Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Kapitel.
sich kund gegeben, und den Juristen daher allenthalben hin
folgen, wo sie eine einflußreiche Thätigkeit entwickelt haben,
und wo die Spuren davon erkennbar sind. In dieser Hin-
sicht lassen sich drei Gebiete unterscheiden, deren Grenzen frei-
lich vielfach in einander laufen, die aber doch in einer gewis-
sen Absonderung neben einander bestehen können, -- ich meine
das Gebiet der Theorie, der practischen Rechtsanwendung und
der Gesetzgebung.

1. Die Thätigkeit der Juristen zeigt sich als Lehre in
Rede und Schrift, wodurch die Ansichten am Bestimmtesten
und Unmittelbarsten ihre Verbreitung finden. Für die Dar-
stellung des Juristenrechts ist aber dabei nicht bloß auf solche
Vorträge Rücksicht zu nehmen, welche dasselbe direct zu ihrem
Gegenstande haben; sondern von der ganzen Masse des über-
lieferten wissenschaftlichen Apparates ist dasjenige zu benutzen,
was auf irgend eine Weise zu der rechtsbildenden Kraft des
Juristenstandes in einem bestimmten Verhältnisse steht und von
derselben Zeugniß ablegt. Man pflegt diese Seite der juristi-
schen Thätigkeit als die Theorie zu bezeichnen, diesen Begriff
aber bald enger bald weiter zu fassen, je nachdem man nur
die rein wissenschaftlichen Arbeiten, ohne eine bestimmte Bezie-
hung auf die Rechtsanwendung und die Gesetzgebung, darun-
ter befaßt, oder jede Darstellung dahin rechnet, welche einen
allgemeineren Zweck hat, und nicht der Erledigung einer be-
stimmten practischen Aufgabe ausschließlich gewidmet ist. In
diesem letzteren Sinne würde also ein Buch, welches eine Reihe
von Präjudicaten benutzte, um daraus vermittelst einer selb-
ständigen Bearbeitung der vorgekommenen Rechtsfragen wis-
senschaftliche Resultate zu ziehen (wie etwa die Abhandlungen
von Heise und Cropp), zur Theorie zu rechnen seyn, während

Zehntes Kapitel.
ſich kund gegeben, und den Juriſten daher allenthalben hin
folgen, wo ſie eine einflußreiche Thaͤtigkeit entwickelt haben,
und wo die Spuren davon erkennbar ſind. In dieſer Hin-
ſicht laſſen ſich drei Gebiete unterſcheiden, deren Grenzen frei-
lich vielfach in einander laufen, die aber doch in einer gewiſ-
ſen Abſonderung neben einander beſtehen koͤnnen, — ich meine
das Gebiet der Theorie, der practiſchen Rechtsanwendung und
der Geſetzgebung.

1. Die Thaͤtigkeit der Juriſten zeigt ſich als Lehre in
Rede und Schrift, wodurch die Anſichten am Beſtimmteſten
und Unmittelbarſten ihre Verbreitung finden. Fuͤr die Dar-
ſtellung des Juriſtenrechts iſt aber dabei nicht bloß auf ſolche
Vortraͤge Ruͤckſicht zu nehmen, welche daſſelbe direct zu ihrem
Gegenſtande haben; ſondern von der ganzen Maſſe des uͤber-
lieferten wiſſenſchaftlichen Apparates iſt dasjenige zu benutzen,
was auf irgend eine Weiſe zu der rechtsbildenden Kraft des
Juriſtenſtandes in einem beſtimmten Verhaͤltniſſe ſteht und von
derſelben Zeugniß ablegt. Man pflegt dieſe Seite der juriſti-
ſchen Thaͤtigkeit als die Theorie zu bezeichnen, dieſen Begriff
aber bald enger bald weiter zu faſſen, je nachdem man nur
die rein wiſſenſchaftlichen Arbeiten, ohne eine beſtimmte Bezie-
hung auf die Rechtsanwendung und die Geſetzgebung, darun-
ter befaßt, oder jede Darſtellung dahin rechnet, welche einen
allgemeineren Zweck hat, und nicht der Erledigung einer be-
ſtimmten practiſchen Aufgabe ausſchließlich gewidmet iſt. In
dieſem letzteren Sinne wuͤrde alſo ein Buch, welches eine Reihe
von Praͤjudicaten benutzte, um daraus vermittelſt einer ſelb-
ſtaͤndigen Bearbeitung der vorgekommenen Rechtsfragen wiſ-
ſenſchaftliche Reſultate zu ziehen (wie etwa die Abhandlungen
von Heiſe und Cropp), zur Theorie zu rechnen ſeyn, waͤhrend

