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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht und das Gerichtswesen.
bei der Abgabe ihres Verdicts nicht zuweilen von der Be-
schaffenheit der gesetzlichen Strafe, auf deren Abmessung sie
unmittelbar nicht einwirken kann, sich bestimmen läßt, und so
der Versuchung unterliegt, den ihr zur Beurtheilung vorgeleg-
ten Thatsachen Gewalt anzuthun.

2. Die Anforderungen, welche auch an die nicht juristi-
schen Mitglieder der Schöffengerichte gemacht werden, sind nun
freilich von der Art, daß ihre Erfüllung nicht in dem gleichen
Grade von jedem unbescholtenen Bürger erwartet werden kann.
Es ist dafür eine Umsicht, Selbständigkeit und Geschäftserfah-
rung nöthig, welche es wenigstens sehr wünschenswerth ma-
chen, daß nur besonders geeignete Personen mit dem Schöf-
fenamte bekleidet werden. Daher geschieht hier die Besetzung
der Stellen durch Wahl oder Verleihung. Auch ist bei dem
großen Werthe, den Uebung und Erfahrung für die richterli-
chen Functionen haben, und wegen der nothwendigen Gleich-
stellung der Volksrichter mit den Juristen, eine gewisse Dauer
des Amtes, wenn auch nicht gerade die lebenslängliche, uner-
läßlich. Anders bei den Geschwornen. Man sieht deren Thä-
tigkeit für eine solche an, welche unter gewissen allgemeinen
Voraussetzungen jeder Bürger gleichmäßig auszuüben vermag,
und wenn daher an und für sich die Richter der That auch
stehende seyn könnten, so läßt man sie doch aus den in den
Geschwornenlisten enthaltenen Namen durch das Loos und
nur für die einzelnen Assisen bestellen. Die Verschiedenheit die-
ser Einrichtungen hängt genau mit dem Wesen der beiden In-
stitute zusammen, und kann also nur im Zusammenhang mit
deren Werth und Bedeutung im Allgemeinen, nicht aber ohne
Rücksicht darauf gehörig gewürdigt werden; sonst möchte, wenn
man die Sache bloß für sich betrachtet, der Vorzug doch ent-

Beseler, Volksrecht. 18

Das Volksrecht und das Gerichtsweſen.
bei der Abgabe ihres Verdicts nicht zuweilen von der Be-
ſchaffenheit der geſetzlichen Strafe, auf deren Abmeſſung ſie
unmittelbar nicht einwirken kann, ſich beſtimmen laͤßt, und ſo
der Verſuchung unterliegt, den ihr zur Beurtheilung vorgeleg-
ten Thatſachen Gewalt anzuthun.

2. Die Anforderungen, welche auch an die nicht juriſti-
ſchen Mitglieder der Schoͤffengerichte gemacht werden, ſind nun
freilich von der Art, daß ihre Erfuͤllung nicht in dem gleichen
Grade von jedem unbeſcholtenen Buͤrger erwartet werden kann.
Es iſt dafuͤr eine Umſicht, Selbſtaͤndigkeit und Geſchaͤftserfah-
rung noͤthig, welche es wenigſtens ſehr wuͤnſchenswerth ma-
chen, daß nur beſonders geeignete Perſonen mit dem Schoͤf-
fenamte bekleidet werden. Daher geſchieht hier die Beſetzung
der Stellen durch Wahl oder Verleihung. Auch iſt bei dem
großen Werthe, den Uebung und Erfahrung fuͤr die richterli-
chen Functionen haben, und wegen der nothwendigen Gleich-
ſtellung der Volksrichter mit den Juriſten, eine gewiſſe Dauer
des Amtes, wenn auch nicht gerade die lebenslaͤngliche, uner-
laͤßlich. Anders bei den Geſchwornen. Man ſieht deren Thaͤ-
tigkeit fuͤr eine ſolche an, welche unter gewiſſen allgemeinen
Vorausſetzungen jeder Buͤrger gleichmaͤßig auszuuͤben vermag,
und wenn daher an und fuͤr ſich die Richter der That auch
ſtehende ſeyn koͤnnten, ſo laͤßt man ſie doch aus den in den
Geſchwornenliſten enthaltenen Namen durch das Loos und
nur fuͤr die einzelnen Aſſiſen beſtellen. Die Verſchiedenheit die-
ſer Einrichtungen haͤngt genau mit dem Weſen der beiden In-
ſtitute zuſammen, und kann alſo nur im Zuſammenhang mit
deren Werth und Bedeutung im Allgemeinen, nicht aber ohne
Ruͤckſicht darauf gehoͤrig gewuͤrdigt werden; ſonſt moͤchte, wenn
man die Sache bloß fuͤr ſich betrachtet, der Vorzug doch ent-

Beſeler, Volksrecht. 18
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[273/0285] Das Volksrecht und das Gerichtsweſen. bei der Abgabe ihres Verdicts nicht zuweilen von der Be- ſchaffenheit der geſetzlichen Strafe, auf deren Abmeſſung ſie unmittelbar nicht einwirken kann, ſich beſtimmen laͤßt, und ſo der Verſuchung unterliegt, den ihr zur Beurtheilung vorgeleg- ten Thatſachen Gewalt anzuthun. 2. Die Anforderungen, welche auch an die nicht juriſti- ſchen Mitglieder der Schoͤffengerichte gemacht werden, ſind nun freilich von der Art, daß ihre Erfuͤllung nicht in dem gleichen Grade von jedem unbeſcholtenen Buͤrger erwartet werden kann. Es iſt dafuͤr eine Umſicht, Selbſtaͤndigkeit und Geſchaͤftserfah- rung noͤthig, welche es wenigſtens ſehr wuͤnſchenswerth ma- chen, daß nur beſonders geeignete Perſonen mit dem Schoͤf- fenamte bekleidet werden. Daher geſchieht hier die Beſetzung der Stellen durch Wahl oder Verleihung. Auch iſt bei dem großen Werthe, den Uebung und Erfahrung fuͤr die richterli- chen Functionen haben, und wegen der nothwendigen Gleich- ſtellung der Volksrichter mit den Juriſten, eine gewiſſe Dauer des Amtes, wenn auch nicht gerade die lebenslaͤngliche, uner- laͤßlich. Anders bei den Geſchwornen. Man ſieht deren Thaͤ- tigkeit fuͤr eine ſolche an, welche unter gewiſſen allgemeinen Vorausſetzungen jeder Buͤrger gleichmaͤßig auszuuͤben vermag, und wenn daher an und fuͤr ſich die Richter der That auch ſtehende ſeyn koͤnnten, ſo laͤßt man ſie doch aus den in den Geſchwornenliſten enthaltenen Namen durch das Loos und nur fuͤr die einzelnen Aſſiſen beſtellen. Die Verſchiedenheit die- ſer Einrichtungen haͤngt genau mit dem Weſen der beiden In- ſtitute zuſammen, und kann alſo nur im Zuſammenhang mit deren Werth und Bedeutung im Allgemeinen, nicht aber ohne Ruͤckſicht darauf gehoͤrig gewuͤrdigt werden; ſonſt moͤchte, wenn man die Sache bloß fuͤr ſich betrachtet, der Vorzug doch ent- Beſeler, Volksrecht. 18

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/285>, abgerufen am 22.11.2024.