Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neunts Kapitel.
auch nur etwas davon den Geschwornen überlassen ist, so muß
dieß bedenklich erscheinen, da dieselben doch nach der ganzen
Art ihrer Zusammensetzung und nach dem Princip des Insti-
tuts zu einer solchen Function nicht bestimmt sind. Indessen
hat die Erfahrung gezeigt, daß dieser Umstand der Wirksam-
keit der Schwurgerichte keinen Abbruch thut, daß vielmehr
eine solche beschränkte Theilnahme an der Rechtsanwendung
den Volksrichtern anvertraut werden kann, so daß sich also
das Institut mächtiger zeigt, als der demselben untergebreitete
Begriff. Aber man kann nun noch einen Schritt weiter ge-
hen, und es zur Erwägung stellen, ob es nicht angemessen
seyn sollte, den Juristen eine Theilnahme an der Thätigkeit
der Geschwornen einzuräumen, und diese umgekehrt zu den
Functionen der Juristen mit herbei zu ziehen. Denn wenn
jene Thätigkeit dadurch einer Seits eine größere Sicherheit be-
kommen würde, welche die übersichtliche Darstellung des Ge-
richtspräsidenten nicht ganz ersetzen kann, so ist es andrer
Seits nicht zu verkennen, daß ein gewisser Einfluß der Ge-
schwornen auf die Formirung der Fragen, von welcher die
Feststellung des Verbrechens abhängt, und auf die Bestim-
mung des Strafmaaßes oft sehr wünschenswerth wäre. Das
weist denn eben darauf hin, die beiden Elemente der Schwur-
gerichte in ein Collegium zusammen zu rücken, und es dann
dem eigenthümlichen Gewichte jedes Theils zu überlassen, daß
es sich nach seiner Weise geltend mache. Dadurch würde eine
gegenseitige Ergänzung und Beschränkung der einzelnen Be-
standtheile des Gerichts begründet werden, deren innerliche und
vollständige Durchdringung die Gesammtheit zur gemeinschaft-
lichen Anschauung und Beschlußnahme führte. Bei den Schwur-
gerichten ist es dagegen nicht wohl zu vermeiden, daß die Jury

Neunts Kapitel.
auch nur etwas davon den Geſchwornen uͤberlaſſen iſt, ſo muß
dieß bedenklich erſcheinen, da dieſelben doch nach der ganzen
Art ihrer Zuſammenſetzung und nach dem Princip des Inſti-
tuts zu einer ſolchen Function nicht beſtimmt ſind. Indeſſen
hat die Erfahrung gezeigt, daß dieſer Umſtand der Wirkſam-
keit der Schwurgerichte keinen Abbruch thut, daß vielmehr
eine ſolche beſchraͤnkte Theilnahme an der Rechtsanwendung
den Volksrichtern anvertraut werden kann, ſo daß ſich alſo
das Inſtitut maͤchtiger zeigt, als der demſelben untergebreitete
Begriff. Aber man kann nun noch einen Schritt weiter ge-
hen, und es zur Erwaͤgung ſtellen, ob es nicht angemeſſen
ſeyn ſollte, den Juriſten eine Theilnahme an der Thaͤtigkeit
der Geſchwornen einzuraͤumen, und dieſe umgekehrt zu den
Functionen der Juriſten mit herbei zu ziehen. Denn wenn
jene Thaͤtigkeit dadurch einer Seits eine groͤßere Sicherheit be-
kommen wuͤrde, welche die uͤberſichtliche Darſtellung des Ge-
richtspraͤſidenten nicht ganz erſetzen kann, ſo iſt es andrer
Seits nicht zu verkennen, daß ein gewiſſer Einfluß der Ge-
ſchwornen auf die Formirung der Fragen, von welcher die
Feſtſtellung des Verbrechens abhaͤngt, und auf die Beſtim-
mung des Strafmaaßes oft ſehr wuͤnſchenswerth waͤre. Das
weiſt denn eben darauf hin, die beiden Elemente der Schwur-
gerichte in ein Collegium zuſammen zu ruͤcken, und es dann
dem eigenthuͤmlichen Gewichte jedes Theils zu uͤberlaſſen, daß
es ſich nach ſeiner Weiſe geltend mache. Dadurch wuͤrde eine
gegenſeitige Ergaͤnzung und Beſchraͤnkung der einzelnen Be-
ſtandtheile des Gerichts begruͤndet werden, deren innerliche und
vollſtaͤndige Durchdringung die Geſammtheit zur gemeinſchaft-
lichen Anſchauung und Beſchlußnahme fuͤhrte. Bei den Schwur-
gerichten iſt es dagegen nicht wohl zu vermeiden, daß die Jury

