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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Zwölftes Kapitel.
aber in letzterer Beziehung eine freiere Bewegung des Rechts-
lebens nothwendig wurde, da benutzte man die souveraine
Machtvollkommenheit, welche die Magistrate innerhalb ihrer
Amtssphäre ausübten, um das gefühlte Bedürfniß zu befriedi-
gen, und gewann namentlich ein Organ für die weitere Aus-
bildung des Rechts in der Prätur, welche weder Gesetzes- noch
Volksrecht schuf, aber die den Verhältnissen entsprechende Norm
mit einer legalen Auctorität bekleidete. Daß dabei nicht die
Willkühr des einzelnen Prätors, wenn auch durch die Inter-
cession seiner Collegen und die nach der Amtsführung zu be-
fürchtende Anklage in Schranken gehalten, walten konnte, ver-
steht sich von selbst; er mußte bei der Aufstellung seines Edicts
das Passende treffen, wenn es auf dauernde Geltung Anspruch
machen sollte, und der Rath und die Hülfe von rechts- und
geschäftskundigen Männern war ihm daher unentbehrlich. Als
nun mit dem Absterben des republicanischen Lebens auch die
Prätur immermehr von ihrer früheren Bedeutung verlor, und
es auch zu keiner umfassenden Gesetzgebung kam, die Cäsar
unter seine reformatorischen Pläne mit aufgenommen hatte, so
war für solche Männer, welche die Beschäftigung mit dem
Rechte zu ihrer Lebensaufgabe machten, die Gelegenheit zur
großartigsten Wirksamkeit gegeben. Jetzt sind es die Juristen,
welche durch griechische Bildung zur wissenschaftlichen Behand-
lung ihres Gegenstandes befähigt, gehoben durch die Auctori-
tät der Cäsaren, das Rechtswesen hauptsächlich beherrschen;
sie nehmen den gesammten positiven Rechtsstoff in sich auf,
und reproduciren ihn in freier Beherrschung des Einzelnen als
ein Ganzes, dem nicht eine bloß äußerliche logische Verknü-
pfung, sondern der darin herrschende Geist, die ratio juris
den Charakter der Einheit aufdrückt. So gewinnen sie ei-

Zwoͤlftes Kapitel.
aber in letzterer Beziehung eine freiere Bewegung des Rechts-
lebens nothwendig wurde, da benutzte man die ſouveraine
Machtvollkommenheit, welche die Magiſtrate innerhalb ihrer
Amtsſphaͤre ausuͤbten, um das gefuͤhlte Beduͤrfniß zu befriedi-
gen, und gewann namentlich ein Organ fuͤr die weitere Aus-
bildung des Rechts in der Praͤtur, welche weder Geſetzes- noch
Volksrecht ſchuf, aber die den Verhaͤltniſſen entſprechende Norm
mit einer legalen Auctoritaͤt bekleidete. Daß dabei nicht die
Willkuͤhr des einzelnen Praͤtors, wenn auch durch die Inter-
ceſſion ſeiner Collegen und die nach der Amtsfuͤhrung zu be-
fuͤrchtende Anklage in Schranken gehalten, walten konnte, ver-
ſteht ſich von ſelbſt; er mußte bei der Aufſtellung ſeines Edicts
das Paſſende treffen, wenn es auf dauernde Geltung Anſpruch
machen ſollte, und der Rath und die Huͤlfe von rechts- und
geſchaͤftskundigen Maͤnnern war ihm daher unentbehrlich. Als
nun mit dem Abſterben des republicaniſchen Lebens auch die
Praͤtur immermehr von ihrer fruͤheren Bedeutung verlor, und
es auch zu keiner umfaſſenden Geſetzgebung kam, die Caͤſar
unter ſeine reformatoriſchen Plaͤne mit aufgenommen hatte, ſo
war fuͤr ſolche Maͤnner, welche die Beſchaͤftigung mit dem
Rechte zu ihrer Lebensaufgabe machten, die Gelegenheit zur
großartigſten Wirkſamkeit gegeben. Jetzt ſind es die Juriſten,
welche durch griechiſche Bildung zur wiſſenſchaftlichen Behand-
lung ihres Gegenſtandes befaͤhigt, gehoben durch die Auctori-
taͤt der Caͤſaren, das Rechtsweſen hauptſaͤchlich beherrſchen;
ſie nehmen den geſammten poſitiven Rechtsſtoff in ſich auf,
und reproduciren ihn in freier Beherrſchung des Einzelnen als
ein Ganzes, dem nicht eine bloß aͤußerliche logiſche Verknuͤ-
pfung, ſondern der darin herrſchende Geiſt, die ratio juris
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[348/0360] Zwoͤlftes Kapitel. aber in letzterer Beziehung eine freiere Bewegung des Rechts- lebens nothwendig wurde, da benutzte man die ſouveraine Machtvollkommenheit, welche die Magiſtrate innerhalb ihrer Amtsſphaͤre ausuͤbten, um das gefuͤhlte Beduͤrfniß zu befriedi- gen, und gewann namentlich ein Organ fuͤr die weitere Aus- bildung des Rechts in der Praͤtur, welche weder Geſetzes- noch Volksrecht ſchuf, aber die den Verhaͤltniſſen entſprechende Norm mit einer legalen Auctoritaͤt bekleidete. Daß dabei nicht die Willkuͤhr des einzelnen Praͤtors, wenn auch durch die Inter- ceſſion ſeiner Collegen und die nach der Amtsfuͤhrung zu be- fuͤrchtende Anklage in Schranken gehalten, walten konnte, ver- ſteht ſich von ſelbſt; er mußte bei der Aufſtellung ſeines Edicts das Paſſende treffen, wenn es auf dauernde Geltung Anſpruch machen ſollte, und der Rath und die Huͤlfe von rechts- und geſchaͤftskundigen Maͤnnern war ihm daher unentbehrlich. Als nun mit dem Abſterben des republicaniſchen Lebens auch die Praͤtur immermehr von ihrer fruͤheren Bedeutung verlor, und es auch zu keiner umfaſſenden Geſetzgebung kam, die Caͤſar unter ſeine reformatoriſchen Plaͤne mit aufgenommen hatte, ſo war fuͤr ſolche Maͤnner, welche die Beſchaͤftigung mit dem Rechte zu ihrer Lebensaufgabe machten, die Gelegenheit zur großartigſten Wirkſamkeit gegeben. Jetzt ſind es die Juriſten, welche durch griechiſche Bildung zur wiſſenſchaftlichen Behand- lung ihres Gegenſtandes befaͤhigt, gehoben durch die Auctori- taͤt der Caͤſaren, das Rechtsweſen hauptſaͤchlich beherrſchen; ſie nehmen den geſammten poſitiven Rechtsſtoff in ſich auf, und reproduciren ihn in freier Beherrſchung des Einzelnen als ein Ganzes, dem nicht eine bloß aͤußerliche logiſche Verknuͤ- pfung, ſondern der darin herrſchende Geiſt, die ratio juris den Charakter der Einheit aufdruͤckt. So gewinnen ſie ei-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/360>, abgerufen am 25.11.2024.