Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Das Volksrecht und das Gerichtswesen. ringen Umfangs beschränkt bleibt, sondern zu einer allgemeine-ren Geltung gelangt, und dadurch in den Kreis der gemein- samen, nationalen Rechtsbildung hineingezogen wird. Dann wird auch der zum Schöffen erkorene Bürger dem Juristen gegenüber mehr Selbstvertrauen und Haltung gewinnen, und während er dessen Auctorität in Fragen, welche zu ihrer rich- tigen Beurtheilung eine tiefere Rechtskenntniß voraussetzen, gerne anerkennt, wird er doch auch über die ihm geläufigen Rechtsverhältnisse seine eigene Meinung geltend zu machen wissen. Eine solche gemischte Besetzung der Gerichte müßte dann aber, etwa mit Ausnahme eines Cassationshofes, durch alle Instanzen gehen; denn wenn sie nur in der untersten statt finden sollte, so würde es leicht geschehen, daß die verschiedene Zusammensetzung der Gerichte auch auf die Entscheidungen einen nachhaltigen Einfluß ausübte, und die Wirksamkeit der ganzen Einrichtung bedrohte, -- ein Uebelstand, der sich prac- tisch schon recht sehr bemerklich gemacht hat, wo die Appella- tion von Handelsgerichten an Juristengerichte geht. In die- ser Beziehung kann ich daher auch nicht mit Reyscher über- einstimmen, der in einem interessanten Aufsatze die Schöffen- verfassung ähnlich, wie hier geschehen, vertheidigt hat, sie aber auf die erste Instanz beschränken zu wollen scheint*) Es ist nun aber weiter zu untersuchen, ob die Schöffen- *) S. Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft.
VI. 2. S. 363 ff. Das Volksrecht und das Gerichtsweſen. ringen Umfangs beſchraͤnkt bleibt, ſondern zu einer allgemeine-ren Geltung gelangt, und dadurch in den Kreis der gemein- ſamen, nationalen Rechtsbildung hineingezogen wird. Dann wird auch der zum Schoͤffen erkorene Buͤrger dem Juriſten gegenuͤber mehr Selbſtvertrauen und Haltung gewinnen, und waͤhrend er deſſen Auctoritaͤt in Fragen, welche zu ihrer rich- tigen Beurtheilung eine tiefere Rechtskenntniß vorausſetzen, gerne anerkennt, wird er doch auch uͤber die ihm gelaͤufigen Rechtsverhaͤltniſſe ſeine eigene Meinung geltend zu machen wiſſen. Eine ſolche gemiſchte Beſetzung der Gerichte muͤßte dann aber, etwa mit Ausnahme eines Caſſationshofes, durch alle Inſtanzen gehen; denn wenn ſie nur in der unterſten ſtatt finden ſollte, ſo wuͤrde es leicht geſchehen, daß die verſchiedene Zuſammenſetzung der Gerichte auch auf die Entſcheidungen einen nachhaltigen Einfluß ausuͤbte, und die Wirkſamkeit der ganzen Einrichtung bedrohte, — ein Uebelſtand, der ſich prac- tiſch ſchon recht ſehr bemerklich gemacht hat, wo die Appella- tion von Handelsgerichten an Juriſtengerichte geht. In die- ſer Beziehung kann ich daher auch nicht mit Reyſcher uͤber- einſtimmen, der in einem intereſſanten Aufſatze die Schoͤffen- verfaſſung aͤhnlich, wie hier geſchehen, vertheidigt hat, ſie aber auf die erſte Inſtanz beſchraͤnken zu wollen ſcheint*) Es iſt nun aber weiter zu unterſuchen, ob die Schoͤffen- *) S. Zeitſchrift fuͤr deutſches Recht und deutſche Rechtswiſſenſchaft.