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0284" n="272"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neunts Kapitel</hi>.</fw><lb/>
auch nur etwas davon den Ge&#x017F;chwornen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t, &#x017F;o muß<lb/>
dieß bedenklich er&#x017F;cheinen, da die&#x017F;elben doch nach der ganzen<lb/>
Art ihrer Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung und nach dem Princip des In&#x017F;ti-<lb/>
tuts zu einer &#x017F;olchen Function nicht be&#x017F;timmt &#x017F;ind. Inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hat die Erfahrung gezeigt, daß die&#x017F;er Um&#x017F;tand der Wirk&#x017F;am-<lb/>
keit der Schwurgerichte keinen Abbruch thut, daß vielmehr<lb/>
eine &#x017F;olche be&#x017F;chra&#x0364;nkte Theilnahme an der Rechtsanwendung<lb/>
den Volksrichtern anvertraut werden kann, &#x017F;o daß &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
das In&#x017F;titut ma&#x0364;chtiger zeigt, als der dem&#x017F;elben untergebreitete<lb/>
Begriff. Aber man kann nun noch einen Schritt weiter ge-<lb/>
hen, und es zur Erwa&#x0364;gung &#x017F;tellen, ob es nicht angeme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;ollte, den Juri&#x017F;ten eine Theilnahme an der Tha&#x0364;tigkeit<lb/>
der Ge&#x017F;chwornen einzura&#x0364;umen, und die&#x017F;e umgekehrt zu den<lb/>
Functionen der Juri&#x017F;ten mit herbei zu ziehen. Denn wenn<lb/>
jene Tha&#x0364;tigkeit dadurch einer Seits eine gro&#x0364;ßere Sicherheit be-<lb/>
kommen wu&#x0364;rde, welche die u&#x0364;ber&#x017F;ichtliche Dar&#x017F;tellung des Ge-<lb/>
richtspra&#x0364;&#x017F;identen nicht ganz er&#x017F;etzen kann, &#x017F;o i&#x017F;t es andrer<lb/>
Seits nicht zu verkennen, daß ein gewi&#x017F;&#x017F;er Einfluß der Ge-<lb/>
&#x017F;chwornen auf die Formirung der Fragen, von welcher die<lb/>
Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Verbrechens abha&#x0364;ngt, und auf die Be&#x017F;tim-<lb/>
mung des Strafmaaßes oft &#x017F;ehr wu&#x0364;n&#x017F;chenswerth wa&#x0364;re. Das<lb/>
wei&#x017F;t denn eben darauf hin, die beiden Elemente der Schwur-<lb/>
gerichte in <hi rendition="#g">ein</hi> Collegium zu&#x017F;ammen zu ru&#x0364;cken, und es dann<lb/>
dem eigenthu&#x0364;mlichen Gewichte jedes Theils zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
es &#x017F;ich nach &#x017F;einer Wei&#x017F;e geltend mache. Dadurch wu&#x0364;rde eine<lb/>
gegen&#x017F;eitige Erga&#x0364;nzung und Be&#x017F;chra&#x0364;nkung der einzelnen Be-<lb/>
&#x017F;tandtheile des Gerichts begru&#x0364;ndet werden, deren innerliche und<lb/>
voll&#x017F;ta&#x0364;ndige Durchdringung die Ge&#x017F;ammtheit zur gemein&#x017F;chaft-<lb/>
lichen An&#x017F;chauung und Be&#x017F;chlußnahme fu&#x0364;hrte. Bei den Schwur-<lb/>
gerichten i&#x017F;t es dagegen nicht wohl zu vermeiden, daß die Jury<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0284] Neunts Kapitel. auch nur etwas davon den Geſchwornen uͤberlaſſen iſt, ſo muß dieß bedenklich erſcheinen, da dieſelben doch nach der ganzen Art ihrer Zuſammenſetzung und nach dem Princip des Inſti- tuts zu einer ſolchen Function nicht beſtimmt ſind. Indeſſen hat die Erfahrung gezeigt, daß dieſer Umſtand der Wirkſam- keit der Schwurgerichte keinen Abbruch thut, daß vielmehr eine ſolche beſchraͤnkte Theilnahme an der Rechtsanwendung den Volksrichtern anvertraut werden kann, ſo daß ſich alſo das Inſtitut maͤchtiger zeigt, als der demſelben untergebreitete Begriff. Aber man kann nun noch einen Schritt weiter ge- hen, und es zur Erwaͤgung ſtellen, ob es nicht angemeſſen ſeyn ſollte, den Juriſten eine Theilnahme an der Thaͤtigkeit der Geſchwornen einzuraͤumen, und dieſe umgekehrt zu den Functionen der Juriſten mit herbei zu ziehen. Denn wenn jene Thaͤtigkeit dadurch einer Seits eine groͤßere Sicherheit be- kommen wuͤrde, welche die uͤberſichtliche Darſtellung des Ge- richtspraͤſidenten nicht ganz erſetzen kann, ſo iſt es andrer Seits nicht zu verkennen, daß ein gewiſſer Einfluß der Ge- ſchwornen auf die Formirung der Fragen, von welcher die Feſtſtellung des Verbrechens abhaͤngt, und auf die Beſtim- mung des Strafmaaßes oft ſehr wuͤnſchenswerth waͤre. Das weiſt denn eben darauf hin, die beiden Elemente der Schwur- gerichte in ein Collegium zuſammen zu ruͤcken, und es dann dem eigenthuͤmlichen Gewichte jedes Theils zu uͤberlaſſen, daß es ſich nach ſeiner Weiſe geltend mache. Dadurch wuͤrde eine gegenſeitige Ergaͤnzung und Beſchraͤnkung der einzelnen Be- ſtandtheile des Gerichts begruͤndet werden, deren innerliche und vollſtaͤndige Durchdringung die Geſammtheit zur gemeinſchaft- lichen Anſchauung und Beſchlußnahme fuͤhrte. Bei den Schwur- gerichten iſt es dagegen nicht wohl zu vermeiden, daß die Jury

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/284
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/284>, abgerufen am 22.11.2024.