men ist; aber für Anderes findet sich jetzt erst die rechte Stelle, und nur aus der gemeinsamen Betrachtung aller Momente in ihrem innern Zusammenhange wird eine wissenschaftlich be- gründete Ansicht zu gewinnen seyn.
So viel ist nun einmal als ausgemacht anzunehmen, daß man sich die Stellung des Juristenstandes nicht als eine solche denken darf, welche nach allgemein gültigen Regeln be- stimmt, unter allen Verhältnissen gleichartig sich gestalten müsse. Wir haben ja gesehen, wie es selbst in den Zeiten einer gestei- gerten Cultur durchaus nicht absolut nothwendig ist, daß sich die Beschäftigung mit dem Rechte als die besondere Aufgabe bestimmter Personen darstellt, welche durch Berufswahl und Arbeit in einer gewissen Abgeschlossenheit zusammen gehalten, eben als ein eigener Juristenstand bezeichnet zu werden pfle- gen. Ist dieß aber auch unter gewissen Voraussetzungen der gewöhnliche Fall, so wird doch bei der Verschiedenheit der po- litischen und socialen Zustände, unter deren Einfluß die Rechts- bildung vor sich geht, auch bei der Entwicklung des Juristen- standes keine volle Uebereinstimmung statt finden. Derselbe wird vielmehr in sehr verschiedener Weise dem Volke gegen- über zu stehen kommen, und sich von diesem bald kastenartig ausscheiden, bald aber in fast unmerklichen Uebergängen an die aus vielfachen Elementen bestehende Menge erfahrener Ge- schäftsmänner sich anschließen. Wie sich das im einzelnen Fall macht, das hängt von der individuellen Natur des Vol- kes ab, von seiner Staatsverfassung, seinem öffentlichen Leben, vor Allem aber von der Beschaffenheit des Rechts selber, um dessen Kunde und Anwendung es sich handelt. Denn wenn dasselbe im Allgemeinen auf einer volksthümlichen Basis ruht, und nur in seiner allmäligen Entwicklung ein Element in sich
Werth des Juriſtenrechts.
men iſt; aber fuͤr Anderes findet ſich jetzt erſt die rechte Stelle, und nur aus der gemeinſamen Betrachtung aller Momente in ihrem innern Zuſammenhange wird eine wiſſenſchaftlich be- gruͤndete Anſicht zu gewinnen ſeyn.
So viel iſt nun einmal als ausgemacht anzunehmen, daß man ſich die Stellung des Juriſtenſtandes nicht als eine ſolche denken darf, welche nach allgemein guͤltigen Regeln be- ſtimmt, unter allen Verhaͤltniſſen gleichartig ſich geſtalten muͤſſe. Wir haben ja geſehen, wie es ſelbſt in den Zeiten einer geſtei- gerten Cultur durchaus nicht abſolut nothwendig iſt, daß ſich die Beſchaͤftigung mit dem Rechte als die beſondere Aufgabe beſtimmter Perſonen darſtellt, welche durch Berufswahl und Arbeit in einer gewiſſen Abgeſchloſſenheit zuſammen gehalten, eben als ein eigener Juriſtenſtand bezeichnet zu werden pfle- gen. Iſt dieß aber auch unter gewiſſen Vorausſetzungen der gewoͤhnliche Fall, ſo wird doch bei der Verſchiedenheit der po- litiſchen und ſocialen Zuſtaͤnde, unter deren Einfluß die Rechts- bildung vor ſich geht, auch bei der Entwicklung des Juriſten- ſtandes keine volle Uebereinſtimmung ſtatt finden. Derſelbe wird vielmehr in ſehr verſchiedener Weiſe dem Volke gegen- uͤber zu ſtehen kommen, und ſich von dieſem bald kaſtenartig ausſcheiden, bald aber in faſt unmerklichen Uebergaͤngen an die aus vielfachen Elementen beſtehende Menge erfahrener Ge- ſchaͤftsmaͤnner ſich anſchließen. Wie ſich das im einzelnen Fall macht, das haͤngt von der individuellen Natur des Vol- kes ab, von ſeiner Staatsverfaſſung, ſeinem oͤffentlichen Leben, vor Allem aber von der Beſchaffenheit des Rechts ſelber, um deſſen Kunde und Anwendung es ſich handelt. Denn wenn daſſelbe im Allgemeinen auf einer volksthuͤmlichen Baſis ruht, und nur in ſeiner allmaͤligen Entwicklung ein Element in ſich
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Werth des Juriſtenrechts.
men iſt; aber fuͤr Anderes findet ſich jetzt erſt die rechte Stelle,
und nur aus der gemeinſamen Betrachtung aller Momente
in ihrem innern Zuſammenhange wird eine wiſſenſchaftlich be-
gruͤndete Anſicht zu gewinnen ſeyn.
So viel iſt nun einmal als ausgemacht anzunehmen,
daß man ſich die Stellung des Juriſtenſtandes nicht als eine
ſolche denken darf, welche nach allgemein guͤltigen Regeln be-
ſtimmt, unter allen Verhaͤltniſſen gleichartig ſich geſtalten muͤſſe.
Wir haben ja geſehen, wie es ſelbſt in den Zeiten einer geſtei-
gerten Cultur durchaus nicht abſolut nothwendig iſt, daß ſich
die Beſchaͤftigung mit dem Rechte als die beſondere Aufgabe
beſtimmter Perſonen darſtellt, welche durch Berufswahl und
Arbeit in einer gewiſſen Abgeſchloſſenheit zuſammen gehalten,
eben als ein eigener Juriſtenſtand bezeichnet zu werden pfle-
gen. Iſt dieß aber auch unter gewiſſen Vorausſetzungen der
gewoͤhnliche Fall, ſo wird doch bei der Verſchiedenheit der po-
litiſchen und ſocialen Zuſtaͤnde, unter deren Einfluß die Rechts-
bildung vor ſich geht, auch bei der Entwicklung des Juriſten-
ſtandes keine volle Uebereinſtimmung ſtatt finden. Derſelbe
wird vielmehr in ſehr verſchiedener Weiſe dem Volke gegen-
uͤber zu ſtehen kommen, und ſich von dieſem bald kaſtenartig
ausſcheiden, bald aber in faſt unmerklichen Uebergaͤngen an die
aus vielfachen Elementen beſtehende Menge erfahrener Ge-
ſchaͤftsmaͤnner ſich anſchließen. Wie ſich das im einzelnen
Fall macht, das haͤngt von der individuellen Natur des Vol-
kes ab, von ſeiner Staatsverfaſſung, ſeinem oͤffentlichen Leben,
vor Allem aber von der Beſchaffenheit des Rechts ſelber, um
deſſen Kunde und Anwendung es ſich handelt. Denn wenn
daſſelbe im Allgemeinen auf einer volksthuͤmlichen Baſis ruht,
und nur in ſeiner allmaͤligen Entwicklung ein Element in ſich
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/355>, abgerufen am 29.07.2024.
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