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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Werth des Juristenrechts.
lichen Behandlung unterworfen ward, um nur den ihm wider-
strebenden Verhältnissen angepaßt zu werden, so litten doch
auch diese unter der neu geformten Regel, weil sie ihnen so
häufig von außen her zugetragen ward, und nicht in einer
tieferen Begründung aus ihnen selbst gezogen werden konnte.
Da aber die Juristen einmal aus dem inneren Zusammenhange
mit dem nationalen Rechtsleben gekommen waren, und sie
diesen auch durch gelehrte germanistische Studien nicht wieder
herzustellen vermochten, so geschah es, daß sie manche Lehren
zur Geltung brachten, in der Meinung vielleicht, dem einhei-
mischen Recht ein wichtiges Zugeständniß zu machen, und da-
bei gerade dessen Geist am Wenigsten erfaßten. So haben
sie den reichen Formalismus, welcher das deutsche Rechtsleben
beherrschte, in das Princip der Klagbarkeit aller Verträge auf-
gehen lassen, wodurch kein geringerer Schaden, als durch die
Zerrüttung der gerichtlichen Auflassung angerichtet worden; so
haben sie ferner die Erbverträge zu einem allgemein gültigen
Institut ausgesponnen, und gerade da, wo sie am Platze ge-
wesen wären, bei den wechselseitigen Zuwendungen der Ehe-
gatten das Princip der letztwilligen Verfügung im reciproken
Testamente durchgeführt, obgleich dieses durchaus unfähig ist,
die ihm zugewiesene Aufgabe zu erfüllen.

Ist nun nach dem Angeführten der Werth des deutschen
Juristenrechts im Allgemeinen nicht hoch zu stellen, so ist da-
mit doch noch nicht gesagt, daß es ohne alles Verdienst ist,
und daß nicht im Einzelnen manche zweckmäßige, dem Be-
dürfniß entsprechende Rechtsbildung dadurch hervorgerufen wor-
den. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß ge-
rade um die Begründung und Befestigung des gemeinen
Rechts im Gegensatz zu dem bloß particulären die Juristen

Werth des Juriſtenrechts.
lichen Behandlung unterworfen ward, um nur den ihm wider-
ſtrebenden Verhaͤltniſſen angepaßt zu werden, ſo litten doch
auch dieſe unter der neu geformten Regel, weil ſie ihnen ſo
haͤufig von außen her zugetragen ward, und nicht in einer
tieferen Begruͤndung aus ihnen ſelbſt gezogen werden konnte.
Da aber die Juriſten einmal aus dem inneren Zuſammenhange
mit dem nationalen Rechtsleben gekommen waren, und ſie
dieſen auch durch gelehrte germaniſtiſche Studien nicht wieder
herzuſtellen vermochten, ſo geſchah es, daß ſie manche Lehren
zur Geltung brachten, in der Meinung vielleicht, dem einhei-
miſchen Recht ein wichtiges Zugeſtaͤndniß zu machen, und da-
bei gerade deſſen Geiſt am Wenigſten erfaßten. So haben
ſie den reichen Formalismus, welcher das deutſche Rechtsleben
beherrſchte, in das Princip der Klagbarkeit aller Vertraͤge auf-
gehen laſſen, wodurch kein geringerer Schaden, als durch die
Zerruͤttung der gerichtlichen Auflaſſung angerichtet worden; ſo
haben ſie ferner die Erbvertraͤge zu einem allgemein guͤltigen
Inſtitut ausgeſponnen, und gerade da, wo ſie am Platze ge-
weſen waͤren, bei den wechſelſeitigen Zuwendungen der Ehe-
gatten das Princip der letztwilligen Verfuͤgung im reciproken
Teſtamente durchgefuͤhrt, obgleich dieſes durchaus unfaͤhig iſt,
die ihm zugewieſene Aufgabe zu erfuͤllen.

Iſt nun nach dem Angefuͤhrten der Werth des deutſchen
Juriſtenrechts im Allgemeinen nicht hoch zu ſtellen, ſo iſt da-
mit doch noch nicht geſagt, daß es ohne alles Verdienſt iſt,
und daß nicht im Einzelnen manche zweckmaͤßige, dem Be-
duͤrfniß entſprechende Rechtsbildung dadurch hervorgerufen wor-
den. Ich habe ſchon wiederholt darauf hingewieſen, daß ge-
rade um die Begruͤndung und Befeſtigung des gemeinen
Rechts im Gegenſatz zu dem bloß particulaͤren die Juriſten

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[357/0369] Werth des Juriſtenrechts. lichen Behandlung unterworfen ward, um nur den ihm wider- ſtrebenden Verhaͤltniſſen angepaßt zu werden, ſo litten doch auch dieſe unter der neu geformten Regel, weil ſie ihnen ſo haͤufig von außen her zugetragen ward, und nicht in einer tieferen Begruͤndung aus ihnen ſelbſt gezogen werden konnte. Da aber die Juriſten einmal aus dem inneren Zuſammenhange mit dem nationalen Rechtsleben gekommen waren, und ſie dieſen auch durch gelehrte germaniſtiſche Studien nicht wieder herzuſtellen vermochten, ſo geſchah es, daß ſie manche Lehren zur Geltung brachten, in der Meinung vielleicht, dem einhei- miſchen Recht ein wichtiges Zugeſtaͤndniß zu machen, und da- bei gerade deſſen Geiſt am Wenigſten erfaßten. So haben ſie den reichen Formalismus, welcher das deutſche Rechtsleben beherrſchte, in das Princip der Klagbarkeit aller Vertraͤge auf- gehen laſſen, wodurch kein geringerer Schaden, als durch die Zerruͤttung der gerichtlichen Auflaſſung angerichtet worden; ſo haben ſie ferner die Erbvertraͤge zu einem allgemein guͤltigen Inſtitut ausgeſponnen, und gerade da, wo ſie am Platze ge- weſen waͤren, bei den wechſelſeitigen Zuwendungen der Ehe- gatten das Princip der letztwilligen Verfuͤgung im reciproken Teſtamente durchgefuͤhrt, obgleich dieſes durchaus unfaͤhig iſt, die ihm zugewieſene Aufgabe zu erfuͤllen. Iſt nun nach dem Angefuͤhrten der Werth des deutſchen Juriſtenrechts im Allgemeinen nicht hoch zu ſtellen, ſo iſt da- mit doch noch nicht geſagt, daß es ohne alles Verdienſt iſt, und daß nicht im Einzelnen manche zweckmaͤßige, dem Be- duͤrfniß entſprechende Rechtsbildung dadurch hervorgerufen wor- den. Ich habe ſchon wiederholt darauf hingewieſen, daß ge- rade um die Begruͤndung und Befeſtigung des gemeinen Rechts im Gegenſatz zu dem bloß particulaͤren die Juriſten

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/369>, abgerufen am 26.11.2024.