Sind die Juristen im Staatsrecht durch die Diplomaten überflügelt worden, so haben sie ihren Einfluß auf das Kir- chenrecht mit den Theologen theilen müssen. In der prote- stantischen Kirche sind sie namentlich erst dann zu einer be- deutenden Wirksamkeit gelangt, als die schöpferische Thätigkeit der großen Reformatoren beendigt war, und es hauptsächlich nur noch darauf ankam, das Werk in seinen Einzelnheiten auszuführen und die rechtliche Begründung dafür zu liefern. Außerdem wurden sie aber auch noch von andern Einflüssen bestimmt, wie sie denn z. B. die oberbischöfliche Gewalt der protestantischen Landesherrn, welche sich unter den gegebenen Verhältnissen selbständig entwickelte, nur anzuerkennen hatten, und in wechselnden Theorien eine bestimmte juristische Grund- lage dafür zu gewinnen suchten. Wenn es daher auch zu keinem selbständigen Juristenrecht in den kirchenrechtlichen In- stituten kommen konnte, so ist doch von den Juristen nach verschiedenen Seiten nachhaltig auf dieselben eingewirkt wor- den, namentlich bei der Feststellung der Frage, inwieweit die Regeln des katholischen Kirchenrechts, abgesehen von dem Dogma und von dem eigentlichen Kirchenregiment, auch für die Protestanten noch eine positive Geltung haben. Daher stellt sich das Kirchenrecht der letzteren in der älteren Bearbei- tung, und besonders in I. H. Böhmer's berühmtem Werke, als eine Art des usus modernus dar, und zwar mit einer Reichhaltigkeit des Inhalts, und vor Allem mit einer Ausbeute für die Praxis, wie sie in den neueren Lehrbüchern kaum wie- der zu finden ist, so sehr diese der ältern Literatur auch an wissenschaftlicher Haltung und gründlicher Forschung überlegen seyn mögen.
Umfang der Geltung des Juriſtenrechts.
5. Das Kirchenrecht.
Sind die Juriſten im Staatsrecht durch die Diplomaten uͤberfluͤgelt worden, ſo haben ſie ihren Einfluß auf das Kir- chenrecht mit den Theologen theilen muͤſſen. In der prote- ſtantiſchen Kirche ſind ſie namentlich erſt dann zu einer be- deutenden Wirkſamkeit gelangt, als die ſchoͤpferiſche Thaͤtigkeit der großen Reformatoren beendigt war, und es hauptſaͤchlich nur noch darauf ankam, das Werk in ſeinen Einzelnheiten auszufuͤhren und die rechtliche Begruͤndung dafuͤr zu liefern. Außerdem wurden ſie aber auch noch von andern Einfluͤſſen beſtimmt, wie ſie denn z. B. die oberbiſchoͤfliche Gewalt der proteſtantiſchen Landesherrn, welche ſich unter den gegebenen Verhaͤltniſſen ſelbſtaͤndig entwickelte, nur anzuerkennen hatten, und in wechſelnden Theorien eine beſtimmte juriſtiſche Grund- lage dafuͤr zu gewinnen ſuchten. Wenn es daher auch zu keinem ſelbſtaͤndigen Juriſtenrecht in den kirchenrechtlichen In- ſtituten kommen konnte, ſo iſt doch von den Juriſten nach verſchiedenen Seiten nachhaltig auf dieſelben eingewirkt wor- den, namentlich bei der Feſtſtellung der Frage, inwieweit die Regeln des katholiſchen Kirchenrechts, abgeſehen von dem Dogma und von dem eigentlichen Kirchenregiment, auch fuͤr die Proteſtanten noch eine poſitive Geltung haben. Daher ſtellt ſich das Kirchenrecht der letzteren in der aͤlteren Bearbei- tung, und beſonders in I. H. Boͤhmer’s beruͤhmtem Werke, als eine Art des usus modernus dar, und zwar mit einer Reichhaltigkeit des Inhalts, und vor Allem mit einer Ausbeute fuͤr die Praxis, wie ſie in den neueren Lehrbuͤchern kaum wie- der zu finden iſt, ſo ſehr dieſe der aͤltern Literatur auch an wiſſenſchaftlicher Haltung und gruͤndlicher Forſchung uͤberlegen ſeyn moͤgen.
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Umfang der Geltung des Juriſtenrechts.
5. Das Kirchenrecht.
Sind die Juriſten im Staatsrecht durch die Diplomaten
uͤberfluͤgelt worden, ſo haben ſie ihren Einfluß auf das Kir-
chenrecht mit den Theologen theilen muͤſſen. In der prote-
ſtantiſchen Kirche ſind ſie namentlich erſt dann zu einer be-
deutenden Wirkſamkeit gelangt, als die ſchoͤpferiſche Thaͤtigkeit
der großen Reformatoren beendigt war, und es hauptſaͤchlich
nur noch darauf ankam, das Werk in ſeinen Einzelnheiten
auszufuͤhren und die rechtliche Begruͤndung dafuͤr zu liefern.
Außerdem wurden ſie aber auch noch von andern Einfluͤſſen
beſtimmt, wie ſie denn z. B. die oberbiſchoͤfliche Gewalt der
proteſtantiſchen Landesherrn, welche ſich unter den gegebenen
Verhaͤltniſſen ſelbſtaͤndig entwickelte, nur anzuerkennen hatten,
und in wechſelnden Theorien eine beſtimmte juriſtiſche Grund-
lage dafuͤr zu gewinnen ſuchten. Wenn es daher auch zu
keinem ſelbſtaͤndigen Juriſtenrecht in den kirchenrechtlichen In-
ſtituten kommen konnte, ſo iſt doch von den Juriſten nach
verſchiedenen Seiten nachhaltig auf dieſelben eingewirkt wor-
den, namentlich bei der Feſtſtellung der Frage, inwieweit die
Regeln des katholiſchen Kirchenrechts, abgeſehen von dem
Dogma und von dem eigentlichen Kirchenregiment, auch fuͤr
die Proteſtanten noch eine poſitive Geltung haben. Daher
ſtellt ſich das Kirchenrecht der letzteren in der aͤlteren Bearbei-
tung, und beſonders in I. H. Boͤhmer’s beruͤhmtem Werke,
als eine Art des usus modernus dar, und zwar mit einer
Reichhaltigkeit des Inhalts, und vor Allem mit einer Ausbeute
fuͤr die Praxis, wie ſie in den neueren Lehrbuͤchern kaum wie-
der zu finden iſt, ſo ſehr dieſe der aͤltern Literatur auch an
wiſſenſchaftlicher Haltung und gruͤndlicher Forſchung uͤberlegen
ſeyn moͤgen.
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/353>, abgerufen am 22.12.2024.
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