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0320" n="308"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Kapitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ich kund gegeben, und den Juri&#x017F;ten daher allenthalben hin<lb/>
folgen, wo &#x017F;ie eine einflußreiche Tha&#x0364;tigkeit entwickelt haben,<lb/>
und wo die Spuren davon erkennbar &#x017F;ind. In die&#x017F;er Hin-<lb/>
&#x017F;icht la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich drei Gebiete unter&#x017F;cheiden, deren Grenzen frei-<lb/>
lich vielfach in einander laufen, die aber doch in einer gewi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Ab&#x017F;onderung neben einander be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, &#x2014; ich meine<lb/>
das Gebiet der Theorie, der practi&#x017F;chen Rechtsanwendung und<lb/>
der Ge&#x017F;etzgebung.</p><lb/>
          <p>1. Die Tha&#x0364;tigkeit der Juri&#x017F;ten zeigt &#x017F;ich als Lehre in<lb/>
Rede und Schrift, wodurch die An&#x017F;ichten am Be&#x017F;timmte&#x017F;ten<lb/>
und Unmittelbar&#x017F;ten ihre Verbreitung finden. Fu&#x0364;r die Dar-<lb/>
&#x017F;tellung des Juri&#x017F;tenrechts i&#x017F;t aber dabei nicht bloß auf &#x017F;olche<lb/>
Vortra&#x0364;ge Ru&#x0364;ck&#x017F;icht zu nehmen, welche da&#x017F;&#x017F;elbe direct zu ihrem<lb/>
Gegen&#x017F;tande haben; &#x017F;ondern von der ganzen Ma&#x017F;&#x017F;e des u&#x0364;ber-<lb/>
lieferten wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Apparates i&#x017F;t dasjenige zu benutzen,<lb/>
was auf irgend eine Wei&#x017F;e zu der rechtsbildenden Kraft des<lb/>
Juri&#x017F;ten&#x017F;tandes in einem be&#x017F;timmten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;teht und von<lb/>
der&#x017F;elben Zeugniß ablegt. Man pflegt die&#x017F;e Seite der juri&#x017F;ti-<lb/>
&#x017F;chen Tha&#x0364;tigkeit als die Theorie zu bezeichnen, die&#x017F;en Begriff<lb/>
aber bald enger bald weiter zu fa&#x017F;&#x017F;en, je nachdem man nur<lb/>
die rein wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Arbeiten, ohne eine be&#x017F;timmte Bezie-<lb/>
hung auf die Rechtsanwendung und die Ge&#x017F;etzgebung, darun-<lb/>
ter befaßt, oder jede Dar&#x017F;tellung dahin rechnet, welche einen<lb/>
allgemeineren Zweck hat, und nicht der Erledigung einer be-<lb/>
&#x017F;timmten practi&#x017F;chen Aufgabe aus&#x017F;chließlich gewidmet i&#x017F;t. In<lb/>
die&#x017F;em letzteren Sinne wu&#x0364;rde al&#x017F;o ein Buch, welches eine Reihe<lb/>
von Pra&#x0364;judicaten benutzte, um daraus vermittel&#x017F;t einer &#x017F;elb-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen Bearbeitung der vorgekommenen Rechtsfragen wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en&#x017F;chaftliche Re&#x017F;ultate zu ziehen (wie etwa die Abhandlungen<lb/>
von Hei&#x017F;e und Cropp), zur Theorie zu rechnen &#x017F;eyn, wa&#x0364;hrend<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[308/0320] Zehntes Kapitel. ſich kund gegeben, und den Juriſten daher allenthalben hin folgen, wo ſie eine einflußreiche Thaͤtigkeit entwickelt haben, und wo die Spuren davon erkennbar ſind. In dieſer Hin- ſicht laſſen ſich drei Gebiete unterſcheiden, deren Grenzen frei- lich vielfach in einander laufen, die aber doch in einer gewiſ- ſen Abſonderung neben einander beſtehen koͤnnen, — ich meine das Gebiet der Theorie, der practiſchen Rechtsanwendung und der Geſetzgebung. 1. Die Thaͤtigkeit der Juriſten zeigt ſich als Lehre in Rede und Schrift, wodurch die Anſichten am Beſtimmteſten und Unmittelbarſten ihre Verbreitung finden. Fuͤr die Dar- ſtellung des Juriſtenrechts iſt aber dabei nicht bloß auf ſolche Vortraͤge Ruͤckſicht zu nehmen, welche daſſelbe direct zu ihrem Gegenſtande haben; ſondern von der ganzen Maſſe des uͤber- lieferten wiſſenſchaftlichen Apparates iſt dasjenige zu benutzen, was auf irgend eine Weiſe zu der rechtsbildenden Kraft des Juriſtenſtandes in einem beſtimmten Verhaͤltniſſe ſteht und von derſelben Zeugniß ablegt. Man pflegt dieſe Seite der juriſti- ſchen Thaͤtigkeit als die Theorie zu bezeichnen, dieſen Begriff aber bald enger bald weiter zu faſſen, je nachdem man nur die rein wiſſenſchaftlichen Arbeiten, ohne eine beſtimmte Bezie- hung auf die Rechtsanwendung und die Geſetzgebung, darun- ter befaßt, oder jede Darſtellung dahin rechnet, welche einen allgemeineren Zweck hat, und nicht der Erledigung einer be- ſtimmten practiſchen Aufgabe ausſchließlich gewidmet iſt. In dieſem letzteren Sinne wuͤrde alſo ein Buch, welches eine Reihe von Praͤjudicaten benutzte, um daraus vermittelſt einer ſelb- ſtaͤndigen Bearbeitung der vorgekommenen Rechtsfragen wiſ- ſenſchaftliche Reſultate zu ziehen (wie etwa die Abhandlungen von Heiſe und Cropp), zur Theorie zu rechnen ſeyn, waͤhrend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/320
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/320>, abgerufen am 24.11.2024.