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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Historische Einleitung.
auf den Charakter und die Staatsbildung der Deutschen aus-
geübt hatte. Manches ward freilich leicht wieder ausgestoßen:
so die isolirten Vorschriften des römischen Rechts, welche in
die Gesetze einzelner Volksstämme übergegangen waren; auch
das Fehdewesen war bald wieder mehr im Schwange. Aber
viele und wichtige Einrichtungen blieben als die Grundlage
der weiteren Entwicklung im Mittelalter bestehen. Dahin ist,
wenigstens theilweise, das Recht der Kirche zu zählen; des-
gleichen die Grafengewalt, die Schöffenverfassung und das Le-
henwesen. Doch hat das Letztere in Deutschland, wo das
Princip der gemeinen Freiheit lange noch festgehalten ward,
nie die tief eingreifende Bedeutung erhalten, wie bei den ro-
manischen Völkern und namentlich den Franzosen; es ist oft
nur die äußere Form für Verhältnisse geworden, die einen
selbständigen Charakter hatten, und sich diesem gemäß ent-
wickelten.

Mit dieser Ausrüstung nun begannen die Deutschen nach
dem Ausgang der Karolinger ihr selbständiges politisches Le-
ben. Anfangs schien es freilich zweifelhaft, ob es nur zu ei-
ner dauernden Vereinigung der wichtigsten Volksstämme kom-
men werde; denn diese, die Franken, Schwaben, Sachsen und
Baiern, standen noch in schroffer Abgeschlossenheit neben ein-
ander; es entwickelte sich unter ihnen wieder die volksthüm-
liche Gewalt des Herzogthums, welches mit dem bloß eine
Amtswürde darstellenden fränkischen Ducate nicht verwechselt
werden darf, und das Bewußtseyn einer nationalen Einheit
war noch nicht allgemein vorhanden. Indessen trat es doch
bald hervor, und fand namentlich in den großen Königen der
sächsischen Dynastie seine lebendige Vertretung. So bekam
Deutschland in dem Königthum einen politischen Mittelpunct,

Hiſtoriſche Einleitung.
auf den Charakter und die Staatsbildung der Deutſchen aus-
geuͤbt hatte. Manches ward freilich leicht wieder ausgeſtoßen:
ſo die iſolirten Vorſchriften des roͤmiſchen Rechts, welche in
die Geſetze einzelner Volksſtaͤmme uͤbergegangen waren; auch
das Fehdeweſen war bald wieder mehr im Schwange. Aber
viele und wichtige Einrichtungen blieben als die Grundlage
der weiteren Entwicklung im Mittelalter beſtehen. Dahin iſt,
wenigſtens theilweiſe, das Recht der Kirche zu zaͤhlen; des-
gleichen die Grafengewalt, die Schoͤffenverfaſſung und das Le-
henweſen. Doch hat das Letztere in Deutſchland, wo das
Princip der gemeinen Freiheit lange noch feſtgehalten ward,
nie die tief eingreifende Bedeutung erhalten, wie bei den ro-
maniſchen Voͤlkern und namentlich den Franzoſen; es iſt oft
nur die aͤußere Form fuͤr Verhaͤltniſſe geworden, die einen
ſelbſtaͤndigen Charakter hatten, und ſich dieſem gemaͤß ent-
wickelten.

Mit dieſer Ausruͤſtung nun begannen die Deutſchen nach
dem Ausgang der Karolinger ihr ſelbſtaͤndiges politiſches Le-
ben. Anfangs ſchien es freilich zweifelhaft, ob es nur zu ei-
ner dauernden Vereinigung der wichtigſten Volksſtaͤmme kom-
men werde; denn dieſe, die Franken, Schwaben, Sachſen und
Baiern, ſtanden noch in ſchroffer Abgeſchloſſenheit neben ein-
ander; es entwickelte ſich unter ihnen wieder die volksthuͤm-
liche Gewalt des Herzogthums, welches mit dem bloß eine
Amtswuͤrde darſtellenden fraͤnkiſchen Ducate nicht verwechſelt
werden darf, und das Bewußtſeyn einer nationalen Einheit
war noch nicht allgemein vorhanden. Indeſſen trat es doch
bald hervor, und fand namentlich in den großen Koͤnigen der
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Deutſchland in dem Koͤnigthum einen politiſchen Mittelpunct,

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[11/0023] Hiſtoriſche Einleitung. auf den Charakter und die Staatsbildung der Deutſchen aus- geuͤbt hatte. Manches ward freilich leicht wieder ausgeſtoßen: ſo die iſolirten Vorſchriften des roͤmiſchen Rechts, welche in die Geſetze einzelner Volksſtaͤmme uͤbergegangen waren; auch das Fehdeweſen war bald wieder mehr im Schwange. Aber viele und wichtige Einrichtungen blieben als die Grundlage der weiteren Entwicklung im Mittelalter beſtehen. Dahin iſt, wenigſtens theilweiſe, das Recht der Kirche zu zaͤhlen; des- gleichen die Grafengewalt, die Schoͤffenverfaſſung und das Le- henweſen. Doch hat das Letztere in Deutſchland, wo das Princip der gemeinen Freiheit lange noch feſtgehalten ward, nie die tief eingreifende Bedeutung erhalten, wie bei den ro- maniſchen Voͤlkern und namentlich den Franzoſen; es iſt oft nur die aͤußere Form fuͤr Verhaͤltniſſe geworden, die einen ſelbſtaͤndigen Charakter hatten, und ſich dieſem gemaͤß ent- wickelten. Mit dieſer Ausruͤſtung nun begannen die Deutſchen nach dem Ausgang der Karolinger ihr ſelbſtaͤndiges politiſches Le- ben. Anfangs ſchien es freilich zweifelhaft, ob es nur zu ei- ner dauernden Vereinigung der wichtigſten Volksſtaͤmme kom- men werde; denn dieſe, die Franken, Schwaben, Sachſen und Baiern, ſtanden noch in ſchroffer Abgeſchloſſenheit neben ein- ander; es entwickelte ſich unter ihnen wieder die volksthuͤm- liche Gewalt des Herzogthums, welches mit dem bloß eine Amtswuͤrde darſtellenden fraͤnkiſchen Ducate nicht verwechſelt werden darf, und das Bewußtſeyn einer nationalen Einheit war noch nicht allgemein vorhanden. Indeſſen trat es doch bald hervor, und fand namentlich in den großen Koͤnigen der ſaͤchſiſchen Dynaſtie ſeine lebendige Vertretung. So bekam Deutſchland in dem Koͤnigthum einen politiſchen Mittelpunct,

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/23>, abgerufen am 21.11.2024.