VI. 2. S. 363 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0281" n="269"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Volksrecht und das Gerichtsweſen</hi>.</fw><lb/> ringen Umfangs beſchraͤnkt bleibt, ſondern zu einer allgemeine-<lb/> ren Geltung gelangt, und dadurch in den Kreis der gemein-<lb/> ſamen, nationalen Rechtsbildung hineingezogen wird. Dann<lb/> wird auch der zum Schoͤffen erkorene Buͤrger dem Juriſten<lb/> gegenuͤber mehr Selbſtvertrauen und Haltung gewinnen, und<lb/> waͤhrend er deſſen Auctoritaͤt in Fragen, welche zu ihrer rich-<lb/> tigen Beurtheilung eine tiefere Rechtskenntniß vorausſetzen,<lb/> gerne anerkennt, wird er doch auch uͤber die ihm gelaͤufigen<lb/> Rechtsverhaͤltniſſe ſeine eigene Meinung geltend zu machen<lb/> wiſſen. Eine ſolche gemiſchte Beſetzung der Gerichte muͤßte<lb/> dann aber, etwa mit Ausnahme eines Caſſationshofes, durch<lb/> alle Inſtanzen gehen; denn wenn ſie nur in der unterſten ſtatt<lb/> finden ſollte, ſo wuͤrde es leicht geſchehen, daß die verſchiedene<lb/> Zuſammenſetzung der Gerichte auch auf die Entſcheidungen<lb/> einen nachhaltigen Einfluß ausuͤbte, und die Wirkſamkeit der<lb/> ganzen Einrichtung bedrohte, — ein Uebelſtand, der ſich prac-<lb/> tiſch ſchon recht ſehr bemerklich gemacht hat, wo die Appella-<lb/> tion von Handelsgerichten an Juriſtengerichte geht. In die-<lb/> ſer Beziehung kann ich daher auch nicht mit Reyſcher uͤber-<lb/> einſtimmen, der in einem intereſſanten Aufſatze die Schoͤffen-<lb/> verfaſſung aͤhnlich, wie hier geſchehen, vertheidigt hat, ſie aber<lb/> auf die erſte Inſtanz beſchraͤnken zu wollen ſcheint<note place="foot" n="*)">S. Zeitſchrift fuͤr deutſches Recht und deutſche Rechtswiſſenſchaft.<lb/><hi rendition="#aq">VI.</hi> 2. S. 363 ff.</note></p><lb/> <p>Es iſt nun aber weiter zu unterſuchen, ob die Schoͤffen-<lb/> gerichte nicht auch fuͤr die Criminalſachen einzufuͤhren ſind,<lb/> und zwar zu dem Zweck, die oben geruͤgten Maͤngel der Ju-<lb/> riſtengerichte dadurch zu beſeitigen, ohne daß man zu dem In-<lb/> ſtitut der Schwurgerichte ſeine Zuflucht zu nehmen brauchte.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [269/0281]
Das Volksrecht und das Gerichtsweſen.
ringen Umfangs beſchraͤnkt bleibt, ſondern zu einer allgemeine-
ren Geltung gelangt, und dadurch in den Kreis der gemein-
ſamen, nationalen Rechtsbildung hineingezogen wird. Dann
wird auch der zum Schoͤffen erkorene Buͤrger dem Juriſten
gegenuͤber mehr Selbſtvertrauen und Haltung gewinnen, und
waͤhrend er deſſen Auctoritaͤt in Fragen, welche zu ihrer rich-
tigen Beurtheilung eine tiefere Rechtskenntniß vorausſetzen,
gerne anerkennt, wird er doch auch uͤber die ihm gelaͤufigen
Rechtsverhaͤltniſſe ſeine eigene Meinung geltend zu machen
wiſſen. Eine ſolche gemiſchte Beſetzung der Gerichte muͤßte
dann aber, etwa mit Ausnahme eines Caſſationshofes, durch
alle Inſtanzen gehen; denn wenn ſie nur in der unterſten ſtatt
finden ſollte, ſo wuͤrde es leicht geſchehen, daß die verſchiedene
Zuſammenſetzung der Gerichte auch auf die Entſcheidungen
einen nachhaltigen Einfluß ausuͤbte, und die Wirkſamkeit der
ganzen Einrichtung bedrohte, — ein Uebelſtand, der ſich prac-
tiſch ſchon recht ſehr bemerklich gemacht hat, wo die Appella-
tion von Handelsgerichten an Juriſtengerichte geht. In die-
ſer Beziehung kann ich daher auch nicht mit Reyſcher uͤber-
einſtimmen, der in einem intereſſanten Aufſatze die Schoͤffen-
verfaſſung aͤhnlich, wie hier geſchehen, vertheidigt hat, ſie aber
auf die erſte Inſtanz beſchraͤnken zu wollen ſcheint *)
Es iſt nun aber weiter zu unterſuchen, ob die Schoͤffen-
gerichte nicht auch fuͤr die Criminalſachen einzufuͤhren ſind,
und zwar zu dem Zweck, die oben geruͤgten Maͤngel der Ju-
riſtengerichte dadurch zu beſeitigen, ohne daß man zu dem In-
ſtitut der Schwurgerichte ſeine Zuflucht zu nehmen brauchte.
*) S. Zeitſchrift fuͤr deutſches Recht und deutſche Rechtswiſſenſchaft.
VI. 2. S. 363 ff.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |