten vornehmen Welt am Groͤßten geweſen ſeyn wird, waͤhrend der geſunde Witz und das tiefere Rechtsgefuͤhl des Volkes den Schein eher von der Wirklichkeit zu unterſcheiden wußte*). Aber die Romaniſten hatten doch in jedem Fall den Vorzug einer groͤßeren formellen Geiſtescultur voraus; ſie wa- ren der lateiniſchen Sprache maͤchtig und hatten ſich uͤber- haupt den Geſchaͤftsſtyl der damaligen Zeit angeeignet, was ſie namentlich zu diplomatiſchen Verhandlungen befaͤhigte und in den Rath der Fuͤrſten und der angeſehenen Corporationen brachte. Hier vertraten ſie, im Gegenſatz zu den convulſivi- ſchen Bewegungen einer anarchiſchen Zeit, die Herrſchaft des *) In mancher Beziehung erinnert das Auftreten der Romaniſten in Deutſchland an das der Franzoſen oder franzoͤſirten Deutſchen des 17. und 18. Jahrhunderts. Kaiſer Maximilian I., ein Mann von ſchlichter deutſcher Art, mochte ſie daher auch nicht, wie Fugger im Ehrenſpiegel von ihm erzaͤhlt (bei Senckenberg, method. jur. in app. III. §. 54. Note 6): „Sonſten wie er wol alle Gelehrten lieb und wert hielte, ſo hat er doch die Juriſten, welche des Bartoli und Baldi Schrifften und Mei- nungen als ohnfelbare Oracula und Goͤtter-Ausſpruͤche zu allegiren und anzufuͤhren pflegten, gehaſſet, und nit an ſich leiden moͤgen.“ — Wie ſchlimm es den Romaniſten zuweilen in den Schoͤffengerichten erging, ſieht man aus mehren Erzaͤhlungen; vgl. Maurer, Geſchichte des altgerman. Gerichtsverf. S. 253. 311. 3*
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Hiſtoriſche Einleitung.
tige Beurtheilung hie und da einzelne Romaniſten bei der
Rechtspflege betheiligt wurden. Allein darauf beſchraͤnkte ſich
deren Geſchaͤftsthaͤtigkeit nicht. Ihnen kam uͤberhaupt die
Achtung zu Statten, welche ein nach geiſtiger Bildung rin-
gendes Geſchlecht vor den, wenn auch noch ſo rohen Vertre-
tern claſſiſcher Studien hegte, — eine Achtung, welche auch
dadurch nicht beſeitigt werden konnte, daß die geprieſene Weis-
heit der Doctoren zum großen Theile nur im Nachbeten ihrer
waͤlſchen Auctoritaͤten beſtand, und welche gerade bei der halb-
gebildeten vornehmen Welt am Groͤßten geweſen ſeyn wird,
waͤhrend der geſunde Witz und das tiefere Rechtsgefuͤhl des
Volkes den Schein eher von der Wirklichkeit zu unterſcheiden
wußte *). Aber die Romaniſten hatten doch in jedem Fall den
Vorzug einer groͤßeren formellen Geiſtescultur voraus; ſie wa-
ren der lateiniſchen Sprache maͤchtig und hatten ſich uͤber-
haupt den Geſchaͤftsſtyl der damaligen Zeit angeeignet, was
ſie namentlich zu diplomatiſchen Verhandlungen befaͤhigte und
in den Rath der Fuͤrſten und der angeſehenen Corporationen
brachte. Hier vertraten ſie, im Gegenſatz zu den convulſivi-
ſchen Bewegungen einer anarchiſchen Zeit, die Herrſchaft des
*) In mancher Beziehung erinnert das Auftreten der Romaniſten in
Deutſchland an das der Franzoſen oder franzoͤſirten Deutſchen des 17.
und 18. Jahrhunderts. Kaiſer Maximilian I., ein Mann von ſchlichter
deutſcher Art, mochte ſie daher auch nicht, wie Fugger im Ehrenſpiegel
von ihm erzaͤhlt (bei Senckenberg, method. jur. in app. III. §. 54.
Note 6): „Sonſten wie er wol alle Gelehrten lieb und wert hielte, ſo hat
er doch die Juriſten, welche des Bartoli und Baldi Schrifften und Mei-
nungen als ohnfelbare Oracula und Goͤtter-Ausſpruͤche zu allegiren und
anzufuͤhren pflegten, gehaſſet, und nit an ſich leiden moͤgen.“ — Wie
ſchlimm es den Romaniſten zuweilen in den Schoͤffengerichten erging, ſieht
man aus mehren Erzaͤhlungen; vgl. Maurer, Geſchichte des altgerman.
Gerichtsverf. S. 253. 311.
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